Es gibt viele Möglichkeiten, sich im Leben Rat zu holen: Fachtagungen, Online-Foren, Ausstellungen, Händler und Verkäufer, Messen, Print-Medien, Freunde und Familie oder natürlich auch Coaches und Berater. Da kann es schon mal passieren, dass man vor lauter Bäumen den Wald kaum sieht, denn bei all diesen Inspirationsquellen müssen ja alle BetriebsleiterInnen am Ende selber entscheiden, was für sie am besten passt.
Ich weiss noch nicht genau, in welche Richtung sich mein Betrieb weiterentwickeln soll. Ich hatte aber Lust, mich in meinem ersten halben Jahr nach der Hofübernahme inspirieren zu lassen. Und für mich sind die interessantesten (und vertrauenswürdigsten) Ratgeber eindeutig meine Berufskolleginnen und -kollegen.
Konkrete Veränderung nach Gesprächen mit Kollegen
Also kontaktierte ich diverse Betriebsleiter mit aus meiner Sicht spannenden und zumindest teilweise vergleichbaren Betrieben mit der Frage, ob sie offen sind für einen Austausch. Das lief dann beispielsweise so ab, dass ich auf deren Betrieb einen Rundgang machen und Fragen stellen konnte und wir anschliessend zu mir nach Hause gingen. Ich erhoffte mir von den Kollegen Antworten auf folgende Fragen: Was fällt euch auf? Was können wir besser machen, wo seht ihr Potenzial?
Daraus resultierten einige konkrete Veränderungen: Wir haben einen neuen Feedboy gekauft, der drei unterschiedliche Kraftfutter sowie Kalzium und Mineralsalz bei den Muni verteilen kann statt wie bisher nur zwei Kraftfutter. Das sollte eine tägliche Zeitersparnis und eine höhere Verteilgenauigkeit zur Folge haben. Und es gibt eine neue Schlauchlüftung bei den Tränkekälbern und in der Vormast, mit dem Ergebnis einer hoffentlich verbesserten Luftqualität und Tiergesundheit.
Aus einem Gespräch mit Kollegen kann aber auch resultieren, dass man am bisherigen System festhält. Auch das kann als Fortschritt betrachtet werden: Man bleibt beim Alten, aber ohne die lästigen Zweifel, dass man doch irgendwie etwas ändern müsste, sondern weil man nach reiflicher Überlegung zum Schluss gekommen ist, dass die aktuelle Vorgehensweise die derzeit bestmögliche ist.
Ich schätze es sehr, wenn Kollegen – die ja letztendlich auch Konkurrenten sind – offen für einen ehrlichen Austausch sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man durchaus auch über konkrete Zahlen sprechen kann. Und möchte das gerne auch in Zukunft tun.
Meist endet so ein Gespräch aber natürlich nicht nur bei technischen Diskussionen. Am Schluss landete man eigentlich immer wieder auch bei allgemeinen Themen: Wie organisiert man die Arbeit? Wie gestaltet man den Generationenwechsel? Was ist wichtig im Umgang mit Mitarbeitenden? Oder sogar: Wie hält man es mit der Work-Life-Balance, wie stark ist die Familie im Betrieb involviert, wieso tue ich eigentlich, was ich tue?
Apropos Familie: Von allen Ratgebern sind die eigenen Eltern vermutlich die kompliziertesten. Es kann schwierig sein, elterlichen Rat anzunehmen. Schliesslich will man bei der Hofübergabe ja den Betrieb auch weg vom Betrieb der Eltern hin zu seinem eigenen Betrieb entwickeln.
Mein Vater antwortete einmal auf die Frage, was er rückblickend anders gemacht hätte: «Ich hätte früher zu anderen guten Betriebsleitern gehen und mich von ihnen beraten lassen sollen.» So habe ich von ihm also immerhin den Rat angenommen, Rat von anderen einzuholen.