Kurz & bündig

- Familie Aerne wollte die Kühe von mehreren Standorten in einem grösseren, neuen Stall zusammenlegen.
- Christian Aerne plante den Bau. Bei der Umsetzung halfen dann die ganze Familie sowie Freunde und Bekannte.
- Eine Voraussetzung für diese Eigenleistung: Aernes haben das nötige Wissen und die Erfahrung mit Bauarbeiten.
- Mit dem Resultat, einem Laufstall mit Melk- und Mistroboter, ist die Familie sehr zufrieden.

Familie Aerne hat eine anstrengende Zeit hinter sich. Sie hat ab Herbst 2022 den alten Anbindestall erweitert und anschliessend umgebaut. In diesen Wochen werden die letzten Arbeiten, der Feinschliff, erledigt. «Mit dem Resultat sind wir sehr zufrieden. Es ist besser herausgekommen als erhofft», sagt Christian Aerne (32) und strahlt.

Ein Bauprojekt ist immer eine Herausforderung. Es muss viel überlegt und entschieden werden. Familie Aerne, die in Lütisburg SG den Betrieb in einer Generationengemeinschaft führt, hat aber nicht nur geplant, sondern den Bau auch gleich selbst angepackt: Von der Planung übers Holzen im eigenen Wald, die Tiefbau- und Betonarbeiten und die Sanitärarbeiten sowie viele Elektroinstallationen bauten sie weitestgehend selbstständig. Dazu brauchte es die Hilfe von allen – zumal die Milchkühe nebenher weiter gefüttert und gemolken werden wollten.

Christian und sein Vater Emil Aerne (54) machten jeweils am Morgen den Stall. Nach dem Frühstück gingen sie auf die Baustelle und arbeiteten dort bis abends. Derweil kümmerte sich Cornelia Aerne (34), Christians Frau, um die Kinder. Sie sorgte ausserdem dafür, dass die Bauarbeiter jeden Tag ein Znüni, Zmittag und Zvieri bekamen. Unterstützung erhielt sie dabei von ihrer Schwiegermutter Erika Aerne (54). Die beiden Frauen schauten zudem tagsüber zu den Tieren und melkten abends.

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Betonarbeiten in anderen Ställen inspirierten

Vorher standen die Kühe im Anbindestall. Gemolken wurde an diesem sowie an einem zweiten Standort, während die Rinder in einem dritten Stall gehalten wurden. «Wir wollten diese doppelte und dreifache Arbeit vereinfachen», erzählt Christian Aerne. Er begann, erste Ideen für einen neuen Stall auf Papier zu bringen. Als er die A4-Blätter der ungefähr zehnten Variante zusammenklebte und seinem Vater ein erstes Mal zeigte, ermutigte dieser ihn: «Jetzt musst du mit der konkreten Planung und mit dem Bau beginnen.»

Christian Aerne verfeinerte seine Ideen und meldete sich dann bei Lely, die ihm ein Vorprojekt zeichneten. Anschliessend ging Aerne zu einem Verwandten, der in einer grossen Holzfirma arbeitet. Dieser übernahm die Berechnungen von Statik und Baumaterialien, zeichnete die Pläne und stellte das Dossier für das Baugesuch zusammen.

Als die Bewilligung im Herbst 2022 eintraf, musste es plötzlich schnell gehen. «Ich wusste, dass die Preise für Beton aufschlagen würden. Wir entschieden uns, gleich mit dem Betonieren des Güllekastens zu beginnen», erinnert sich Aerne.

Bei der Beschaffung der Rohstoffe konnte er auf einige Kontakte zurückgreifen, die er bei seinem Nebenerwerb, der Betonbearbeitung, geknüpft hatte. Denn Christian Aerne ist nicht nur Landwirt, sondern auch Firmeninhaber: Als Einmannbetrieb schneidet und bohrt er Beton. Auftraggeber sind meist andere Landwirte und so hat Aerne schon viele verschiedene Ställe gesehen. «Das lieferte viele gute Ideen für das eigene Projekt.»

Mit seiner Erfahrung und seinem Equipment konnte Aerne die Betonarbeiten selbst durchführen. Er brauchte lediglich einige Arbeiter, aber keine Vorarbeiter. Das bedeutete aber auch, dass bei ihm selbst eine grosse Verantwortung lag. «Wir mussten sehr gut vorbereiten und instruieren, denn überall gleichzeitig konnte ich nicht sein.»

