Kurz & bündig

- Die Vollkostenrechnung zeigt die Rentabilität einzelner Betriebszweige auf und lässt den Vergleich mit anderen Betrieben zu.
- Landwirt Andreas Nussbaumer berechnet die Vollkosten der Milchproduktion seit 20 Jahren selbst.
- Der Landwirt würde jedem empfehlen, seine Vollkosten auszurechnen. Grundvoraussetzung ist die Freude an der Buchhaltung.

«Ich zeige Ihnen den leeren Stall eben genau, weil er leer ist», erklärt Landwirt Andreas Nussbaumer, als wir um 9 Uhr morgens auf dem Burgrain in Alberswil LU eintreffen. Auf dem Burgrain werden die Milchkühe nämlich im Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung gehalten. Die Abkalbungen erfolgen saisonal in zwei Etappen, eine im Frühling und die andere im Herbst.

Bis im Jahr 2021 führten Andreas und Bettina Nussbaumer den Burgrain als Pächtergemeinschaft zusammen mit der Familie Bernet. Durch die Pensionierung der Familie Bernet sind Andreas und Bettina Nussbaumer seit dem Jahr 2022 alleinige Pächter. Der landwirtschaftliche Betrieb Burgrain ist Teil der «Agrovision Burgrain AG».

Auf dem Betrieb werden jährlich 330 000 Liter Käsereimilch produziert, wovon 300 000 Liter direkt an die Käserei vor Ort verkauft werden. «Wir verhandeln den Milchpreis jährlich mit der Käserei. Im Jahr 2024 haben wir inklusive Emmi-Rückvergütung und Zulage vom Bund pro Liter Milch 94 Rappen erhalten», sagt Nussbaumer.

[IMG 2]

Berechnung der Vollkosten seit 20 Jahren

«Seit wir Pächter des Burgrains sind, berechnen wir die Vollkosten jedes Jahr selbst», erzählt Andreas Nussbaumer. Auch vorher, als der Betrieb noch staatlich war, hat Andreas Nussbaumer bereits im Rahmen eines Versuchs die Vollkostenrechnung für die Milchproduktion des Burgrains durchgeführt. Der Landwirt verwendet für die Vollkostenrechnung das Vollkostenprogramm «AgriCo Calc» von Agridea.

Der wichtigste Parameter, um den Erfolg seiner Milchproduktion zu überprüfen, ist für Andreas Nussbaumer das landwirtschaftliche Einkommen, welches durch die Milch generiert wird. Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Stundenlohn, welcher durch die Milchproduktion erzielt wird.

Im Programm «AgriCo Calc» kann Andreas Nussbaumer ausserdem seinen Betrieb mit dem besten Viertel sowie mit dem Durchschnitt aller und mit speziellen Gruppen der teilnehmenden Betriebe vergleichen.

Diese Vergleiche helfen Andreas Nussbaumer, zu sehen, in welchen Punkten sie gut abschneiden und wo sie sich noch verbessern könnten. Trotzdem sei es wichtig, gewisse Vergleichszahlen auch kritisch zu hinterfragen. «Gerade bei den Maschinen muss beachtet werden, ob die Kosten durch Abschreibungen oder Reparaturen entstanden sind», erklärt der Landwirt. Das Gleiche gilt für die Direktzahlungen. «Ein Betrieb, der gleich viele Direktzahlungen erhält wie wir, aber eine Million Liter Milch produziert, hat pro Liter Milch entsprechend dreimal so tiefe Direktzahlungen», zeigt Nussbaumer auf.

Erfolg der Milchproduktion zeigt sich bei den Vollkosten

Eine bedeutende Veränderung, welche auf dem Burgrain in der Milchproduktion getätigt wurde, war die Umstellung auf Vollweide im Jahr 2002. Die Vollkostenrechnung zeigt Andreas Nussbaumer, dass seine Direktkosten sehr tief sind, vor allem, weil die Kühe kein Kraftfutter erhalten. «Durch die Umstellung auf Vollweide konnten wir zudem unsere Kosten bei den Maschinen stark senken», sagt Andreas Nussbaumer. Besonders in diesen beiden Bereichen können die Vollkosten stark beeinflusst werden. Weiter gebe es auch Direktkosten, welche variieren. Auf dem Burgrain ist das zum Beispiel der Heuzukauf. «Wenn ich in einem Jahr für 30 000 Franken Heu kaufe, dann macht das pro Liter Milch 10 Rappen aus», verdeutlicht Nussbaumer. In einem anderen Jahr muss vielleicht kein Heu zugekauft werden, wodurch in diesem Bereich wiederum weniger Direktkosten entstehen.

