Kurz & bündig
- Margrit und Paul Odermatt haben vor elf Jahren einen leer stehenden Stall zum Gästehaus umgebaut.
- Margrit Odermatt hat seither den Agrotourismus zum erfolgreichen Betriebszweig ausgebaut.
- Um die Arbeitsspitzen zu brechen, stellte die Familie im Jahr 2023 von Milchproduktion auf Rinderweidemast um.
- Für den neuen Betriebszweig wurde wieder gebaut: Sohn Daniel realisierte als gelernter Zimmermann einen neuen Laufstall.

Die Kissen sind frisch bezogen. Die Zimmer sind geputzt und bereit für die nächsten Gäste. Vor der grossen Fensterfront breiten sich Weiden, Bauernhöfe, der Vierwaldstättersee und dahinter das Stanserhorn und weitere Innerschweizer Berge aus.

Einige Meter die Weide hinunter kommen auch die Mastrinder in den Genuss des Panoramas. Auch bei ihnen sind die Boxen geputzt und bereit für die nächste Liegepause.

Der Agrotourismus und die Weidemast: Das sind die beiden Betriebszweige der Familie Odermatt. Gästebewirtung und Rindermanagement hängen auf dem Wanghof in Stans NW zusammen und ergänzen sich zu einem ausgeklügelten Betriebskonzept. Doch der Reihe nach.

Ein leer stehendes Gebäude nutzen statt auswärts zu arbeiten

Die Idee für Agrotourismus geisterte schon länger in den Köpfen von Margrit (49) und Paul (61) Odermatt herum. Denn etwas oberhalb des Wohn- und Stallgebäudes stand ein leer stehender Stall. «Das war früher ein kleiner Stufenbetrieb: Im Sommer zügelte man das Vieh die paar Meter nach oben, im Winter wieder nach unten», erklärt Paul Odermatt, der auf diesem Betrieb aufwuchs und ihn dann vom Vater 1995 übernahm.

«Wir wollten das leer stehende Gebäude umnutzen und damit unsere Wertschöpfung steigern», erzählt der Landwirt. «Ausserdem wollte ich nicht auswärts arbeiten gehen», ergänzt Margrit Odermatt.

Die beiden hatten auf Reisen ins Zillertal (Österreich) und Südtirol (Italien) Agrotourismus-Beispiele gesehen, die sie inspirierten. Als Meisterlandwirt respektive als Bäuerin mit höherer Fachprüfung hatten Paul und Margrit gelernt, Betriebskonzepte zu schreiben und die Finanzen durchzurechnen. «Unsere jeweiligen Ausbildungen sind sehr entscheidend für unseren Erfolg verantwortlich», betont denn auch Paul Odermatt.

[IMG 1]

Statt des Balkons gibt es eine Glasfront

Paul begann, den alten Stall zu vermessen und Zeichnungen anzufertigen. Geplant war ein Gästehaus mit Übernachtungsmöglichkeit und Frühstück. Das erste Bauprojekt wurde jedoch vom Amt für Raumplanung abgelehnt. Die Familie erhielt den Tipp, optisch möglichst nahe am ursprünglichen Stall zu bleiben. Paul verabschiedete sich daraufhin vom geplanten Balkon.

Stattdessen kam die Idee auf, eine Glasfront einzubauen, die in den Zimmern von der Decke bis zum Boden hinuntergeht. So können Gäste das Panorama vom Bett aus bewundern. Von aussen bleibt der Charakter des ehemaligen Stalls erhalten, indem die Glasfront durch die alten Balken unterbrochen wird.

[IMG 3]

Auch nicht möglich war, einen zusätzlichen Boden einzuziehen, um mehr Zimmer zu schaffen. Das erlaubten die Brandschutzvorschriften nicht. Odermatts Lösung dafür: In den geräumigen Familienzimmern ist eine Galerie eingebaut, die über eine Treppe im Zimmer erreichbar ist. Sozusagen nur ein halber Zwischenboden, der trotzdem erlaubt, die Raumhöhe bis unter den Giebel zu nutzen.

Mit diesen Anpassungen wurde das Baugesuch schliesslich genehmigt und Familie Odermatt konnte 2013 den Stall umbauen lassen.

Was, wenn schlimmstenfalls keine Gäste kommen würden?

«Ich hatte mir vor dem Bau die Frage gestellt, ob ich den Wanghof halten könnte, wenn schlimmstenfalls gar keine Gäste kommen würden», erzählt Paul Odermatt. In diesem Fall hätten sie keine laufenden Kosten, weil das Heizen, das Wasser und die Verpflegung der Gäste wegfallen würden. Bleiben würde der Schuldzins.

