Kurz & bündig

- Die Lehrjahre sind für die Betriebsleiterfamilie und die Lernenden eine Herausforderung. Das enge Zusammenleben und -arbeiten kann zu Spannungen führen.
- Lernende wollen oft alles richtig machen und scheuen sich, Fragen zu stellen. Das kann zu Missverständnissen führen.
- Sinnvoll sind regelmässige Gespräche und klare Regeln für den Alltag auf dem Betrieb und im Haus.

Der Lernende verschläft, der Lehrmeister verliert die Nerven und wird laut. Am Mittagstisch ist die Stimmung angespannt, die Frau des Betriebsleiters hat eben noch den Brief mit der Steuerrechnung geöffnet. Eine kurze Pause würde allen gut tun – doch die Arbeit lässt sich nicht aufschieben.

Die Nähe zwischen Betriebsleiterfamilie und Lernenden ist in der landwirtschaftlichen Ausbildung einzigartig: Wer Landmaschinenmechaniker wird, geht am Abend heim und kann vielleicht auch mal Frust bei Eltern oder Geschwistern abladen. «Ich habe hohen Respekt vor Landwirtschaftslernenden», sagt Doris Brönnimann. Sie arbeitet als psychosoziale Beraterin und ist Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung des Berner Bauernverbands. Brönnimann hatte selber Lernende am Mittagstisch und erlebte, wie sich das auf den Alltag auf dem Bauernbetrieb auswirkt.

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«Junge Menschen sind auch inspirierend.»

Doris Brönnimann, psychosoziale Beraterin

«Junge Menschen können mit anderen Familienkulturen überfordert sein», sagt sie. Wer zum ersten Mal weg von zu Hause sei, habe persönlich viel Neues zu lernen und zu entwickeln. Zudem ist die Lehre eine Herausforderung: Die jungen Menschen möchten, dass nichts schiefgehe, beobachtet Brönnimann.

Nachfragen, wenn etwas unklar sei, oder gar Kritik ausüben: Das sei anspruchsvoll. Denn die Abhängigkeit vom Berufsbildner ist gross – auch nach einem Streit sitzen beide am nächsten Tag wieder am gleichen Tisch.

Probleme ansprechen und Erwartungen klar kommunizieren

Doch wie schaffen es Berufsbildende und Lernende, schwierige Situationen zu meistern? Peter Küng ist Betrieblicher Ausbildungsberater der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern. Er ist an Berufsbildnertagungen und diversen weiteren Anlässen präsent. Deshalb würden ihn die Berufsbildenden kennen, sagt er.

«Nicht alle Landwirte sehen sich in erster Linie als Führungskräfte», sagt er. Doch genau die Eigenschaften von Führungskräften brauche es, um junge Menschen auszubilden: kommunizieren, beurteilen, bewerten, rückmelden.

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«Mit einem positiven Blick auf die Lernenden schauen.»

Peter Küng, Betrieblicher Ausbildungsberater, Kanton Luzern

Im Fall des Lernenden, der dauernd verschläft, ist es also nötig, das Problem anzusprechen und die Erwartungen klar zu kommunizieren. «Verbessert sich die Situation, sollen die Berufsbildenden das ebenfalls ansprechen und die Leistung wertschätzen», so Küng. Das Gute erwähnen, mit einem positiven Blick auf den Lernenden schauen – Küng sieht das als Schlüssel für eine positive Zusammenarbeit.

Sinnvoll sei auch, frühzeitig Hilfe zu holen, sagen Peter Küng und Doris Brönnimann übereinstimmend. Die Lernenden haben in allen Schulen niederschwellige Angebote, die von den Lehrpersonen im Unterricht erwähnt werden. Im Kanton Luzern gibt es an jedem Standort «Help Points», die Lernenden weiterhelfen. Am Inforama des Kantons Bern ist es die vertrauliche und kostenlose Beratungsstelle für Lernende und deren Umfeld, die hilft.

Bei Schwierigkeiten frühzeitig Unterstützung einholen

BerufsbildnerInnen wenden sich an die Berufsbildungsämter beziehungsweise an die entsprechende kantonale Dienststelle – konkret an Personen, die sie kennen und denen sie vertrauen.