«Ohne diesen Heuzukauf könnten wir die Vollkosten der Milchproduktion sicher noch optimieren», sagt Nussbaumer. «Gesamtbetrieblich ist das landwirtschaftliche Einkommen aber wiederum besser, wenn ich drei bis vier Kühe mehr habe und dafür Heu zukaufe», erklärt Nussbaumer.

«Da wir seit 2022 mit Angestellten arbeiten, ist die Arbeit bei uns ein bedeutender Kostenfaktor», weiss Andreas Nussbaumer. Für den Landwirt ist es aber mehr Wert, gute Leute zu haben, welche die Arbeit seriös erledigen, anstatt in diesem Bereich zu sparen.

Andreas Nussbaumer produziert mit seinem System erfolgreich Milch. «Die Vollkostenrechnung zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind mit dem Vollweidesystem», fasst Nussbaumer zusammen. Ein bedeutender Gewinnsprung wurde bereits durch die Umstellung auf Bio im Jahr 2009 erreicht. «Heute können wir mit der Milchproduktion einen konstant guten Gewinn erzielen, mit leichten Schwankungen, je nach Futterbaujahr», ergänzt Nussbaumer.

[IMG 4]

Freude an der Buchhaltung ist eine wichtige Voraussetzung

«Ich würde jedem empfehlen, seine Vollkosten auszurechnen», rät Andreas Nussbaumer. Grundsätzlich sei die Freude an der Buchhaltung aber eine wichtige Voraussetzung, wenn die Rechnung selbst durchgeführt werden möchte.

«Zu Beginn musste ich gut einen Tag für die Vollkostenrechnung aufwenden. Heute sind es etwa drei Stunden», so der Landwirt. LandwirtInnen, welche die Vollkostenrechnung erstmals selber durchführen möchten, empfiehlt Andreas Nussbaumer als Erstes eine Schulung (Zeitdauer meistens ein bis zwei Tage) zu absolvieren. Diese werden in der Regel von landwirtschaftlichen Schulen oder von Agridea angeboten.

[IMG 5]

Die Arbeit ist der grösste Kostenfaktor in der Milchproduktion

«In der Milchproduktion ist die Arbeit der mit Abstand grösste Kostenblock», sagt Thomas Haas, Berater Betriebswirtschaft am Berufsbildungszentrum Natur & Ernährung Luzern (BBZN). Dies konnte das BBZN durch die Datenauswertung aus dem Vollkostenprogramm «AgriCo Calc» aufzeigen. Dabei wurden die Buchhaltungsjahre 2020 bis 2023 von 88 Milchviehbetrieben (45 in der Tal-/Hügelzone und 43 in der Bergzone) analysiert.

Der zweitgrösste Kostenblock sind die Mechanisierungskosten. Insbesondere bei den Maschinenkosten könne es laut Thomas Haas grosse Unterschiede zwischen Betrieben mit ähnlichen Voraussetzungen geben.

Um den hohen Arbeitskosten entgegenzuwirken, werden häufig Massnahmen ergriffen, um die Arbeitseffizienz zu steigern:

Breitere Maschinen: Ein breiterer Schwader oder Zetter kann beispielsweise auch überbetrieblich gut eingesetzt werden und muss nicht zu höheren Kosten führen. Wird jedoch nur für ein breiteres Mähwerk ein stärkerer Traktor angeschafft, wird die Rechnung nicht aufgehen.

Mehr Milchleistung pro Kuh: Eine höhere Milchleistung kann die Arbeitsproduktivität erhöhen. Meistens ist aber kaum ein besserer Arbeitsverdienst bei mehr Leistung zu erkennen. Bei einer höheren Leistung dürfen insbesondere die Kosten für die Fütterung nicht zu hoch sein. Dabei reicht es nicht aus, nur den Deckungsbeitrag Milch zu vergleichen. Auch ein intensiver Futterbau und die dazugehörige Mechanisierung müssen in diese Überlegungen miteinbezogen werden. Die Auswertungen des BBZN zeigen, dass im Talgebiet viele Betriebe mit hohen Leistungen erfolgreich sind, im Berggebiet hingegen hohe Leistungen schnell teuer werden können.

Grössere Betriebe: Mehr Land und mehr Kühe sollten es einfacher machen, den Arbeitsverdienst zu erhöhen. Dies funktioniert aber nur, wenn das Land nicht zu teuer gepachtet oder gekauft wird und die Gebäude nicht alle paar Jahre teuer erweitert werden.

Automatisierung im Gebäude: Die Automatisierung in der Melktechnik, Fütterung und Entmistung hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht und bietet grosse Chancen, den grössten Kostenblock Arbeit zu reduzieren. Hier gilt es, im Voraus genau zu kalkulieren, was die Investitionen für Kostenfolgen haben. Meist können Betriebe mit guten Arbeitsverdiensten diesen mit einer Automatisierung zusätzlich verbessern. Bei Betrieben mit tiefen Arbeitsverdiensten kann zusätzliche Technik das ganze Einkommen aus der Milchwirtschaft wegfressen.

