Gross zu sein mag ja so einige Vorteile haben. Man ist flexibler bei der Platzwahl an Konzerten. Auch Gegenstände auf höher gelegenen Regalen befinden sich noch lange in Reichweite. Die Luft ist oben tendenziell besser als unten. Und ich habe noch nie eine Frau sagen gehört: Ou nein, dieser Mann ist mir zu gross.
Natürlich hat auch eine überdurchschnittliche Körpergrösse ihre Kehrseiten. Zum Beispiel, dass die Füsse verdammt weit unten sind, besonders morgens, wenn ich die Socken anziehen möchte und feststellen muss, dass der Rücken steif ist wie ein Brett und die Zehen folglich nur schwer zu erreichen sind.
Ja, der Rücken. Ein eher unliebsames Familienerbstück, genetisch vorbelastet entlang des ganzen Stammbaumes. Insofern darf ich mich eigentlich nicht allzu sehr beklagen: Ich kann körperlich arbeiten, mache Bergtouren, fahre Ski, spiele Theater und komme doch ordentlich zurecht. Ich hatte nie eine Diskushernie und habe keine Wirbel versteift. So weit, so gut.
Gute Vorsätze in Sachen Training, …
Letzten Herbst spitzte sich die Situation mit dem Rücken aber gleichwohl etwas zu. Spürte ich früher noch lediglich ein, zwei Mal pro Jahr für kurze Zeit ein gröberes Zwicken oder einen Hexenschuss im Rücken, hielt sich der Schmerz diesmal hartnäckig über eine längere Zeit. Ich begriff langsam, dass ich wohl besser etwas unternehmen sollte. Die Frau meines Bruders ist Physiotherapeutin. Sie zeigte mir Übungen für den Rumpf, Kraft und Beweglichkeit, und ich nahm mir vor, diese täglich anzuwenden.
An dieser Stelle steht normalerweise etwa folgendes: Am Anfang habe ich die Übungen ein Paar Mal gemacht, dann wurde ich etwas nachlässig und mittlerweile weiss ich gar nicht mehr, wie die Übungen gehen.
Erstaunlicherweise lief es aber anders, und hier steht jetzt: Seit dem 1. Dezember habe ich meine Übungen an jedem einzelnen Tag gemacht. OK, zwei Ausnahmen gab es, den 1. Januar und den Tag nach dem lokalen Fasnachtsball, aus guten Gründen. Aber ansonsten wurde es meine Routine, dass ich eine halbe Stunde früher als sonst aufstehe und als erstes meine Übungen mache. Die Auswirkungen sind erfreulich, der Ausblick ist aber eher ernüchternd: Vermutlich ist die Sache mit dem Rücken genau so lange stabil, wie ich meine Übungen auch weiterhin durchziehe.
… die versöhnlich stimmen
Ich weiss, ich bin noch etwas zu jung, um hier eine ganze Seite lang über körperliche Bräschten zu jammern. Ich würde Ihnen auch kaum von Angesicht zu Angesicht davon erzählen. Die Gefahr ist sonst zu gross, dass man sich gegenseitig mit Schauergeschichten vom eigenen Körper zu übertrumpfen versucht.
Darum hier der versöhnliche Abschluss: Ich habe keine Verdauungsprobleme. Meine Knie sind tiptop. Migräne ist mir fremd. Ich habe keine Allergien und kann alles essen, was mir schmeckt.
Meine Arme sind fit und recht gut im Schuss. Danke meiner Brille sehe ich gestochen scharf. Trotz gelegentlichem Tabakkonsum ist meine Grundausdauer in Ordnung.
Ich hatte nie gröbere psychische Probleme. Ich blute ständig irgendwo, es verheilt dann aber ebenso zuverlässig wieder. Ich fühle mich weder durch Strahlung, Elektrosmog oder sonstiges beeinträchtigt. Und ich glaube, ich beginne sogar meine morgendlichen Turnübungen zu mögen.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.