Kurz & bündig
- Ruedi Balsiger kombiniert auf dem Berner Hausberg Gurten schottische Hochlandrinder mit Erlebnisangeboten und einer Eventschopf-Gastronomie.
- Dabei steht die Wirtschaftlichkeit im Fokus: Balsiger versucht, möglichst viel selber zu machen.
- Klare Kommunikation und Selbstbedienung fördern die Gemeinschaft und die lockere Stimmung der Gäste.
In der Stadt Bern zieht der Nebel durch die Gassen, auf dem Hausberg Gurten strahlt die Sonne. Der Spaziergang von der Gurtenbahn zu Ruedi Balsigers Highland-Gurten-Hof ist eine angenehme Sache mit wunderbarem Blick.
«Der Weg gehört dazu», sagt der 55-jährige Meisterlandwirt. Er ist auf dem Hof aufgewachsen und konnte den Betrieb 2005 von der Einwohnergemeinde Bern kaufen. Damals hielt Balsiger noch Milchvieh. Am Gurtenfestival, Anlässen des Reitvereins und der Landjugend hatte er erste Erfahrungen mit Events gesammelt. Balsiger mag es, unter Leuten zu sein, und ist gerne Gastgeber. Als er den Betrieb kaufte, musste er sich entscheiden: voll auf Milchproduktion setzen oder auf den wachsenden Betriebszweig Events?
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Um den Landwirtschaftsbetrieb zu erweitern, ist auf dem Gurten kaum Platz. Der Kaufpreis für den Betrieb war hoch – Balsiger wagte es und setzte voll auf die Event-Karte.
«Doch zusammen mit Milchvieh ging das nicht», merkte er bald. Die Milchleistung entsprach nicht seinen Vorstellungen und Balsiger konnte sich neben den Anlässen nicht so um die Tiere kümmern, wie er das wollte. Deshalb stellte er auf Mutterkuhhaltung um und begann, schottische Hochlandrinder zu halten.
Die schottischen Hochlandrinder sind das Wahrzeichen
Ursprünglich hatte er wenige Tiere als Hobby – mittlerweile ist die Herde auf 90 Tiere angewachsen. Die zotteligen Tiere mit den grossen Hörnern sind das Wahrzeichen des Betriebs und Teil der Events. Die Hochlandrinder werden mit 24 bis 30 Monaten geschlachtet, ihr Fleisch landet auf dem Grill. Geschlachtet wird regional, die Verarbeitung übernimmt ein Metzger aus Balsigers grossem Netzwerk.
«Die Tiere geben im Sommer, wenn wir Hochsaison haben, kaum was zu tun», sagt Balsiger. Er setzt auf saisonale Abkalbung, und zwar im Stall. Zum einen bringe jede Geburt auf der Weide unzählige Anrufe besorgter Passanten – der Gurten ist ein beliebtes Ausflugsziel für Berner Bevölkerung. Zum anderen seien die Kälber sonst später kaum in den Stall zu bringen, wenn sie die Umgebung nicht von Geburt an kennen würden.
Balsiger spielt ganz bewusst mit den Bauernhof-Klischees: schöne, gesunde Tiere, viel Holz, auf Wunsch können die Gäste an «Highland-Games» Baumstämme stossen oder Gummistiefel durch die Gegend werfen. «Wer zu uns kommt, will einfach ein schönes Fest erleben», sagt Balsiger. Über (Agrar-)Politik diskutiere er nicht, obwohl er die produzierende Landwirtschaft jederzeit verteidige. Dass er mit der Paralandwirtschaft sein Geld verdient, ist ein Entscheid, zu dem Balsiger steht. Gefragt, ob er denn nun mehr Gastgeber oder Bauer sei, antwortet Balsiger: «Ich bin beides, das eine geht nicht ohne das andere.»
Im Sommer herrscht im und um den Eventschopf Hochbetrieb
In seinen gut 30 Jahren Event-Erfahrung habe er gegen 100'000 Gäste empfangen, berichtet er. Im Sommer empfängt er sie rund um den Eventschopf und auf dem Hofplatz. Im «Schopf» ist ein Teil der Küche dem Abwasch und der Aufbewahrung der Lebensmittel vorbehalten. Der grosse, offene Raum lässt sich je nach Grösse der Gästegruppe aufteilen.
Zu sehen ist auch eine Brennblase: Die Brennerei ist ein Betriebszweig, den Balsiger mit Lukas Wiederkehr gerade aufbaut. Ziel ist, 2025 den ersten Gin auszuschenken – der Whiskey (gebraut mit schottischer Gerste) braucht noch etwas Reifezeit.
