Wer auf seinem Betrieb Agrotourismus anbieten möchte, wird auf jeden Fall ein Umnutzungsgesuch einreichen müssen, unabhängig davon, ob etwas gebaut wird. «Damit beginnt eine komplexe Aufgabe», sagt Karin Wechsler, Vizepräsidentin des Vereins «Agrotourismus Schweiz».

Es braucht eine Ausnahmebewilligung, da der Agrotourismus als nicht-landwirtschaftlicher Nebenbetrieb eingestuft wird. «Mein grosser Wunsch ist es, dass Agrotourismus als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb verankert wird, und zwar ohne finanzielle Unterstützungspflicht», sagt Karin Wechsler.

«Auf einem Bauernbetrieb erleben die Gäste hautnah die Landwirtschaft. Dabei habe ich schon viele Aha-Erlebnisse bei den Gästen erlebt. Leider wird die Wirklichkeit der Landwirtschaft in vielen Medien einseitig dargestellt. Agrotourismus ist der beste Botschafter für uns.»

Zum Tragen kommt der Artikel 24 im Raumplanungsgesetz RPG für «Neu- und Umbauten für Nebenbetrieb mit engem sachlichem Zusammenhang zur Landwirtschaft». Der Agrotourismus ist ein solcher Nebenbetrieb, der – damit der Bau bewilligt wird – ebendiesen engen sachlichen Zusammenhang zur Landwirtschaft braucht. «Nicht gewünscht und erlaubt ist eine ganze Erlebniswelt auf einem Betrieb, der nur noch zwei Esel hält, um die Landwirtschaft zu betonen», erklärt Karin Wechsler.

Klar definierte und limitierte Fläche

AboVideoMargrit Odermatt richtet die Heubetten für die Gäste her.Schlau bauenErfolgreicher Agrotourismus: Odermatts Stall ist für die Gäste umgebautDonnerstag, 25. April 2024 Um dies zu verhindern, gibt es etliche Vorschriften. So muss beispielsweise das Haupteinkommen – also 50 Prozent oder mehr – aus der Landwirtschaft kommen. «Ich habe Mühe mit solch klaren Zahlen. Ausserdem wird keine Bewirtschafterfamilie die Zeit finden, um eine ganze Ferienanlage auszubauen», argumentiert Karin Wechsler.  

Eine ähnliche Vorgabe gibt es bei der Fläche: Wer neu bauen will, darf die Fläche für Agrotourismus nicht grösser als 100 m2 werden lassen. Bereits bestehende Gebäude werden dabei in einigen Kantonen zur Hälfte hinzugerechnet. Besteht beispielsweise bereits ein Partyraum von 50 m2 in einer alten Remise, darf neu noch auf 75 m2 gebaut werden. Dabei ist es von Kanton zu Kanton unterschiedlich, ob der Parkplatz oder der Grillplatz ebenfalls zu den insgesamt 100 m2 zählen oder nicht.

«Disneyland auf dem Bauernhof will gar niemand»

Vor rund fünf Jahren habe «Agrotourismus Schweiz» eine Umfrage bei seinen Mitgliedern gemacht, sagt Wechsler: «Viele meldeten zurück, dass sie ganz zufrieden seien mit den gesetzlichen Möglichkeiten, die sie haben. Disneyland auf dem Bauernhof will gar niemand.» Gleichzeitig wurde aber auch gewünscht, dass die Auflagen nicht ganz so streng sein sollten. Ein bisschen mehr Spielraum – zum Beispiel 200 m2 statt 100 m2 – und damit mehr Möglichkeiten, den Gästen ein breiteres Angebot zu bieten.

AboFür die Landwirtschaft sind das Stabilisierungsziel sowie der Planungs- und Kompensationsansatz herausfordernd. Andere Punkte sind jedoch vorteilhaft. Deshalb ist die Bilanz ausgewogen.Schlau bauenRevision des Raumplanungsgesetzes: Ausgewogene Bilanz für die LandwirtschaftFreitag, 22. März 2024 Oder dass die abtretende Generation das Agrotourismus-Angebot weiterführen darf. Heute gilt, dass der Betriebsleiter oder dessen Ehegattin den Agrotourismus betreiben müssen. «Ich kenne einen Fall, bei dem das Angebot eingestellt werden musste, weil der Seniorchef dieses nicht weiterführen durfte. Und dies, obwohl auch mit ihm der Bezug zur Landwirtschaft auf jeden Fall hergestellt wäre», sagt Wechsler. 

Ebenfalls unverständlich ist für Karin Wechsler, dass bei Übernachtungsangeboten keine Küche eingerichtet werden darf. «Die Angst der Behörden, dass das Ferienangebot als Dauervermietung missbraucht werden könnte, wäre auch mit anderen Mitteln zu verhindern», sagt sie.

