Im Jahr 2021 ist es absolut legitim, über das Wetter zu fluchen. Immer, wenn ich dachte, der Tiefpunkt sei erreicht, setzte es noch einen obendrauf. Ein Teil unserer abgeernteten Felder sah zwischenzeitlich aus, als hätte ein Tractorpulling-Event darauf stattgefunden.

Beim Weizen ernteten wir eine himmeltraurige Mischung aus Auswuchs, Mykotoxin und tiefem Hektolitergewicht. Das ganze kombiniert mit tiefen Erträgen. Ein Hagelgewitter hat einen Teil der Kulturen massiv beschädigt. Der anschliessende Regen sorgte dafür, dass mehrere Hektaren Land unter Wasser gestanden sind. Vermutlich ist es kein gutes Zeichen für die Kartoffelernte, wenn Enten zwischen den Dämmen schwimmen.

Im Jahr 2021 hat jeder Landwirt seine ganz eigene Schauergeschichte über zerstörte Kulturen, beschädigte Gebäude und lausiges Futter. Jede ist auf ihre Art schlimm. Positiv denken sei aber wichtig, heisst es. So habe ich mich auch auf die Suche nach Erfreulichem gemacht:

Nach dem Hagel regnete es so viel, dass die zerstörten Kulturen gnädigerweise unter einem See lagen. So musste man den Hagelschaden eine Weile lange nicht mehr anschauen.

Wir konnten unsere Bewässerungspumpe trotz allem gut auslasten. Sie kam zum Einsatz, um die Wassermassen aus den Feldern zu pumpen.

Beim Dreschen musste ich nie einen zusätzlichen Wagen an den Feldrand bringen, weil die Ernte höher ausgefallen wäre als vorgängig angenommen.

Diesen Herbst liegt vielleicht sogar die eine oder andere Wanderung drin, da sich die Erntearbeiten bei den Kartoffeln und Süsskartoffeln voraussichtlich deutlich reduzieren .

Ich habe erstmals einer Pensionärin im Pferdestall gekündigt. Sie hat sich beschwert, dass bei diesem Wetter das Verhältnis zwischen Preis und Leistung nicht stimme. Diese Kündigung war seit einiger Zeit überfällig.

Schächte im Feld habe ich nicht mehr primär als störende Hindernisse, sondern als nützliche Infrastruktur wahrgenommen.

Aber im Ernst: Es ist ein katastrophales Jahr. Ein kleiner Trost ist, dass es noch schlimmer hätte kommen können. Das kann man fast in jeder Lebenssituation so sehen. Wäre der Hagelzug um einen Kilometer versetzt gekommen, wären deutlich mehr unserer Felder furchtbar zugerichtet. Zudem haben unsere Gebäude keine grösseren Schäden davongetragen. Bereits 800 Meter von uns entfernt sieht das anders aus.

Auch ist es so, dass es dieses Jahr allen Landwirten ziemlich gleich geht. Nicht, dass ich das irgendjemandem gönnen würde! Dennoch hat es irgendwie etwas Tröstliches. Ich habe in der jüngsten Vergangenheit mehr Gespräche mit Berufskollegen geführt als sonst – auch mit solchen, mit denen ich sonst nur wenig Kontakt habe. Die aktuelle Situation schafft ein Gefühl der Verbundenheit. Und geteiltes Leid ist eben irgendwie doch halbes Leid.

Für die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung ist es sehr schwierig, sich bei solchen Extremwetterereignissen in die Lage eines Bauern hineinzuversetzen. Man sieht zwar vordergründig ein zerstörtes Feld, jedoch nicht die Arbeit dahinter: Die Planung der Fruchtfolge im Voraus, die Wahl der Sorte, die Justierung der Technik und Mechanisierung, die Feldkontrollen und die exakt ausgeführten Pflegearbeiten.

Nichts falsch gemacht und dennoch mit leeren Händen dastehen: Das war bis vor Corona beinahe ein Alleinstellungsmerkmal unseres Berufs. Darum tut es gut, in dieser Zeit mit Berufskollegen zu reden. Nur sie verstehen derzeit, wovon man wirklich spricht.

«Plötzlich Bauer»

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt ervon Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.