Wir Bauern sind ein offenes, tolerantes Völkchen. Das lässt sich exemplarisch anhand des Begrüssungsrituals zweier Traktorfahrer belegen.
Begrüssungen und Verabschiedungen sind ja im Allgemeinen nicht immer einfach. Hand oder Küsschen geben, Umarmen oder nicht. Alle in der Gruppe gleich begrüssen, auch wenn ich die Hälfte gar nicht kenne. Sind wir eigentlich per Du oder per Sie …
Es lauern viele Stolperfallen rund um das Thema Begrüssen und Verabschieden – und das nicht erst seit Corona.
Einfacher ist es da beim Traktor fahren. Da wird einfach gewunken, Punkt.OK, vielleicht muss man noch etwas präzisieren: Mit «Winken» meine ich kein euphorisches «Mit-den-Armen-Fuchteln» und sich freudestrahlend anlächeln. Etwas nüchterner geht es schon zu und her. Zum Beispiel so:
Traktor 1 fährt Traktor 2 entgegen. Beide haben vor sich meist eine leere Strasse, und hinter sich je nach dem eine Kolonne von Fahrzeugen. Egal, jedenfalls sehen sich die beiden von Weitem. Das Gruss-Prozedere läuft nun in der Regel folgendermassen ab: Sobald sich die Fahrer gegenseitig gut sehen, wird Blickkontakt hergestellt. Der nächste Schritt ist das Winken. Das geht üblicherweise so, dass die Hände schön am Lenkrad bleiben, jedoch der Zeigefinger der linken Hand zum Grusse leicht angehoben wird. Die Miene der Fahrer ändert sich dabei höchstens ganz leicht, bleibt aber meistens neutral bis fokussiert. Ergänzt wird das Prozedere mit einem leichten Anheben des Kinns.
Die beiden Grusshandlungen erfolgen ziemlich zeitgleich und enden bereits nach zwei bis drei Sekunden.
Dabei ist es egal, ob Traktor 1 nun blau, grün oder rot ist (OK, blau ist natürlich schon am schönsten …) und Traktor 2 eine ganz andere Farbe hat. Gewunken wird sowieso.
Auch wenn ein moderner 200-PS-Traktor einen Oldtimer kreuzt, wird gegrüsst. Da zeigt sich die Toleranz und Offenheit von uns Landwirten. Auf dem Traktor sind alle gleich. Es geht sogar noch weiter: Als ich neulich mit dem Traktor unterwegs war, sah ich am Strassenrand einen Bub auf dem Tret-Traktor. Der Kleine verzog keine Miene, hob den Zeigefinger und nickte mir mit grosser Selbstverständlichkeit zu. Wie ein echter Profi.
Diese Usanz hat sich eingebürgert, ohne dass sie irgendwo niedergeschrieben wäre. Dass sich alle auf gleiche Art und Weise grüssen, ist keineswegs selbst-verständlich. Das wird einem bewusst, wenn man beispielsweise zu den Motorradfahrern schaut.
Bei den Töff-Fahrern wird es schnell kompliziert, wenn es um das Grüssen geht. Da wird unterschieden zwischen «richtigen» und «falschen» Motorrädern. Keine «richtigen» Motorräder sind Roller und alles, was weniger als 125 ccm Hubraum hat. Und natürlich grüssen richtige Motor-radfahrer nur ihresgleichen. Dann gibt es noch Regeln wie jene, dass Harley-Fahrer keine Fahrer japanischer Töffs grüssen. Oder die sympathischere Tradition, dass die Fahrer von alten Seitenwagen-Motorrädern immer gegrüsst werden (wohl aus Mitleid, weil deren Rosthaufen oft stehen bleiben).
Und was heisst das jetzt? Nun, wenn wir schon in der Lage sind, uns alle gegen-seitig anständig zu begrüssen, dann muss das nicht das Ende der Übereinstimmungen zwischen Landwirten sein. 2021 legt «die grüne» ein Jahr lang den Fokus darauf, wie Bauern «Hand in Hand» voneinander profitieren können. Etwas, was auch ich persönlich im Blick habe und sehr gerne auf unserem Betrieb vertiefen möchte. Eine Begrüssung ist schliesslich meistens der Anfang und muss nicht immer auch schon das Ende bedeuten.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er von Alltäglichem und Ausser-gewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.