Kurz & bündig
- Der 1. Bericht zum «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin» IS ABV ist vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV veröffentlicht worden.
- Die Auswertungen im Bericht zum «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin» beruhen auf Daten, die TierärztInnen 2020 bei ihrer alltäglichen Arbeit erhoben haben.
- Absolut werden am meisten Hühner mit Antibiotika behandelt. Doch so einfach ist es nicht. Die Geflügelpopulation ist schliesslich auch gross.
- Der Einsatz kritischer Antibiotika ist teils hoch - auch, weil bei gewissen Leiden keine anderen Antibiotika zugelassen sind.
- Eine Auswertung der Daten über längere Zeit soll helfen, den Antibiotika-Verbrauch weiter zu optimieren.

Der Verkauf von Antibiotika an die Veterinärmedizin geht seit Jahren zurück. Während der Antibiotika-Einsatz in der Humanmedizin gleich hoch bleibt und mengenmässig bald jenen der Landwirtschaft übersteigt, leisten VeterinärInnen und LandwirtInnen einen wichtigen Beitrag, drohende Resistenzen zu verhindern und damit die Antibiotika lange wirksam zu halten.

Seit 2019 sind TierärztInnen dazu verpflichtet, die Behandlungen mit Antibiotika im «Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin» IS ABV digital zu erfassen. Damit wird erstmals nicht nur der Vertrieb, sondern auch der tatsächliche Verbrauch von Antibiotika erhoben.

Ende Januar 2022 präsentierte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV den 1. Bericht zu Daten aus dem IS ABV. Darin wurden die Erhebungen der Tierärzte aus dem Jahr 2020 ausgewertet.

Diese Daten sind jedoch nicht sehr aussagekräftig. Das liegt nicht an den Statistikern – und schon gar nicht an den TierärztInnen. Es liegt vielmehr daran, dass die grosse Stärke dieser Daten in Zukunft darin liegen wird, die Entwicklungen über die Zeit zu dokumentieren. Im ersten Jahr gibt es schlicht und einfach keine Daten zum Vergleichen.

Behandlungen in Relation zur Populationsgrösse

Die meisten Antibiotika-Verschreibungen wurden bei der Rindergattung gemacht (über 700'000). Diese Kategorie hat gleichzeitig die höchste Anzahl Einzeltherapien – was die zahlreichen Verschreibungen erklärt.

Im Gegensatz dazu werden bei den Schweinen und dem Geflügel die meisten Verschreibungen als Gruppentherapie deklariert. Mit einer einzigen Antibiotika-Verschreibung werden bei Schweinen und Hühnern mehr Tiere mit Antibiotika behandelt, als das bei Rindern der Fall ist. In Zahlen: Beim Geflügel wurden mit rund 800 Verschreibungen über 8 Millionen Tierbehandlungen durchgeführt.

Am meisten Behandlungen am einzelnen Tier erfolgten deshalb beim Geflügel. Auf dem zweiten Platz stehen oder eher schwimmen die Zuchtfische, gefolgt von den Rindern.

Diese absoluten Zahlen können aber trügen. Denn sie werden nicht ins Verhältnis zu den Anzahl Tieren gesetzt, die in der Schweiz gehalten werden.

«die grüne» hat diese Relativierung versucht. In der Grafik stehen den Behandlungszahlen aus dem Bericht (Quelle: BLV) die Populationszahlen der Nutztiere (Quelle: Bundesamt für Statistik und Proviande) gegenüber.

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Mehr Antibiotika ist nicht immer schlechter

Auch wenn das bloss eine Annäherung und keine exakte Statistik ist: Unseren Zahlen zufolge erhielt 2020 jedes zweite Rind Antibiotika. Das stimmt so natürlich nicht. Denn einige Tiere werden mehrmals Antibiotika erhalten haben.

