Kurz & bündig
- Plastik ist überall in unserer Umwelt und gelangt in den Boden sowie in unsere Nahrung.
- Joelle Herforth-Rahmé und Adrian Grunder arbeiten bei einem Forschungsprojekt mit, welches das Plastik-Ausmass für die Landwirtschaft beziffern will.
- Hauptquellen von Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden sind verschmutzter Kompost, Klärschlamm, pillierte Düngemittel, Reifenabrieb und Mulchfolien.
Plastik ist überall – in Verpackungen, in der Kleidung, in der Küche, in Kosmetika und Düngemitteln, an der Schnur des Fadenmähers, an den Clips in der Apfelanlage und an vielen weiteren Orten, an die wir gar nicht denken», sagt die Biologin Joelle Herforth-Rahmé. Sie forscht am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL unter anderem zu Mikroplastik. Plastik sei auch in der Nahrung zu finden. «Wir essen Plastik und wir atmen es ein», sagt Joelle Herforth-Rahmé.
Mikroplastik treibt in den Weltmeeren. Das ist bekannt und dazu wird seit Jahrzehnten geforscht und nach Lösungen gesucht. Erst seit Kurzem rückt der Boden in den Fokus der Mikroplastik-Erforschung.
«Aktuell wird geschätzt, dass 4 bis 23 Mal mehr Plastik im Boden abgelagert ist als in den Meeren», sagt Joelle Herforth-Rahmé. Adrian Grunder stimmt zu. Der Doktorand analysiert Bodenproben im Labor des Geografischen Instituts der Universität Bern.
«In der Anwendung ist Plastik fast unschlagbar»
Genauere Zahlen zum Mikroplastikgehalt im Boden sind noch nicht bekannt. Das liegt auch daran, dass die Messung recht kompliziert ist und es noch keine etablierten Methoden gibt – die Forschung steht da am Anfang.
Da kommen Grunders Bodenproben ins Spiel. Diese stammen unter anderem von Schweizer Landwirtschaftsbetrieben. «Aber aktuell kann ich noch keine Zahlen zum Plastikvorkommen nennen. Vielleicht dann in einem Jahr», sagt der Wissenschaftler und lacht.
[IMG 2]
Herforth-Rahmé und Grunder arbeiten beide im Projekt Minagris. Involviert sind 20 Partner aus zwölf europäischen Ländern. Sie untersuchen gemeinsam die Bedeutung von Mikroplastik für die Landwirtschaft.
Es geht darum, Quellen des Plastiks im Boden zu finden, Mengen zu beziffern und Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Böden zu dokumentieren. «Es geht ganz sicher nicht darum, LandwirtInnen als Verschmutzer anzuprangern. Denn Plastik ist ein Produkt, das von der gesamten Gesellschaft stark genutzt und dann entsorgt wird. Auch in der Landwirtschaft ist es schwer zu ersetzen», betont Herforth-Rahmé.
Das sei übrigens gut nachvollziehbar: «In der Anwendung ist Plastik fast unschlagbar. Es ist vielseitig einsetzbar und formbar, leicht, stabil und preiswert», sagt Herforth-Rahmé und Grunder ergänzt: «Viele Alternativen zu Plastik haben einen Nachteil und sei es nur, dass sie teurer sind.»
Von der weltweiten Plastikproduktion geht 3,4 Prozent der Produkte in die Landwirtschaft. Auf dem Feld und im Boden landen aber nicht nur extra fabrizierte Produkte, sondern auch unvorhergesehener Abfall und alles, was Wind, Wasser und landwirtschaftliche Arbeiten mit sich bringen.
Erst gar nicht verschmutzen – leichter gesagt als getan
Gemäss aktuellem Wissenstand sind das die Hauptquellen, aus denen Plastik auf das Feld kommt:
- Reifenabrieb vom Verkehr auf den Strassen.
- Littering
- Klärschlamm – wobei dieser in der Schweiz aktuell nicht erlaubt ist.
- Pillierte Düngemittel. Diese sind umhüllt, wobei Plastik eingesetzt wird. Diese Umhüllung hat den Vorteil, dass die Nährstoffe nur langsam freigegeben werden. Ausserdem ist so jedes Düngerkorn gleich gross und gleich schwer, was die Ausbringung erleichtert.
- Verschmutzter Kompost
- Folien, auf denen Gemüse oder Beeren wachsen.
Ist Plastik einmal in der Umwelt, kann es nur mühsam und mit grossem Aufwand entfernt werden. «Plastik und Kompost voneinander zu trennen, ist beispielsweise sehr schwierig. Denn beides hat eine ähnliche Dichte», erklärt Herforth-Rahmé.