Holz aus dem eigenen Wald in der lokalen Sägerei verarbeitet

Kaum war der Startschuss mit dem Betonieren geglückt, musste ans Holzen gedacht werden. Aernes planten, den Stall mit dem Holz aus dem eigenen Wald zu bauen – und der Winter nahte. Vorher hatte Christian Aerne mit dem Förster zusammen die Bäume begutachtet, gemessen und ihr Volumen abgeschätzt und angezeichnet, was gefällt werden sollte. Nach drei intensiven Monaten im Wald, in denen Aerne und Kollegen zusammen geholzt hatten, lagen im Frühling 2023 insgesamt 430 Kubikmeter eigenes Holz auf der Wiese bereit.

Die lokale Sägerei, die seit Kurzem einen neuen Betriebsleiter hatte, übernahm Aernes Holz als ersten Grossauftrag. Dabei brauchte es eine gute Vorbereitung und Zusammenarbeit: Bei jedem Baumstamm wurde definiert, welches Produkt daraus entstehen sollte. Anschliessend erhielt jeder Stamm eine Nummer. Holten die Mitarbeiter der Sägerei die nächste Ladung Stämme ab, wurde besprochen, welche Balkenlänge als Nächstes gesägt werden sollte. Aerne glich mit den Nummern ab und liess die entsprechenden Stämme aufladen.

Das baubereite Holz – das Leimholz wurde bei einer nahe gelegenen Firma aus Aernes Holz hergestellt – wurde auf dem Bauernhof gelagert. «Wir haben viel hin und her verschoben, damit die Holzstapel nicht im Weg standen. Dieses Provisorische war anstrengend», erinnert sich Emil Aerne.

Schliesslich konnte aber mit dem Holzbau begonnen werden, unter der Anleitung eines verwandten Zimmermanns und der Mithilfe von Freunden und motivierten Lehrlingen, die ihre Herbstferien damit füllten. Nach einem Aufruf über den Whatsapp-Status meldete sich ausserdem eine Person aus dem Dorf, die spontan bei den Betonarbeiten mithelfen konnte. Und so wurde aus dem Familienprojekt in gewisser Weise ein Regionenprojekt.

Ein gut durchdachter Stallaus Beton und viel Holz

Am 12. Dezember 2023 konnten die Kühe in den Holzneubau ziehen. Es handelt sich um einen Laufstall mit drei Reihen Liegeboxen. Gegen Süden ist der Stall komplett offen. Im Norden wurde ein Schlauchfenster installiert: Im Sommer liegt der Schlauch leer im Fensterrahmen und lässt die Öffnung offen. Im Winter wird der Schlauch mit Luft gefüllt, bläht sich auf und füllt damit das Fenster aus und isoliert gleichzeitig gegen die Kälte.

Der Stall hat eine Holzdecke, darüber befindet sich der Heustock. Dereinst sollen das Heu und Emd oben gerüstet und dann nach unten auf das Futterband im Stall verfrachtet werden. Dieses System muss aber zuerst noch installiert werden.

«Eine Betondecke wäre wahrscheinlich für das Klima im Stall besser gewesen. Aber erstens wollte ich keine Decke schalen, das ist ein riesiger Aufwand. Und zweitens wollte ich so viel Holz wie möglich einsetzen», sagt Christian Aerne. «Ich bin zwar kein Holzwurm, Beton liegt mir als Baumaterial mehr. Aber wenn ich wählen kann zwischen dem Beton, den ich zuführen muss, und dem Holz aus dem eigenen Wald, ist die Wahl einfach.»

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Als die Kühe im Neubau untergebracht waren und mit einem Melkroboterprovisorium gemolken wurden, begannen Aernes damit, den Anbindestall auszuhöhlen. Fast die ganze Bodenplatte mit 30 cm Beton musste zurückgebaut werden. Die Läger kamen weg und Christian Aerne schnitt Beton heraus, bis der Boden 20 cm tiefer lag. Auch die alte Aussenwand an der Stirnseite wurde durchbrochen, sodass der alte und der neue Stall verbunden sind. Im ehemaligen Anbindestall steht heute der Melkroboter. Dahinter sind eine Abkalbe- sowie eine Separationsbucht installiert.

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Auf den Spaltenböden fährt ein Mistroboter herum, der den Mist mitschiebt und dann in die vertieften Mistwürfe abwirft. Damit es keine Schmierschicht gibt, haben Aernes eine Sprinkleranlage installiert. Aus den Düsen, die sich hinter den Liegeboxen – ein paar Zentimeter über dem Boden – befinden, spritzt Regenwasser, das von der Dachfläche fliesst und in einem Tank gesammelt wird.

