Lieber Urs Brändli

Wir müssen miteinander reden. Seit Du 2011 zum Präsidenten von Bio Suisse gewählt worden bist, hast Du aus dem früheren Kupfer-Wolle-Bast-Verein einen sackstarken Dachverband der biologischen Landwirtschaft in der Schweiz gemacht.

AboPorträt von Bios Suisse-Präsident Urs Brändli.Biologische LandwirtschaftKritik an Bio Suisse wegen Coop und Migros-Duopol sowie praxisfernen RichtlinienMittwoch, 21. Juni 2023 7341 Landwirtschaftsbetriebe (mit Umstellerbetrieben sind es sogar 7560) aus der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein sind heute Bio Suisse-Mitglied. Vorher waren es jahrelang «nur» rund 5600 Knospe-Betriebe.

Dazu kommen heute 1300 Verarbeitungs- und Handelsbetriebe, die mit Bio Suisse einen Lizenzvertrag abgeschlossen haben. Weitere 1300 lizenzierte Verarbeitungs- und Handelsbetriebe stellen Knospe-Lebensmittel her oder handeln damit.

Und der Umsatz von Bio-Lebensmitteln in der Schweiz ist in dieser Zeit von 1738 Millionen auf 3874 Millionen Franken gestiegen.

Coop und Migros bestimmen je länger, je mehr den Kurs von Bio Suisse

Soweit, so gut. Da sind aber die beiden orangen Elefanten im Raum. Wie praktisch überall in der Schweizer Landwirtschaft sitzen Coop und Migros am längeren Hebel. Die beiden beherrschen über 80 Prozent des Schweizer Lebensmittel-Detailhandels.

Coop und Migros haben Bio Suisse sogar zu 100 Prozent im Sack,um es salopp zu formulieren. Denn die Discounter Aldi und Lidl wurden mit Hilfe von Bio Suisse unsanft und unschön aus dem Bio-Markt gedrängt (siehe unseren Bericht «Kritik an Bio Suisse wegen Coop und Migros-Duopol sowie praxisfernen Richtlinien»)

So können Coop und Migros weiter (im Vergleich zu konventionellen Produkten) bis zu 50 Prozent höhere Preise für Knospe-Produkte verlangen, in Einzelfällen sogar über 100 Prozent. Und dies, obwohl die Lizenzgebühren an Bio Suisse nur 0,9 Prozent des Verkaufspreises oder 2,0 bis 5,0 Prozent ihrer Margen ausmachen.

Es ist ein Treppenwitz in der Schweizer Bio-Historie, dass Aldi jetzt das Bio-Label «Retour aux Sources» (Zurück zu den Wurzeln) einführt. Mit noch strengeren Standards als jene von Bio Suisse – aber mit günstigeren Preisen als die Knospe-Produkte, weil Aldi anders als Coop und Migros auf exorbitanten Margen verzichtet.

Bei Bio Suisse streiten sich Ideologen und Pragmatikern über die Knospe-Richtlinien

Dazu kommen bei Bio Suisse hausinterne Streitereien zwischen ideologisch gefestigten Anhängern der reinen Bio-Lehre und pragmatischen Knospe-Landwirten. Was den einen zuwenig ist, ist den anderen zuviel.

Im Artikel «Kritik an Bio Suisse wegen Coop und Migros-Duopol sowie praxisfernen Richtlinien» habe ich mal die wichtigsten «Baustellen» von Bio Suisse aufgelistet. Ich würde jetzt nicht soweit gehen wie prononcierte Kritiker, die es im Gebälk von Bio Suisse laut krachen hören. Aber aus meiner Perspektive hängt der Haussegen schon es bitzeli schief.

Lieber Urs Brändli, vielleicht sehe ich das aber auch alles falsch. Vielleicht durchlebt Bio Suisse nur eine Art «Vom Dach bis zum Fundament»-Sanierung, wie Euer Hauptsitz an der Peter Merian-Strasse 34 in Basel? Wenn das so ist, dann gebe ich Dir im nächsten Heft gerne genug Platz für eine schlüssige Erklärung.