[IMG 3]
«Auch in der Landwirtschaft ist Plastik schwer zu ersetzen.»
Joelle Herforth-Rahmé, FiBL
Es sei daher das Beste, von Beginn weg auf einen sauberen Kompost zu pochen – was natürlich auch nicht einfach ist. Kompost entsteht aus Bioabfällen verschiedener Quellen, darunter auch aus den Haushalten der Bevölkerung. Unsachgemäss entsorgter Abfall, ob wissentlich oder unwissentlich, wird nicht abgebaut. Und so finden sich am Ende im Kompost Resten von Plastikbesteck, Obstaufkleber oder Plastiksäcken.
Abbaubare Folie ist trotzdem auffindbar
Die Plastikfolien sind zwar keine riesige Plastikquelle (die pillierten Düngemittel sind gemäss Zahlen des Naturschutzbundes Deutschland viel gravierender). Bei diesen Folien kann der Landwirt aber am ehesten den Hebel ansetzen, während er auf viele andere Quellen gar keinen grossen Einfluss hat. «Hierbei darf man skeptisch sein, was abbaubare Folien betrifft», sagt Adrian Grunder.
«Diese Abbaubarkeit wurde im Labor getestet, unter kontrollierten Bedingungen. So und so viel UV-Strahlung, diese Temperatur und in dieser Zeit. Aber draussen, in der Umwelt ist die Alterung von Plastik und damit auch dessen Abbau nicht kontrolliert», erklärt er. Konkret bedeutet das, dass auch Plastikpartikel von abbaubarer Folie gefunden werden können.
Firmen sind nicht verpflichtet, die Inhaltsstoffe der Folien zu deklarieren. «Abbaubar kann vieles bedeuten. Transparenz und Vertraulichkeit gegenüber einem Label zu schaffen, wäre ein wichtiges Ziel», ergänzt Herforth-Rahmé.
[IMG 4]
«Man darf skeptisch sein, was abbaubare Folien betrifft.»
Adrian Grunder, Universität Bern
Einflüsse auf Bodenlebewesen nicht vollständig bekannt
Ist Mikroplastik denn überhaupt ein so grosses Problem in der Umwelt? Sicher, wir nehmen Plastik über die Nahrung auf – aber daran gestorben sind wir noch nicht, um es sehr salopp zu formulieren. Das meiste dieses Plastiks scheiden wir auch wieder aus. Nichtsdestotrotz finden sich Nano-Plastikpartikel in unserem Blut und Organen. «Wir wissen noch zu wenig über die Auswirkungen des Plastiks auf das Bodenleben oder auf den Ertrag der Ackerkulturen», sagt Adrian Grunder.
Es gebe erste Studien, die beschreiben, dass Plastik die Bodenorganismen beeinflusst: Sie bewegen sich langsamer oder zeigen ein anderes Paarungsverhalten. Ausserdem verändern die Mikropartikel die Bodenstruktur. Das kann wiederum Einflüsse auf den Wasserhaushalt im Boden haben. Oder auf die Pflanzenverfügbarkeit von Nährstoffen.
«Genau das werden wir in den nächsten Jahren im Rahmen von Minagris versuchen herauszufinden», sagt Joelle Herforth-Rahmé.
Was ist Mikroplastik?
Kunststoffe, umgangssprachlich Plastik genannt, sind vom Menschen hergestellte Werkstoffe. Diese bestehen aus verschiedenen, besonders grossen Molekülen. Der Rohstoff dazu ist meist Erdöl.
Die grossen Moleküle des Kunststoffes sind sehr stabil und beständig. In der Umwelt wird Plastik daher kaum abgebaut – oder jedenfalls nur sehr langsam.
Bei einer Getränkeflasche schätzt man, dass es 450 Jahre dauert, bis sie sich vollständig zersetzt hat. Da die ersten Kunststoff-Flaschen erst vor 80 Jahre aufkamen, handelt es sich jedoch um eine Schätzung.
Doch auch Plastik altert, wird spröde oder weich. Es zerfällt mit der Zeit in immer kleinere Teile:
- Mikroplastik(Partikel kleiner als 5 mm)
- Nanoplastik(Partikel kleiner als 0,001 mm)
Diese Kleinstpartikel finden sich mittlerweile überall, sogar im Schnee der Arktis.
Reduzieren, wiederverwenden, recyceln (engl. «Reduce, reuse, recycle»). Das sei langfristig die effektivste Methode gegen die Anhäufung von Plastik, sind sich Joelle Herforth-Rahmé und Adrian Grunder einig.