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Über dem alten Güllekasten bauten Aernes einen Kälberstall, «wie ein grosses Kälberiglu», sagt Christian Aerne. Hier werden die Kälber als Gruppe im Tiefstroh gehalten. Aernes remontieren ihre Milchkühe selbst. Die Kuhkälber, die nicht infrage kommen, und die Stierkälber mästen sie selbst aus, lassen sie mit 160 Tagen schlachten und vermarkten das Fleisch in Mischpaketen direkt ab Hof.

Die Eigenleistung kostete Zeit, sparte hingegen Geld

Über den Stall gäbe es noch viel mehr zu erzählen. Familie Aerne hat dank der grossen Eigenleistung genau den Stall mit all den Details gebaut, den sie sich erträumte. Durch die Eigenleistung sanken die Kosten. «Alleine bei der Planungsarbeit sparten wir so rund 25 000 Franken», schätzt Christian Aerne.

Gespart wurde zusätzlich, indem auch Holz geringerer Qualität, mit optischen Fehlern, verbaut wurde. «Hätte ich die Balken gekauft, hätte ich Balken mit Baumkante nicht akzeptiert. Aber bei Holz aus dem eigenen Wald spielten optische Fehler wirklich keine Rolle», sagt Christian Aerne.

Insgesamt kostete der Bau rund 1,4 Millionen Franken. Wären mehr Bauarbeiter auf der Baustelle gewesen, hätte er wohl eher 2 Millionen gekostet. Die eigene Arbeit ist bei dieser Sparüberlegung aber nicht eingerechnet.

Für Familie Aerne scheint dieser Arbeitsaufwand, der viel Zeit und Schweiss und Motivation brauchte, nicht in erster Linie eine finanzielle Frage zu sein. Sie hatten das Wissen, die Erfahrung, die Maschinen – und sie nahmen sich die Zeit. Daneben lief der Bauernbetrieb weiter, es kamen also Einnahmen herein. Christian Aerne war auch weiterhin mit Betonarbeiten beschäftigt, auf der eigenen Baustelle sowie auswärts. Wenngleich er Letzteres während des Baus reduziert hatte.

Stolz, zufrieden und zum Glück unfallfrei

Und so geht die Rechnung für Familie Aerne am Ende auf. Insbesondere, weil das Resultat, der neue Kuhstall, sogar noch besser geworden ist als erhofft.

«Wir sind bei diesem Bauprojekt an unsere Grenzen gekommen. Aber wir wussten immer, für welches Ziel wir diesen Aufwand betreiben. Zusammen haben wir es am Ende geschafft», sagt Erika Aerne. Das Familienprojekt ist gelungen und entsprechend zufrieden und stolz sind alle. Ihr Mann Emil ergänzt: «Unsere grösste Angst war, dass jemand auf der Baustelle verunfallt. Wir sind froh, ist dieser Fall nicht eingetreten.» Die Familie freut sich auf ruhigere Zeiten.

Auch im Wald ist nach dem Holzen wieder Ruhe eingekehrt. Das Fällen der über 50-jährigen Bäume schaffte Platz für junge Pflanzen. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass die ersten Tannenschösslinge bereits aus dem Boden spriessen. «Mit dem nächsten Holzbau müssen wir also noch etwas warten, bis die Bäume grösser sind», sagt Aerne und lacht. Macht nichts. Im neuen Stall ist die Milchproduktion für die nächste Generation gut untergebracht.

 

«Ich wollte beim Stallbau so viel Holz wie möglich einsetzen.»

Landwirt Christian Aerne

Der neue Laufstall hat einen Spaltenboden und besteht zu einem grossen Teil aus Holz. Die Kühe, vorher an den Anbindestall gewöhnt, haben sich gut eingelebt. Sie geniessen offensichtlich die Aussicht.

 

Betriebsspiegel Wildenhof

Generationengemeinschaft: Christian und Cornelia Aerne, mit Andrin (7), Ladina (5) und Julia (2); Emil und Erika Aerne, Lütisburg SG
LN: 28,7 ha, zusätzliche 4,3 ha Wald
Kulturen: Naturwiese, Ökofläche
Tierbestand: 45 Milchkühe, 18 Aufzuchtrinder, 10 Mastkälber
Weitere Betriebszweige: Solaranlage (150 kW), Brennholzverkauf, GmbH für Betonbearbeitung im Nebenerwerb
Arbeitskräfte: Christian und Cornelia Aerne, Emil und Erika Aerne
www.gg-aerne.ch