«Als ich merkte, dass ich diesen Zins von den Einnahmen des Betriebs zahlen könnte, war für uns klar, dass wir die Investition wagen werden», erinnert sich Paul Odermatt. Unterstützt wurden sie mit einem Investitionskredit von 200'000 Franken.

Brandschutzvorschriften setzen Leitlinien

Seither betreiben Odermatts im ehemaligen Stall ein «Bed and Breakfast», also Übernachtung mit Frühstück. Untergebracht sind:

  • insgesamt 18 Betten, verteilt in einem Doppelzimmer sowie vier Familienzimmern mit je vier Betten
  • 12 Plätze bei «Schlafen im Bergheu»
  • Gastraum mit Platz für total 40 Personen
  • Küche mit Industrie-Geschirrspülmaschine, grossem Kühlschrank und Tiefkühler

Die Zimmer haben je ein eigenes Bad. Die Gäste im Heu teilen sich WC und Dusche. Strom, Wasser und Abwasser konnten Odermatts vom tiefer gelegenen Betrieb nach oben ziehen – alles im gleichen Graben.

[IMG 4]

Bei einem solchen Projekt sei sicher hilfreich, gute Beziehungen zu den Ämtern zu pflegen, meint Paul Odermatt. «Wir haben früh verschiedene Abklärungen gemacht und die Ämter somit von Anfang an einbezogen.»

So war beispielsweise schnell klar, dass die Brandschutzvorschriften wichtige Leitlinien setzen: Die Flure müssen genügend breit sein, ebenso die Treppen. Zwei Personen müssen nebeneinander gehen können, um im Brandfall schnell das Gebäude verlassen zu können, so die Vorschrift. Die Wände sind ausserdem mit vier Schichten Fermacell-Platten (Gipsfaser) vor Brand gesichert und in jedem Raum hat es einen Brandmelder.

Serviert wird Frühstück – und Abendessen für Gruppen

AboEine Wolldecke liegt im Stroh.Schlau bauenFür Agrotourismus gelten strenge VorschriftenFreitag, 26. April 2024 Zusammen mit dem Lebensmittelinspektor wurde geschaut, wie der Gastraum und die Küche gestaltet werden müssen. «Die Küche ist privat und darf von den Gästen nicht benützt werden», nennt Margrit Odermatt ein Beispiel einer amtlichen Vorgabe. 

Wer am Abend Hunger hat – grundsätzlich erhalten sie auf dem Wanghof «nur» ein Frühstück –, dem empfiehlt Margrit die Restaurants in Stans. Für den kleinen Hunger steht im Gästeraum am Tresen eine Mikrowelle zur Verfügung. Ebenso zugänglich sind die Kaffeemaschine und ein Wasserkocher.

Meldet sich eine ganze Gruppe an, kocht Margrit ihnen auch ein Abendessen. Registriert ist ihre Gastronomie als sogenannte Gelegenheitswirtschaft. Die dafür nötige Bewilligung haben Odermatts vom Kanton erhalten. Das ermöglicht das gelegentliche Kochen und Servieren von Speisen, ohne dass es dazu ein Wirtepatent braucht.

[IMG 5]

Die Leidenschaft ausleben

«Die Anmeldung der Gäste ist für mich wichtig, um planen und einkaufen zu können», sagt Margrit Odermatt. Ohne Anmeldung ist auch die Übernachtung nicht möglich.

Allerdings zeigt sich keine Stunde später, dass Odermatts auch Ausnahmen machen: Als ein Wanderer anklopft und für eine Übernachtungsmöglichkeit fragt, händigt ihm Margrit Odermatt den Schlüssel zum Heuraum aus.

Margrit Odermatt ist auf dem Wanghof die Gastgeberin. Im «Bed and Breakfast» kann sie ihre Leidenschaft, das Kochen, ausleben. «Man muss die Gäste gerne bewirten. Das ist die wichtigste Voraussetzung für erfolgreichen Agrotourismus», sagt sie. Auch wichtig ist die klare Kommunikation: «Die positiven Erlebnisse überwiegen bei Weitem. Aber ab und zu muss ich einem Gast auch klar sagen, wie bei uns die Regeln lauten.»

Zum erfolgreichen Betriebszweig entwickelt

Elf Jahre nach der Eröffnung führt Margrit Odermatt den Betriebszweig Agrotourismus sehr erfolgreich. Zu gewissen Zeiten im Sommer sind sie bereits heute komplett ausgebucht.

