Rein meteorologisch gesehen darf ich mich dieses Jahr überhaupt nicht beklagen. Ich glaube, wenn ich das Wetter selber hätte bestimmen können, wäre es ziemlich ähnlich ausgefallen. Die Kulturen auf den Feldern sehen schön bis sehr schön aus, und vieles ist angerichtet für eine gute Ernte. Ich könnte mich also ruhig etwas freuen. Genau das gelingt mir zuletzt leider nicht so gut. Und das ist komisch.

Denn wie gesagt: Die Kartoffeln wachsen so gleichmässig und üppig aus wie selten. Das Getreide steht gesund und aufrecht, im Raps sieht man teilweise vor lauter Schoten den Stängel kaum und der Mais hat die magische Verwandlung von mickrig und gelb zu üppig und dunkelgrün vollzogen. Es spriesst, wie es soll.

Und damit hört es ja nicht einmal auf! Auch im Stall läuft es rund, und das bei kaum je dagewesenen Muni-Preisen.

Achtung, es geht noch kitschiger: Selbst die Rösselerinnen sind munter und zufrieden, und ich hatte dieses Jahr noch kein Schlichtungsgespräch und keine Krisenintervention. Lange Rede, kurzer Sinn: Eigentlich müsste mir fast schon die Sonne aus dem Allerwertesten scheinen bei so viel Glück.

Viel Glück, aber wenig Zeit

Das tut sie aber leider nicht wirklich. Weshalb nicht?

Es fehlte mir oft schlicht und einfach die Zeit, mich an diesen Erfolgen zu erfreuen. Nach dem Kartoffelsetzen ist vor dem Silieren. Nach dem Silieren ist vor der Maissaat. Nach der Maissaat ist vor der Pflanzung der Süsskartoffeln. Nach dem Setzen ist vor dem Heuen … Das klingt jetzt sehr trivial, aber gefühlt war ich – trotz gutem Wetter – seit April ständig unter Druck. Und das hinterlässt jetzt, Mitte Juni, langsam seine Spuren.

Verantwortlich dafür sind zwei Dinge. Eines hat mit Pech zu tun: Eigentlich wären zwei Arbeitskräfte mehr auf dem Betrieb. Seit rund einem Monat fallen aber beide zu 100 Prozent krankheits- beziehungsweise unfallbedingt aus. Für einen Betrieb unserer Grösse ist das deutlich spürbar, vor allem in den Monaten Mai und Juni.

Der zweite Grund hingegen ist selbstverschuldet: Über die letzten Jahre haben wir den Betrieb laufend intensiviert. Wenn im Kalender eine Lücke war, haben wir diese ziemlich konsequent mit Arbeit, insbesondere Spezialkulturen, gefüllt.

Mit dem Durchatmen kommt hoffentlich die Freude zurück

Die Kombination von viel Arbeit und wenig Personal ist derzeit unglücklich. Mir fehlen die kleinen Momente, in denen ich mich kurz aus dem Tagesgeschäft ausklinken kann. Dabei wäre das wichtig, und zwar nicht nur für mich – davon bin ich überzeugt –, sondern auch für den Betrieb: Für Denkaufgaben wie das Planen der Fruchtfolge oder das Tätigen von Investitionen brauche ich etwas mehr Zeit und Luft, als ich es derzeit habe. Und es sind nicht zuletzt diese Denkaufgaben, die mir am Beruf sehr gut gefallen.

So also erkläre ich mir, dass trotz viel Erfreulichem ebendiese Freude noch etwas im Hintergrund weilt. Aber bald ist ja das Ökoheu weg. Und ich weiss: Nach dem Ökoheu ist vor der Gerstenernte und so weiter, aber der Sommer ist bei uns dann doch meist deutlich entspannter als der Mai und Juni, und es bleibt dann mehr Zeit für anderes. Und mit dem Durchatmen, da bin ich zuversichtlich, kommt dann auch die Freude zurück.

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er führt einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.