Im Kanton Bern ist das Ueli Lehmann. Er arbeitet beim Berner Bauernverband, ist aber im Auftrag des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Bern für die Begleitung und die Lehrvertragsadministration der Berufsbildung in der Landwirtschaft zuständig. Dazu gehört nicht nur, die Lehrverträge zu prüfen und zu genehmigen, sondern auch, die Berufsbildner im Alltag zu unterstützen.

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«Die Auswahl der Lernenden ist ein Schlüsselmoment.»

Ueli Lehmann, Leitung Bildung, Berner Bauernverband

Tagesgeschäft sei zum Beispiel, Fragen zu Lohnabrechnungen, Arbeitszeiten, Frei- und Ferientage sowie zur Handhabung von gesetzlichen Feiertagen zu beantworten, so Lehmann.

Doch auch schwierige Situationen im Alltag tragen die Berufsbildner zu ihm. Lehmann versucht entweder am Telefon zu helfen oder geht auf dem Hof vorbei. «Dann gibt es eine Aussprache mit einem Protokoll», sagt er. In einem nächsten Schritt zieht er Doris Brönnimann bei, insbesondere wenn Lernende «am Anschlag» seien. Die Gespräche mit Doris Brönnimann finden je nach Situation auf dem Betrieb, auf der Geschäftsstelle des Berner Bauernverbands oder in ihrer Praxis statt.

Je nach Situation findet ein runder Tisch statt, an dem die Betroffenen zu Wort kommen. «Die Hemmschwelle ist schon hoch», sagt Doris Brönnimann. Doch besser werde es nicht, wenn die Betroffenen nicht zusammen reden. Sie schätzt auch die Leistungen der Berufsbildner: «Die meisten sind sehr pflichtbewusst und fragen sich, was sie falsch machen, wenn es nicht rund läuft.» Zu erfahren, dass es eventuell der junge Mensch sei, der ein Problem (zum Beispiel Heimweh) habe, könne die Situation entschärfen.

Was raten Brönnimann, Küng und Lehmann, damit es gar nicht erst zu schwierigen Situationen kommt? Doris Brönnimann findet es zum einen wichtig, dass sich BerufsbildnerInnen nicht schlecht fühlen müssen, wenn es mal nicht rund läuft. «Betriebsleiterpaare haben ein hohes Arbeitspensum neben der Ausbildung der Lernenden.»

Zum anderen sei eine Betriebs- und Hausordnung sinnvoll: Beim Erstellen dieser Regeln wird sich die Familie bewusst, was ihr wichtig ist, wo ihre Grenzen liegen und was ihre Bedürfnisse sind.

Schnuppern ist für beide Parteien entscheidend

Abo Fred und Caroline Grunder führen in Belp einen Pachtbetrieb mit Milchvieh. Ausbildung Fred und Caroline Grunder setzen auf offene Kommunikation, damit es in der Landwirtschaftslehre klappt Montag, 31. März 2025 Peter Küng findet die Auswahl der Lernenden entscheidend: «Deshalb ist Schnuppern für ein bis zwei Wochen für beide Parteien so wichtig», betont er. Während einer Landwirtschaftslehre leben Lernende und Betriebsleiterfamilie sehr eng zusammen, das müsse passen. Wichtig sei auch, die Schulleistungen anzuschauen, um entscheiden zu können, ob ein junger Mensch eine EFZ-Lehre packe.

Und: «Nicht zusagen, bloss weil jemand froh ist, überhaupt einen Lernenden zu bekommen», bittet Peter Küng. Lernende bräuchten eine «führende Hand» und Verständnis für ihre Lebenssituation.

Grosses Interesse, Lernende auszubilden

Ueli Lehmann sieht die Wahl der Lernenden ebenfalls als Schlüsselmoment. Es sei nötig, dass sich Berufsbildner bewusst werden, wen sie ausbilden möchten und können. Auf diesen Punkt legt er auch im Berufsbildnerkurs grossen Wert. Es gebe zwar Berufsbildner, die mit allen Lernenden zurechtkämen. Doch grundsätzlich sei es sinnvoll, sich zum Beispiel klar zu werden, welche Vorkenntnisse man erwarte: Muss eine Lernende einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben? Wie ist die Wohnsituation?

