International gesehen spielen Tierwohl und Tierethik keine Rolle. Das muss man leider so drastisch sagen. Ausserhalb der Schweiz setzen die allermeisten Länder auf artwidrige Billig-, Massen- und Überschuss-Produktion. Auch in der Europäischen Union EU.

DossierZwei Muttersauen mit ihren Ferkeln in einem Gruppensäugestall.Volksinitiative 2022Massentierhaltungs-Initiative MTIDonnerstag, 28. Oktober 2021 Neben der Schweiz gibt es weltweit nur noch ein einziges Land mit einer ähnlich umfassenden Tierschutzgesetzgebung: Österreich. Die Tierschutz-Richtlinien der EU decken hingegen nur einzelne Aspekte respektive Tier-Kategorien ab. Und wegen inexistentem Vollzug und fehlenden Sanktionen sind sie oft nicht einmal das Papier wert, auf das sie gedruckt sind. Auf anderen Kontinenten ist es meist noch schlimmer.

Der schlechte EU-Nutztierschutz hat auch Folgen in der Schweiz

Weil die Schweiz zu den Ländern gehört, die weltweit pro Kopf am meisten Lebensmittel importieren, hat der schlechte Nutztierschutz in der EU aber auch Folgen in unserem Land.

Billig-Milchprodukte, Billig-Fleisch und Billig-Eier aus der EU konkurrieren die Anstrengungen zum Schutz unserer Nutztiere unfair. Sie stammen oft aus Ländern, welche die Schweizer Vorschriften hinsichtlich Haltung, Eingriffen, Transporten, Fütterung, Schlachtung oder Bestandesgrössen massiv unterlaufen.

Paradoxerweise stören sich gewisse Wirtschaftskreise – aber auch Umwelt- und Naturschutz-Organisationen sowie Politiker – nicht an tierquälerischen Importen. Stattdessen kritisieren sie die angeblich zu hohen Produzentenpreise der Schweizer Landwirte.

Das ist für den Nutztier-Schutz völlig kontraproduktiv. Diese Kritik drängt Landwirte mit einer vergleichsweise bäuerlichen Tierhaltung mittelfristig in Richtung Massentierhaltung.

Zwei Paar Schuhe: Tierwohl in der EU und der Schweiz

Während die Schweizer Tierschutz-Gesetzgebung zu allen Nutztieren detaillierte Vorschriften und Mindestmasse vorgibt, fehlen in der EU Tier-schutz-Richtlinien zur Haltung von Kühen, Mastvieh, Truten, Straussen, zu allen Geflügelarten ausser Hühnern, zu Schafen, Ziegen und Pferden. Damit sind über 100 Mio Nutztiere in der EU ohne gesetzlichen Schutz.

Korrekterweise muss man erwähnen, dass die Schweizer Tierschutz-Gesetz-gebung genauso wenig wie die EU-Nutztierschutz-Richtlinien optimale Tierschutz-Standards festlegt.

Beide ziehen nur mit konkreten Vorschriften und detaillierten Massen die Grenze zur Tierschutz-Widrigkeit. Wer diese Anforderungen nicht einhält, macht sich strafbar. Wer sie erfüllt, hat aber noch nicht zwingend eine Nutztier-freundliche Haltung.

Generell ist aber zu sagen, dass die Grenze zur Tierquälerei in der Schweiz restriktiver festgelegt ist. Die Schweizer Mindestvorschriften bringen den Tieren also insgesamt mehr, auch weil sie alle Tierkategorien regeln.

Die EU schreibt keine Tierschutzprüfung vor. In der Schweiz hingegen müssen serienmässig hergestellte und verkaufte Haltungssysteme und Stalleinrichtungen auf Tierschutzkonformität und Praxistauglichkeit geprüft und bewilligt werden. Davon profitieren die Landwirte und natürlich die darin gehaltenen Tiere.

In der Schweiz sind die allermeisten schmerzhaften Eingriffe verboten, in der EU dürfen hingegen beispielsweise junge männliche Kälber, Zicklein oder Ferkel ohne Schmerzausschaltung kastriert werden. Unter Einschränkungen sind in der EU auch das in der Schweiz verbotene Schnabel und Schwanz kupieren oder das Herausbrechen von Zähnen bei Ferkeln zulässig.