«Diese Massnahmen führen aber nur zu einem besseren Arbeitsverdienst pro Stunde, wenn die Folgekosten nicht teurer sind als die eingesparte Zeit», verdeutlicht Haas.

Im Programm «AgriCo Calc» wird die eigene Arbeit mit Fr. 30.– pro Stunde bewertet. Die Datenauswertung zeigt, dass die Hälfte der Betriebe im Tal und Hügelgebiet mehr als Fr. 20.– pro eingesetzte Arbeitsstunde erreicht. Im Berggebiet sind die Verdienste kleiner, die Hälfte der Betriebe erreicht weniger als Fr. 15.– pro Stunde.

[IMG 6]

«In der Milchproduktion ist die Arbeit der mit Abstand grösste Kostenblock»

Thomas Haas, BBZN

Auch die anderen Betriebszweige analysieren

Abo Bunte Herde mit Zweinutzungstypen: Daniela und Walti Haas auf der Weide in Hellbühl. Seit 2017 sind sie bio, zusätzlich wird heute antibiotikafrei produziert. Milchproduktion «Weniger ist mehr» bei Familie Haas Samstag, 14. Juni 2025 In früheren Versionen von «AgriCo Calc» konnten lediglich die Vollkosten für den Betriebszweig Milchproduktion aufgezeigt werden. Im neuen Programm können alle Betriebszweige einzeln analysiert werden, auch wenn sich ein Betrieb vorwiegend für das Einkommen oder die Arbeitszeit im wichtigsten Betriebszweig interessiert.

Mit der Erfassung aller Betriebszweige wird ausgeschlossen, dass einzelne Kosten- oder Ertragspositionen dem falschen Betriebszweig zugeordnet werden. Die Aufteilung der Arbeitsstunden auf die einzelnen Betriebszweige ist einfacher, wenn zuerst die ganze Arbeitszeit anhand eines Tagesablaufs festgelegt wird. Als Resultat erhält man den Jahresgewinn und den Arbeitsverdienst in jedem Betriebszweig.

Betriebsspiegel Burgrain

Andreas und Bettina Nussbaumer, Alberswil LU
LN: 44 ha
Kulturen: Natur- und Kunstwiesen, Mais, Weizen, Triticale
Tierbestand: 60 Milchkühe, 1000 Legehennen
Weitere Betriebszweige: Kleines Salat- und Blumenfeld, 150 Hochstammbäume, Kleintierstall (Schweine, Schafe, Hasen, Pferde)
Arbeitskräfte: Andreas und Bettina Nussbaumer, Rahel Kaufmann (100 %), ein Lernender, Aushilfen (30 bis 40 %)
www.burgrain.ch

[IMG 3]

Vollkostenrechnung in der Landwirtschaft

In der «üblichen» landwirtschaftlichen Buchhaltung wird in der Regelbis auf Stufe Deckungsbeitrag gerechnet. Strukturkosten (Gebäudenutzung, Maschinen-einsatz, Personalkosten usw.) werden dabei nicht auf die Produktions-zweige verteilt. Mithilfe der Vollkostenrechnung kann diese Lücke geschlossen und Transparenz bis hin zum Arbeitsverdienst pro Stunde geschaffen werden.

Vorteile der Vollkostenrechnung
- Bietet totale finanzielle Transparenz einer Produktion
- Zeigt die Rentabilität einzelner Betriebszweige auf
- Lässt den Vergleich mit Vollkostenrechnung anderer Betriebe zu
- Bietet eine fundierte Grundlage für die zukünftige Betriebsstrategie

Welche Zahlen braucht es?
Neben der Betriebsbuchhaltung mit Auswertung der Deckungsbeiträge braucht es Angaben zu:
- Betriebsspiegel (Flächen/Tierzahlen)
- Direktzahlungsabrechnung
- Pachtzinsschatzung bei Pachtbetrieben und Zusammenarbeitsformen
- Produktionsmenge Hauptprodukte (kg Milch, dt Getreide …)
Neben den Zahlen braucht es vor allem das Wissen der Betriebsleitung, welche Gebäude, Maschinen und Arbeiten von welchen Betriebszweigen benötigt werden.

Vollkostenprogramme Milchproduktion
- AgriCo Calc: Gesamtbetrieb, Fr. 80.– (über Bildung und Beratung der Kantone), Agridea
- AgriPerform: Gesamtbetrieb, kostenlos, Agroscope
- HAFL-Voko: Gesamtbetrieb, kostenlos, BFH-HAFL
- Online-Kostenrechner Milchproduktion: Betriebszweig Milchproduktion, kostenlos, Agridea/SMP/Beratungsforum

Quelle: Schweizer Bauernverband, BBZN