Kurz & bündig
- Lockpfosten benötigen keinen grossen Aufwand. Sie helfen aber, im Alltag mit den Konsumenten in ein Gespräch zu kommen und schaffen Vertrauen.
- «20 Jahre Lockpfosten» ist eine gemeinsame Aktion von Bauernverbänden und «Schweizer Bauern».
- Mitmachen ist gratis, die Anmeldung erfolgt über www.bauernportal.ch
Familie Jennifer und Michel Bischof in Rheineck im St.Galler Rheintal hat auf ihrem Hof Lockpfosten der «Schweizer Bauern» aufgestellt. Es gibt viel zu erklären, denn Bischofs führen einen vielseitigen Betrieb mit Mutterkühen, Mastpoulets, Legehennen und auch Ackerbau.
Der Folienstall auf der grünen Wiese macht neugierig
Auf einem ihrer Wiesen, abseits vom Hof, steht ein langes Zelt mit einem grünen Dach. Spaziergänger möchten wissen, was sich hinter den Folien befindet und werfen einen Blick durch die Folien oder Windschutz-Netze.
Viele weisse Tupfer bewegen sich auf einer mit Stroh eingestreuten Fläche. Es sind insgesamt 2500 Mastpoulets. Leitungen mit roten Futter- und Tränkeschalen durchziehen den Stall. Viele Hühner ruhen auf etwas erhöhten Podesten, andere sonnen sich im Wintergarten. Ein ungewohnter Anblick für einen Nicht-Landwirt. Sind die Hühner über drei Wochen alt und lässt das Wetter es zu, dürfen sie auch auf die grüne Wiese.
«Miniatur» heisst der Lockpfosten bei dem Stall. Er erklärt, dass die Tierschutzbestimmungen in der Schweiz zu den strengsten in der Welt gehören und nicht mehr als 18'000 Hühner in einem Stall gehalten werden dürfen. Im Ausland gibt es Ställe mit bis zu 600'000 Hühnern.
Auf der anderen Seite des Weges befindet sich ein Feld mit Rheintaler Ribelmais, dem einheimischen Futter der Mastpoulets. Nach einer Mast von rund acht Wochen werden die Poulets geschlachtet und als Rheintaler Ribelmaispoularden verkauft. Der Folienstall auf Kufen wird nach jedem Umtrieb mit Traktor und Seilwinde eine Länge weitergezogen. Als Unterlage dienen ausgediente Gummimatten von Förderbändern.
Die Lockpfosten fördern das Vertrauen der KonsumentInnen
Um Lockpfosten zu beziehen, haben sich Bischofs 2020 über das Bauernportal angemeldet und die zum Hof passenden Themen ausgesucht. Die Teilnahme am Projekt und das Material sind gratis. Zusammen mit Hans Keller, dem von der Projektleitung beauftragten regionalen Lockpfostenverteiler, stellte der Landwirt im Frühling die Pfosten auf. Zum Einschlagen der zwei Meter langen Holzpfosten entlang eines Fussweges verwendeten sie die Frontschaufel des Traktors.
Da die Pfosten weiss gestrichen sind und immer drei Pfosten beieinander stehen, fallen sie auf und machen neugierig. Immer wieder bleiben Leute stehen, lesen und sprechen auch miteinander darüber. Im Herbst lagern Bischofs die Lockpfosten bei sich ein, denn diese sollen nicht über den Winter stehen bleiben. Sie würden ihre Anziehungskraft verlieren und hätten keinen Bezug in der schneebedeckten Landschaft.
Im Frühling geben Bischofs die Pfosten weiter oder verwenden sie nochmals. Sie haben nicht unbedingt den Eindruck, dass die Pfosten mehr Kunden in ihren Hofladen locken. Dieser befindet sich nämlich weiter weg und auf den Lockpfosten gibt es auch keinen Hinweis darauf.
Allerdings dürften die Pfosten langfristig die Bekanntheit des Hofladens fördern, da es sich in der Gegend herumspricht, wem die Felder mit den Lockpfosten gehören und wo man die Produkte kaufen kann. Und nicht zuletzt: Wer die Produktion sichtbar macht, findet auch das Vertrauen seiner Kunden.
Der UrDinkel ist der Stolz der Familie Bischof
Besonders stolz ist Familie Bischof auf ihren UrDinkel. Nicht nur, weil dieser auf den leichten Böden der Rheinauen gut wächst, sondern, weil sie ihn als alte, ursprüngliche Getreidesorte schätzt.
«Sein Mehl ist besonders verträglich», lobt die Bäuerin eine Eigenschaft des UrDinkels. Als gelernte Bäckerin/Konditorin backt sie zusammen mit ihrer Schwester das UrDinkelbrot in einer Backstube in Wolfhalden. Der Teig verläuft schneller als von anderen Getreidesorten und muss deswegen zügig verarbeitet werden.
