Es ist aktuell eigentlich die Zeit der Ernte unserer Kartoffeln und Süsskartoffeln. Es ist aber nicht die Zeit, an dieser Stelle gross etwas darüber zu schreiben. Erstens, weil die Ernte auf unserem Betrieb durchzogen bis himmeltraurig ausfällt. Zweitens, weil es auch Wichtigeres gibt im Leben als Erntearbeiten – zwischenmenschliche Beziehungen zum Beispiel.

DossierKolumne«Plötzlich Bauer» von Sebastian HagenbuchDonnerstag, 28. Oktober 2021 Darum ist es für mich primär die Zeit, in der sich meine Freundin und ich getrennt haben. Diese Trennung ist für mein Leben wohl von grösserer Tragweite als die hundslausig ausgefallene Ernte.

Nun kann man sich zu Recht fragen, was ein Text über eine Trennung an dieser Stelle verloren hat. Die einfache Antwort: Weil es wichtig ist. Beziehungen sind, auch für Landwirte und ihre Betriebe, die Basis für fast alles. Zumindest verstehe ich das so. Oft werden Beziehungen – auch zu Freunden und Familie – als selbstverständlich betrachtet, und im hektischen Alltag legt man (oder konkret: ich) den Fokus auf die Arbeit, die ja immer da ist und unbedingt erledigt werden muss.

Zudem kann dieser Text vielleicht dem einen oder anderen den Tritt ins Fettnäpfchen ersparen. Es scheint jeweils ein unangenehmer Moment zu sein, wenn sich jemand nach meiner ehemaligen Partnerin erkundigt und ich dann sage, dass wir kein Paar mehr sind.

Ich vermute, der Grund für diese Verlegenheit ist, dass wir ein generelles Problem mit dem Scheitern haben, nicht nur im privaten Bereich. Wenn etwas nicht gelingt – eine Ackerkultur geht in die Hosen, eine neue Maschine funktioniert nicht wie geplant oder eine Baustelle bringt nicht das gewünschte Resultat – dann sprechen wir in der Schweiz tendenziell nicht gerne oder nur hinter vorgehaltener Hand darüber.

«Hast du gesehen, wie elend das Feld von Köbi aussieht? Das ist ja grauenhaft!» Aber dem Köbi sagen wir natürlich nichts dergleichen, sondern wir reden über das Wetter. Scheitern ist uns irgendwie peinlich. Wir nehmen es tendenziell als etwas Schlimmes wahr, und über Schlimmes spricht man nicht. Auch in der Fachpresse berichten wir vorzugsweise über hübsche Erfolgsstorys, innovative LandwirtInnen und schöne neue Stallbauten.

Ich möchte nicht sagen, dass das Scheitern unserer Beziehung irgendwie supercool und wahnsinnig toll ist. Eine jede Trennung hat ihre eigene Tragik, das ist in unserem Fall nicht anders. Wir haben gelebt, gekämpft, probiert – und es am Ende nicht auf die Reihe bekommen.

Die Trennung war das Resultat eines langen gemeinsamen Weges. Das zu akzeptieren ist nicht immer einfach. Und es dauerte eine Weile, bis die Gefühle den Worten hinterherkamen und die Tatsache der Trennung richtig ins Bewusstsein sickerte.

Natürlich war ich traurig. Natürlich war es ein Stück weit ein Scheitern. Zu Boden geworfen hat es mich letztendlich aber nicht, und darüber bin ich sehr froh. Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Liebesbeziehung zum Glück nicht die einzige Beziehung in meinem Leben war. Freunde und Familie sind nach wie vor da. Oder sogar mehr denn je. Das zu wissen und zu spüren tut gut.

Ich möchte zum Schluss nicht in allgemeine Floskeln (Liebe vergeht, Hektar besteht …) abrutschen. Eines scheint mir aber dennoch passend: Wer etwas wagt, kann scheitern. Wer nichts wagt, ist schon gescheitert. So ist es auf dem Landwirtschaftsbetrieb und so ist es wohl auch in der Liebe.

Ich möchte weiterhin gerne etwas wagen. Das Bewusstsein, dass ich gute Beziehungen habe, hilft mir dabei. Beziehungen sind zum Glück weniger wetterabhängig und auch dann tragend, wenn die Ernte lausig ausfällt.

«Plötzlich Bauer»

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt ervon Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.