Strenge Regeln für Tierschutz-Kontrollen und Tier-Transporte

In der Schweiz sind regelmässige und teilweise unangemeldete Tierschutz-Kontrollen auf allen Landwirtschafts-Betrieben Pflicht. Wer gegen entsprechende Vorschriften verstösst, muss mit Bussen und der Streichung von Direktzahlungen rechnen. Kontrollresultate und die ausgesprochenen Sanktionen werden öffentlich publiziert.

In vielen Ländern der EU finden dagegen kaum Kontrollen statt, und fehlbare Landwirte haben entsprechend wenig Sanktionen zu fürchten. Von flächendeckenden, regelmässigen Tierschutz-Kontrollen kann in der EU keine Rede sein. Auch die Tier-Transporte sind in der Schweiz auf sechs Stunden beschränkt, während in der EU tagelange, tierquälerische Schlachtviehtransporte in Camions oder mit Schiffen erlaubt sind.

Die EU schüttet das Gros ihrer über 40 Mrd Euro Direktzahlungen ohne echte ökologische Minimal-Vorgaben an die Landwirte aus. Zudem existieren keine Tierwohl-Förderprogramme.

Demgegenüber müssen Schweizer Landwirte den ökologischen Leistungsnachweis ÖLN erbringen, um überhaupt Direktzahlungen zu erhalten.

Seit der Einführung des Direktzahlungssystems 1996 wird Schweizer Landwirten auch die Möglichkeit geboten, freiwillig bei den Programmen besonders tierfreundliche Stallhaltung BTS und regelmässiger Auslauf ins Freie RAUS mitzumachen. Mit BTS und RAUS werden sie für einen Teil der Mehrkosten dieser Systeme entschädigt. Eine Entschädigung, von der EU-Landwirte nur träumen können.

Zum Autor: Hansuli Huber ist auf einem Bauernhof im Zürcher Weinland aufgewachsen und studierte an der ETH Zürich Agronomie. 1985 begann er als Berater für Nutztierfragen beim Schweizer Tierschutz STS. Als STS-Geschäftsleiter hat Huber die Organisation von 1998 bis Ende 2018 zur wichtigsten Tierschutz-Organisation der Schweiz entwickelt.

Gross-Schlachthöfe in der EU: Ein Horror-Szenario

Gross-Schlachthöfe in der EU schlachten mit fast doppelt so hoher Geschwindigkeit wie in der Schweiz. Für den korrekten Umgang mit den Tieren vor dem Schlachten und für das Sicherstellen einer korrekten Betäubung bleibt da wenig Zeit.

EU-Studien zeigen, dass bei Restrainer-Elektro-Betäubungsanlagen und Schlacht-frequenzen von 600 bis 700 Schweinen pro Stunde die Tierzuführung mit Einzel-treibgängen nur mehr über den regel-mässigen, tierschutzwidrigen Einsatz von Elektrotreibhilfen erfolgt, welche für die Tiere sehr schmerzhaft sind.

Nach der Gas- oder Elektro-Betäubung müssen die Tiere in den Gross-Schlacht-höfen sofort gestochen werden, damit sie entbluten und sterben – und nicht wieder aufwachen.

Für die korrekte Ausführung des Stichs mit einem Hohlmesser bleiben den Arbeitern bei derart extremen Frequenzen nur 6 Sekunden Zeit!

Man geht davon aus, dass in der EU jährlich über 2 Mio Schweine nicht korrekt betäubt werden und bei Bewusstsein in die Weiterverarbeitung (Brühanlage!) gelangen. Ein Horror-Szenario!

Unser Online-Dossier zur MTI

Die Massentierhaltungs-Initiative MTI im Wortlaut
In der Schweiz gibt es keine Massentierhaltung (Editorial von Jürg Vollmer)
Der Schweizer Nutztier-Schutz funktioniert, in der EU ist es dagegen ein Nutztier-Elend
Nutztier-Schutz im Vergleich mit der EU: 8:0 für die Schweizer Landwirte
Nutztier-Schutz in der Schweiz als Erfolgsgeschichte
Keine Massentierhaltung dank mehr Platz und Auslauf sowie kleineren Tierbeständen

Alle Beiträge finden Sie in diesem Dossier.