In der Schweiz gibt es gefühlt für alles ein Label: Damit es Tieren auf den Kopf schifft. Für gentechfreies Futter. Für ein Produkt, das innerhalb eines Kantons produziert wurde; dass auf so und so viel Metern über Meer gearbeitet wurde; dass keine chemisch-synthetischen Hilfsstoffe zum Einsatz kommen oder dass Hörner von Kühen vergraben und zu Präparaten verarbeitet und gespritzt werden.

Es geht mir nicht darum, dies ins Lächerliche zu ziehen. Einige dieser Anforderungen erfüllt mein Betrieb auch, weil sie zum Hof passen, ich sie sinnvoll finde, oder auch, weil sie sich auszahlen.

Mir fällt aber auf: Bei alldem geht es um das Tier, die Pflanze, den Boden oder die Umwelt (zumindest die unmittelbar vor der Haustür liegende …). Selten aber geht es um die Menschen, die hinter der Produktion stehen.

Irgendwie ist das schon bemerkenswert. Bei Produkten von fern her sieht das nämlich anders aus: Da stehen Labels wie Max Havelaar oder Fairtrade dafür ein, dass die Produzentinnen und Produzenten anständig entlöhnt und nicht ausgebeutet werden. Auf der Website swissfairtrade.ch heisst es: «Mit einem Konsum von 112 Franken pro Kopf bleibt die Schweiz Weltmeisterin im Pro-Kopf-Konsum von Fair-Trade-Produkten und zeigt sich auch in schwierigen Zeiten solidarisch mit Produzent:innen im Globalen Süden.»

Wie würden die Richtlinien in der Schweiz aussehen?

Nur mal als Gedanken-Experiment: Müsste man Richtlinien für ein Fairness-Label für Schweizer Landwirte ausarbeiten, was wären hier wohl wünschenswerte Anforderungen?

Durchschnittlich umfasste im Jahr 2023 eine Arbeitswoche für Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz gut 60 Stunden Arbeitszeit, dies bei einem Stundenlohn von gut 17 Franken. Die Männer bezogen knapp sieben Tage Ferien pro Jahr, die Frauen sogar nur deren fünf. Mehr als ein Drittel machte überhaupt keine Ferien.

Sagen wir mal so: Ich denke nicht, dass der Status quo sich gut in den Richtlinien eines Fairtrade-Labels für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Schweiz machen würde. Dabei muss ich noch klarstellen: Persönlich konnte ich es mir in den letzten Jahren leisten, Ferien zu machen, und ich war zu einem deutlich höheren Stundenlohn als 17 Franken angestellt. Dennoch geben mir die branchenspezifischen Zahlen zu denken.

Es wird wohl kaum bald ein Label geben, welches uns Schweizer Landwirte ins Zentrum rückt. Aber warum nicht? Denken die Menschen, dass wir reich sind, weil wir Traktoren haben? Nimmt man an, dass mit 59'000 Franken Direktzahlungen pro Betrieb der Fairness Genüge getan ist? Oder weiss man vielleicht einfach, dass viele Bauern nicht nur gut jammern, sondern auch gut leiden können? Weil ihr Beruf schliesslich ihre Leidenschaft ist, sind sie auch weiterhin bereit, zu den oben erwähnten Bedingungen zu arbeiten?

Ein weiteres Gedanken-Experiment: Was tun Bauern, wenn sie Geld haben? Die wenigsten konsumieren, die meisten investieren: ins Tierwohl etwa, oder in moderne Mechanisierung, was ein wichtiger Baustein eines nachhaltigen Ackerbaus sein kann. Letztendlich käme also ein Label für den Landwirt womöglich auch den Tieren, den Pflanzen und der Umwelt zugute.

Ich möchte auf unserem Betrieb gute Standards für mich und die Mitarbeitenden erfüllen und quasi meine eigenen Richtlinien definieren. Das gibt auch Arbeit, aber dafür keine zusätzliche externe Kontrolle. Also werde ich das wohl selbst überprüfen müssen.

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er führt einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.

Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.