Beim UrDinkel-Feld stehen drei Pfosten mit den grossen Aufschriften: Urschweizer, Spelzmütze, Mehrpflanze. Die darunter stehenden Texte lassen sich auch im Internet finden. Brot, Mehl, Eier, das Fleisch ihrer Mutterkühe und andere Hofprodukte verkaufen Bischofs in ihrem attraktiven und gepflegten Hofladen.
Dort finden auch viele Gespräche mit den Kunden statt. Manche legen Wert auf Karfreitags-Eier, andere erzählen zum Beispiel, dass man früher glaubte, Eier im Dachstock würden vor Blitzschlag schützen.
Familie Bischof ist überzeugt: «Wir produzieren naturgemäss»
Michel und Jennifer Bischof haben Freude an den Lockpfosten. Es liegt ihnen am Herzen, der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung zu zeigen, was sie machen und ihr die Landwirtschaft nahe zu bringen. «Wir sind keine Null-acht-fünfzehn-Bauern», betont der Landwirt.
Er stammt selbst nicht von einem Bauernhof, hat aber die Landwirtschaftsschule besucht und – wie er sagt – sein Hobby zum Beruf gemacht. Im Jahre 2015 konnten er und seine Frau den 28 Hektaren grossen Rütihof in Rheineck in Pacht nehmen.
«Wir produzieren naturgemäss», beschreiben Bischofs ihre Art, Landwirtschaft zu betreiben. Dementsprechend schmückt ein grosser IP-Suisse-Käfer den Hofladen. «Naturgemäss, regional, saisonal» sind ihnen wichtig. Auch sollen sich ihre Kunden nicht nur mit Lebensmitteln eindecken, sondern auch Freude daran haben.
Der Hofladen auf Rädern befindet sich gerade gegenüber dem Hühnerhaus auf der Wiese, wo die Hühner frei herumlaufen, nach Futter suchen oder ein Sonnenbad nehmen. Hinter dem Hofladen befindet sich der Hochstamm-Obstgarten. Insgesamt hat es so viele Hochstammbäume auf dem Betrieb, wie das Jahr Tage hat.
Betriebsspiegel Rütihof
Jennifer und Michel Bischof, Rheineck SG
LN: 28 ha, davon 13 ha Ackerland, 15 ha Grünland mit 365 Hochstamm-Obstbäumen
Kulturen: UrDinkel, Rheintaler Ribelmais, Silomais und Raps, Obstbau, Natur- und Kunstwiesen
Tierbestand: 30 Mutterkühe (Galloways und verschiedene F1-Kreuzungen), 2500 Mastpoulets in einem mobilen Folienstall, 100 Legehennen in Freilandhaltung
Weitere Betriebszweige: Hofladen für Eier, Fleisch, Backwaren, Mehl, Obst und Beeren. Spezialitäten wie Ribelmais und St.Galler Öle, eigene Backstube mit Catering.
Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar, Mitarbeit der Mutter und Schwester der Betriebsleiterin
Den Dialog suchen
Landwirtschaft braucht den Dialog mit der Bevölkerung, denn Stadt und Land entfremden sich immer mehr.
Lockpfosten vermitteln nicht nur, was wächst oder welche Tiere hier leben, sondern zeigen auch Zusammenhänge auf, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Ein kurzer «Schildertext» bietet Anknüpfungspunkte für ein Gespräch mit den Passanten.
Geschichte und Ausblick
Die Lockpfosten-Aktion entstand im Jahre 2001 als Zusammenarbeit von regionalen Bauernverbänden mit dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst LID, erklärt Therese Schenker, Projektleiterin Öffentlichkeitsarbeit beim LID. Im ersten Jahr verteilten regionale Bauernverbände die Pfosten, dann ging das Projekt in die Basis-kommunikation der Schweizer Bauern über. Es kamen und kommen immer neue Themen dazu, zum Beispiel Sonderthemen zu Pflanzenschutz, Tierhaltung, Futtermittel und Boden. Zurzeit gibt es Lockpfosten zu fast 40 Themen. Die Zahl der Lockpfosten ist stetig gestiegen. Im Jubiläumsjahr «20 Jahre Lockpfosten» sind es über 1800 Pfosten auf 104 Betrieben in 19 Kantonen.
Mobile Lockpfosten für Anlässe
Lockpfosten bringen ohne grossen Aufwand Botschaften aus der Landwirtschaft zur Bevölkerung hinüber. Da die Lockpfosten jedes Jahr neu aufgestellt werden, finden sie immer wieder von Neuem Aufmerksamkeit. Sie lassen sich auch mit Informationstafeln Ökotafeln ergänzen. Nebst den regulären, saisonalen Lockpfosten gibt es auch mobile Lockpfosten light für einen Event oder eine Messe zur Ausleihe. Diese sind leichter als die regulären und es werden Metalldorne zum Aufstellen mitgeliefert.