Mein Fokus seit der Betriebsübernahme lag bisher stark auf der Frage: Was können wir besser tun? Das hat sicher seine Berechtigung, Stillstand ist schliesslich Rückschritt, und auf wohl jedem Betrieb findet sich so einiges, wo es Luft nach oben gibt: Gebäude, Maschinen, Umgebungsgestaltung, Arbeitsabläufe, Ästhetik, Finanzen …
Die Frage «Was können wir besser tun?» beinhaltet aber gleichzeitig auch die Aussage: Das machen wir nicht so gut. Und diese Aussage ist, sie ahnen es, potenziell problematisch. Es besteht die Gefahr, plötzlich überall nur noch Missstände zu sehen. Was dann natürlich auch für die Zusammenarbeit zwischen den Generationen sogenannt suboptimal ist.
Vor lauter Ausschauhalten nach Verbesserungsmöglichkeiten habe ich darob fast ein bisschen vergessen, dass ich ja keineswegs einen heruntergewirtschafteten Lotterbetrieb übernommen habe. Sehr vieles ist bestens etabliert und schlicht und einfach gut.
Was läuft auf dem Betrieb bereits gut?
«Deine Misserfolge interessieren alle, deine Erfolge nur deine Mama.» Das sagte mir Harald Martenstein an einer Weiterbildung zum Thema Kolumnen schreiben, und sein Leitspruch ist mir in bester und mahnender Erinnerung geblieben. Dennoch setze ich mich jetzt für einmal über seinen Ratschlag hinweg und versuche, aus oben erwähnten Gründen, mir in dieser Kolumne vor Augen zu führen, was auf unserem Betrieb bereits gut ist, einfach so, wie es ist.
- Gut ist, dass unser Betrieb vielseitig ist und mehrere Standbeine hat. Das Risiko ist gut verteilt, und mein Arbeitsalltag ist abwechslungsreich und spannend.
- Gut ist, dass wir tolle Mitarbeiter haben, die alle am gleichen Strick und erst noch in dieselbe Richtung ziehen. Wenn es darauf ankommt, dürfen wir auf die Unterstützung vieler toller Menschen zählen. Ich weiss, dass es auch dann läuft, wenn ich mal weg bin.
- Gut ist, dass wir zu den Nachbarn und Berufskollegen gute Beziehungen haben.
- Gut ist, dass ich eine zuverlässige und zweckmässige Infrastruktur übernehmen durfte.
- Gut ist, dass ich bis jetzt alle Rechnungen ohne grösseres Ächzen bezahlen konnte.
- Gut ist, dass der Betrieb Handlungsspielraum bietet: Bei der Fruchtfolge wie auch bei den Gebäuden, die nicht neu sind und daher nicht alles bereits auf Jahrzehnte hinaus vorgespurt ist.
- Gut ist unsere wunderbare Lage: mitten in der Natur, ein Schwumm in der Reuss nur ein Katzensprung entfernt, und doch nahe am urbanen Geschehen. Mit dem ÖV bin ich in 40 Minuten am Zürcher Hauptbahnhof.
Kurzum: Die Ausgangslage ist gar nicht allzu mies, sondern in grossen Teilen gut. Da gibt es doch vieles, worauf sich aufbauen lässt.
Es gibt aber doch noch etwas, was ich auf unserem Betrieb und auch ganz persönlich unbedingt verbessern möchte. Ganz offensichtlich haben wir in diesem Bereich nämlich Defizite: Wir sollten besser darin werden, das Gute zu sehen – möglichst, ohne dabei die Freude daran zu verlieren, besser zu werden.
Hagenbuchs Randnotizen
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er führt einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.