Lehmann sagt, dass aktuell (Februar 2025) im Kanton Bern 665 Lehrverhältnisse bei 633 Berufsbildnern laufen. Die Nachfrage, Lernende auszubilden, sei da: Aktuell absolvieren 36 Personen den obligatorischen Grundkurs und lassen sich als Berufsbildnerin oder Berufsbildner anerkennen. Auch das Interesse an Weiterbildung besteht. Der Kanton Bern bietet jeden Winter Kurse an. Im Winter 2025 gab es an vier Standorten fünf Kurse zum Thema «Lerndokumentation». Teilgenommen hätten 220 Personen, so Lehmann.

Eine Aussensicht kann frischen Mut geben

Den Austausch unter Berufskollegen findet auch Doris Brönnimann wichtig. Zu beachten sei der Persönlichkeitsschutz der Lernenden: «Wie spreche ich über Probleme, ohne zu viel preiszugeben?» Auch deshalb sei ein Coaching mit einer externen Person sinnvoll, das eine Aussensicht und frischen Mut gebe.

Denn: «Junge Menschen sind auch inspirierend», sagt Doris Brönnimann. Fühlen sich Lernende und Betriebsleiterfamilie in einem vertrauensvollen Klima wohl, gebe es ein gegenseitiges Interesse. Dazu beitragen können regelmässige Gespräche. Diese seien eigentlich im Rahmen des «Bildungsberichts» zweimal pro Jahr vorgeschrieben: Auf diese Gespräche bereiten sich Berufsbildner und Lernende getrennt vor, beantworten die Fragen für sich und besprechen diese dann.

Das gebe gute, strukturierte Rückmeldungen, sagt Brönnimann. «Mich dünkt die gegenseitige Wertschätzung wichtig», betont Peter Küng. Wer auch Kleinigkeiten anspreche und gute Leistungen erwähne, schaffe ein Arbeitsklima, in dem sich Fehler einfacher ausmerzen.

 

 

Wenn es gar nicht mehr geht: Auflösung des Lehrvertrags

Jeder Lehrvertrag wird von der kantonalen Stelle genehmigt – sehen Berufsbildner und Lernende wirklich keinen gemeinsamen Weg mehr, muss die Auflösung gemeldet werden. Peter Küng von der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern erklärt: «Ein Lehrvertrag ist befristet, eine Kündigung ist somit grundsätzlich nach der Probezeit nicht mehr möglich.» Wird der Vertrag nicht zu Ende geführt, steht beiden Parteien der Rechtsweg offen. Dem Lernenden steht zum Beispiel Lohn zu und er ist nach wie vor über den Betrieb versichert, solange der Vertrag nicht offiziell aufgelöst wurde.

Auch deshalb rät Peter Küng, frühzeitig den Kontakt zu den kantonalen Stellen zu suchen, wenn die Schwierigkeiten gross sind. Jeder Kanton hat eine Anlaufstelle für die Berufsbildung, bei der auch BerufsbildnerInnen Unterstützung erhalten. Die Betrieblichen AusbildungsberaterInnen können z. B. ein «Case Management» organisieren oder die Fachstellen für psychische Beratung beiziehen, wenn Unterstützung gesucht wird. Im Kanton Bern ist der Berner Bauernverband die Ansprechstelle für BerufsbildnerInnen.

Ueli Lehmann, Leiter Bildung beim BEBV, sagt, dass auf dem Formular zur Auflösung des Lehrvertrags häufig eine Begründung angegeben wird. «Besteht aus unserer Sicht Bedarf, wird das Gespräch mit den Berufsbildenden gesucht», so Lehmann. Ziel sei es dabei, die Berufsbildenden in ihrer Tätigkeit zu unterstützen, so werde beispielsweise ein Stellenprofil für künftige Lernende erarbeitet.