Mit dem im Herbst 2023 verabschiedeten revidierten Raumplanungsgesetz sind die Umsetzung und die Möglichkeiten im Agrotourismus noch unklar. Es komme ganz darauf an, wie es die einzelnen Kantone umsetzen werden, sagt Wechsler.

Zum Kompetenzzentrum werden

In der Schweiz setzen sich gleich zwei Vereine für den Agrotourismus ein. Der kleinere Partner ist der Verein «Ferien auf dem Bauernhof», der sich 2018 aus der Dachorganisation «Agrotourismus Schweiz» gelöst hatte. 

Der grössere Partner ist «Agrotourismus Schweiz» selbst. Dieser Verein wird vom Bundesamt für Landwirtschaft mit Fördergeldern für die Kommunikation und das Marketing unterstützt. Die Mitglieder zahlen ausserdem 400 Franken im Jahr an den Verein. Im Gegenzug würden die Mitglieder von nationalen und internationalen Werbe- und Buchungsplattformen profitieren, erklärt Karin Wechsler.

«Als Dachorganisation wollen wir zu einem Kompetenzzentrum für Agrotourismus heranwachsen. An uns kann man sich als erste Anlaufstelle wenden.»

Vereine arbeiten zusammen, ohne Zusammenschluss

Aktuell gebe es diese beiden Vereine, sagt Daniel Schneider, Vorstandsmitglied bei «Ferien auf dem Bauernhof». Eine Zusammenführung sei zwar nicht konkret geplant. Aber es komme zu Zusammenarbeitsprojekten. «Die zwei Vereine schlagen sich mit den gleichen Problemen herum», sagt Schneider.

Die sinkenden Mitgliederzahlen beobachten beide Vereine. «Als ‹Ferien auf dem Bauernhof› in den 1980er-Jahren gegründet wurde, stellte dies eine lukrative zusätzliche Einnahmequelle dar. Bäuerinnen konnten einen Nebenerwerb generieren, ohne auswärts arbeiten zu gehen», erzählt Schneider.

Heute finde ein Generationenwechsel statt. Die Frauen der Landwirte sind gut ausgebildet und gehen oftmals ihrem ursprünglich erlernten Beruf nach. Dies nennen sowohl Daniel Schneider als auch Karin Wechsler als einen wichtigen Grund für das abnehmende Angebot aufseiten der Landwirtschaftsbetriebe.

Rund um den Start in den Agrotourismus: Tipps …

  • Wichtige Voraussetzung: Freude an der Bewirtung von Gästen haben. Das gilt für alle Betriebsbewohner. Andernfalls kann schlechte Stimmung aufkommen, die auch die Gäste bemerken.
  • Es kann helfen, bereits bestehende Agrotourismus-Betriebe zu besuchen und die Betriebsleiter nach ihren Erfahrungen zu fragen.
  • Den «Weg des Gastes» überlegen und entsprechend planen und bauen. Dabei auch an genügend Freiraum und Privatsphäre für die Bauernfamilie denken.
  • Wer sich überlegt, für Agrotourismus zu bauen, sollte frühzeitig mit den Behörden in Kontakt treten, um alle Vorschriften abzuklären.
  • Eine Haftpflichtversicherung abschliessen: Für Schäden, welche die Gäste verursachen, und für geschädigte Gäste.
  • Ein Konzept für den Brandfall erstellen und umsetzen.

… und Vorschriften:

  • Soll für den Agrotourismus gebaut werden, kommt der Abschnitt des Raumplanungsgesetzes zum Tragen, in dem es um «Neu- und Umbauten für Nebenbetrieb mit engem sachlichem Zusammenhang zur Landwirtschaft» geht (Art. 24). Denn Agrotourismus gilt als solcher Nebenbetrieb.
  • Der Nebenbetrieb muss zwingend beim Betriebszentrum eingerichtet werden («betriebsnah»).
  • Der Stammbetrieb muss ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne vom Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht darstellen (1 Standardarbeitskraft SAK im Talgebiet / 0,80 SAK im Berg- und Hügelgebiet).
  • Der Nebenbetrieb wird im Grundbuch eingetragen.
  • Der Nebenbetrieb wird durch den Betriebsleiter oder dessen Ehegattin geführt. Personal darf angestellt werden.
  • Es sollten möglichst bestehende Bauten genutzt werden. Soll neu gebaut werden, darf diese neu gewonnene Fläche maximal 100 m2 betragen, wobei Flächen innerhalb des bestehenden Volumens zur Hälfte angerechnet werden.