Es kommen Gäste aus aller Welt. Einige fahren von der nahe gelegenen Autobahn ab, um kurz vor dem Gotthard nochmals zu übernachten. Andere verbringen eine Woche Ferien hier. Und etliche zweigen vom Jakobsweg ab, der oberhalb des Wanghofs verläuft. Bei diesen Pilgern ist das Bergheu besonders beliebt.

Der schlimmste Fall – dass keine Gäste kommen würden, wie sich das Paul überlegt hatte – ist also nicht eingetreten.

Den alten Milchviehstall kostengünstig ausgebaut

Der Agrotourismus wurde zum wichtigen Betriebszweig – der jedoch auch aufwendig ist. Früher war die Milchproduktion das zweite starke und ebenfalls zeitintensive Standbein. Um die Arbeitsspitzen brechen zu können, nahm Familie Odermatt 2023 einen weiteren grossen Umbau vor. Die Milchproduktion gaben sie auf, im Winter 2022 wurde zum letzten Mal Milch geliefert.

Der alte Anbindestall wurde in der Folge umgebaut und erweitert. Die Läger wurden alle herausgespitzt, sodass eine ebene Fläche entstand. So kann nun der Entmistungsroboter von Lely ungehindert die Flächen putzen. Im alten Stall wird den Mastrindern das Futter vorgelegt und Wasser angeboten. Der ehemalige Laufhof wird nach wie vor als solcher genutzt.

[IMG 6]

Zusätzlich bauten Odermatts einen neuen Laufstall, vis-à-vis vom älteren Stallgebäude, auf der anderen Seite des Laufhofs. Darin sind die Liegeboxen untergebracht. Im Stallgang macht auch hier der Roboter sauber. «Die Tiere fressen, dann gehen sie und dann erst legen sie sich hin. Dieser Ablauf war mir wichtig, damit sich die Mastrinder hin und her bewegen», sagt Paul Odermatt.

Das Fleisch direkt vermarkten sowie in der Gastro einsetzen

Ein Detail, das sofort auffällt, ist die Galerie, die oberhalb der Liegeboxen über die ganze Stalllänge läuft. Von hier oben können die Gäste die Tiere beobachten – was rege genutzt wird, wie Odermatts erzählen. Schliesslich wollen viele der Gäste die Landwirtschaft erleben und übernachten deswegen auf dem Wanghof.

Odermatts können wiederum das Fleisch des eigenen Weidebeefs in der Gastroküche verarbeiten. «Die Direktvermarktung des Fleischs wollen wir künftig noch ausbauen», sagt Paul Odermatt. Sie planen, die Tiere im neu erbauten «Fleischhuis» in Kerns zu schlachten, zu zerlegen, zu portionieren und zu vakuumieren. Die Mischpakete von 10 oder 20 kg können von Kunden direkt ab Wanghof abgeholt werden.

Daniel Odermatts Stallbauprojekt entlastet die Familie

Der Stallbau war ein Familienprojekt. Sohn Daniel (20) ist gelernter Zimmermann. Der Stall, hauptsächlich aus Holz gebaut, war seine Abschlussarbeit, in die er sehr viel Freizeit und Arbeit investierte. Auch andere Familienmitglieder halfen tatkräftig mit. So konnte der Umbau mit viel Eigenleistung und total 420'000 Franken fertiggestellt werden.

[IMG 7]

Am Resultat hat die ganze Familie Freude. Ausserdem findet die erhoffte Entlastung bei der Arbeit statt: Vorher fiel das Melken meist mit dem Empfang und der Versorgung der Gäste zusammen. Die Mastrinder können nun vor oder nach den Gästen versorgt werden.

Mit dem neuen Stall wurde bereits die Übergabe an die nächste Generation eingeläutet. Daniel Odermatt wird im Sommer die Zweitausbildung zum Landwirt absolvieren und den Betrieb in ein paar Jahren übernehmen, wie die Eltern stolz erzählen. In die Entscheidung, von Milch auf Weidemast umzustellen, war der Sohn daher schon stark eingebunden.

So werden wohl auch in Zukunft Rinder und Gäste vom Wanghof aus die Aussicht geniessen können.

Betriebsspiegel des Wanghofs
Margrit und Paul Odermatt mit Patrick, Nicole und Daniel, Stans NW

LN: 15 ha in der Bergzone I
Kulturen: Wiesen, Weiden, Wald und Hecken, Hochstammobstbäume (Q2)
Tierbestand: insgesamt 56 Rinder (Tränker und Weidebeef) für die Rinderweidemast
Weitere Betriebszweige: Agrotourismus-Angebot «Bed and Breakfast»
Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar Margrit und Paul Odermatt, Mithilfe von Sohn Daniel, Teilzeitmithilfe im Agrotourismus durch Erika Käslin und Tochter Nicole

www.wanghof.ch