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Balsiger kann sich bei den Anlässen zum einen auf seine Frau Susanne verlassen, welche den grössten Teil der Administration erledigt. Dazu gehören Offerten, Telefonate, Mails und die Abrechnungen. Die Bestellungen für Brot und Gemüse erledigen die beiden einmal pro Woche jeweils am Wochenende. «Zu Beginn haben wir noch selber gebacken, mittlerweile sind wir zu gross geworden», sagt Ruedi Balsiger. Im Sommer kommt viel Gemüse aus dem eigenen Garten.
Anlässe bis 50 Personen wickelt Balsiger mit maximal vier Leuten ab. Sind die Gruppen grösser, kann er auf ein Team von Leuten zugreifen, die im Stundenlohn für ihn arbeiten. «In der Gastronomie sind die Löhne der grösste Kostentreiber», sagt Balsiger. Deshalb macht er sehr viel selber – nicht nur in der Küche. Die Marktstände auf Rädern, auf denen zum Beispiel die Salate angeboten werden, hat er selber gebaut. Den Unterhalt macht er selber, ebenso die Vorbereitungen und das Aufräumen. Zum wirtschaftlichen Erfolg trage zudem bei, darauf zu achten, dass so wenige Reste wie möglich bleiben.
Balsigers bieten von Montag bis Freitag Anlässe an
Ein Restaurant ist «Highland Gurten» nicht, darauf legt Balsiger Wert. Als er vor rund 20 Jahren Gesuche für die Gastroküche und die WC-Anlage stellte, waren diese zwar mit «Neubau Restaurant» betitelt. Doch er erhielt vom Regierungsstatthalter eine sogenannte 100-Tage-Bewilligung, die ihm erlaubt, Gruppen zu bewirten. Offen ist der «Eventschopf» von Mai bis Weihnachten, grundsätzlich von Montag bis Freitag. Hochzeiten bieten Balsiger nicht mehr an: «Der Aufwand ist riesig und ich kann diese Erwartungen nicht mehr erfüllen», erklärt er.
Balsiger ist so bekannt, dass er mittlerweile auch einmal Nein sagen kann. Zwischen einem Drittel und der Hälfte der Gäste kommen mehr als einmal. «Sie rufen an und sagen, sie seien 120 Leute und möchten dasselbe wie im Vorjahr», sagt Balsiger.
Das Gesamtkonzept mit Gastronomie und Hof funktioniert wohl auch dank der klaren Kommunikation. «Wir bedienen hier niemanden. Klar zeigen wir, wie man ein Bier zapft – aber danach müssen sich die Leute selber helfen.» Das führe zu Gesprächen, die Stimmung werde locker.
Genau wie Balsiger den Weg von der Gurtenbahn zum Hof als «billigste Team-Bindungs-Massnahme» bezeichnet: Zusammen spazieren verbinde, die Gäste kämen ins Gespräch und hätten Freude. Ruedi Balsiger möchte ein freundlicher, aber diskreter Gastgeber sein – er unterhalte sich beim Grillieren zwar mit den Gästen, doch dank der Marktstände auf Rädern könne er diskret das Apérobuffet entfernen und durch Beilagen und später Dessert ersetzen.
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Events: hohe Erwartungen, lange Arbeitstage
Zu tun gebe es, Events durchzuführen. «Meine Stunden schreibe ich nicht auf», sagt Balsiger. Wer «einfach so» mit Events beginnen wolle, müsse sich bewusst sein, dass die Erwartungen der Kunden hoch seien und die Arbeit oft bis spät in die Nacht gehe.
Bei einem Betriebsleiterpaar müssten beide am Karren ziehen: «Nebenbei kann niemand Events veranstalten», so Ruedi Balsigers Erfahrung. Und was es auch brauche: einen breiten Rücken, um mit allen möglichen (und unmöglichen) Leuten umzugehen.
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Betriebsspiegel Highland Gurten
Ruedi und Susanne Balsiger, Wabern BE
LN: 24 ha, 1,5 ha Wald
Kulturen: Grünland, Mais und Weizen zur Grünlanderneuerung
Tierbestand: Rund 90 schottische Hochlandrinder, davon 25 Muttertiere
Betriebszweige: Events, Fleisch, in Zukunft Brennereiprodukte (Gin und Whiskey)
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, 1 Angestellter, Lukas Wiederkehr bei Arbeitsspitzen, MitarbeiterInnen im Stundenlohn an den Events
www.highland-gurten.ch