Beim Geflügel ist das Verhältnis ein anderes: Bei dieser Tiergattung werden zwar absolut die höchste Anzahl an Antibiotika-Behandlungen gemeldet. Doch im Vergleich zu den Tierzahlen zeigt sich, dass man in der Geflügelhaltung nicht von einem übermässigen Antibiotka-Verbrauch sprechen kann. 

Bei den Zuchtfischen fehlen uns leider die Populationszahlen.

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Auch nach dieser Relativierung sind die Daten nicht einfach zu lesen. Um nur einen Grund zu nennen: Mehr Antibiotika sind nicht in jedem Fall schlecht. Wenn gegen einen Bakterienstamm behandelt wird, ist es sogar sehr wichtig, dass genügend lange und genügend stark mit Antibiotika behandelt wird. Andernfalls überleben ein paar Bakterien und diese können Resistenzen entwickeln.

Daher ist eine korrekte Dosierung wichtig: Die Antibiotika müssen alles abtöten. Fachpersonen sprechen daher von Antibiotika-Optimierung statt Reduktion.

Die häufigsten Ursachen für eine Antibiotika-Behandlung sind:

  • Milchkühe: Eutererkrankungen, Geburts- und Nachgeburtsstörungen
  • Mastkälber und Mastrinder: Atemwegserkrankungen
  • Saug- sowie Mastschweine: Erkrankungen des Verdauungstrakts, gefolgt von Atemwegserkrankungen
  • Kleinwiederkäuer: Atemwegserkrankungen und Geburts- und Nachgeburtsstörungen
  • Geflügel: Entzündungen am Nabel oder Dottersack

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Wie steht es um die kritischen Wirkstoffe?

Am häufigsten wurde der Wirkstoff Penicillin verwendet. Penicillin ist unkritisch und dessen Einsatz daher im Rahmen der Antibiotika-Strategie des Bundes gewünscht.

Der Einsatz von kritischen Antibiotika muss weiter optimiert werden. Als kritisch werden Antibiotika angesehen, die in der Humanmedizin unverzichtbar sind. Solche Wirkstoffe dürfen erst eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika nicht wirken. Gemäss Bericht zum IS ABV enthielten «knapp 10 Prozent aller Verschreibungen kritische Antibiotika».

Dabei sind die Unterschiede zwischen den Tierarten teils beachtlich: Beim Mastpoulet wurde der grösste Anteil an kritischen Wirkstoffen verzeichnet: 63 Prozent der Verschreibungen betrafen kritische Antibiotika. Bei der weiter gefassten Kategorie «Geflügel» waren es immer noch 59,2 Prozent. Im Bericht heisst es: «Eine der Ursachen dafür ist, dass für einige Indikationen beim Geflügel nur kritische Antibiotika zugelassen sind.»

Rinder, Schweine und Kleinwiederkäuer weisen je einen Anteil von rund 10 Prozent an Verschreibungen mit kritischen Antibiotika auf.

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Und was heisst das jetzt für die landwirtschaftliche Praxis?

Als Erstes darf Schweizer VeterinärInnen und LandwirtInnen ein Kompliment gemacht werden: Im Gegensatz zum Ausland (beispielsweise Deutschland) sinkt der Verkauf von Antibiotika in der Schweizer Landwirtschaft von Jahr zu Jahr. 

Um in der Strategie gegen Antibiotikaresistenzen einen weiteren Schritt zu tun, wird nun der effektive Verbrauch genauer unter die Lupe genommen. Die Datenerhebung bedeutet administrativen Aufwand – der sich aber lohnt. Die Daten helfen, die aktuelle Situation abzubilden und nächste Schritte zu planen. Allerdings müssen die Daten weiter bearbeitet werden. In der aktuellen Form sind sie wenig aussagekräftig.

In der Zwischenzeit liegt es an den LandwirtInnen, ihre Tiere so gesund als möglich zu halten. Und die TierärztInnen notieren weiter ihre Antibiotika-Verschreibungen und Tierbehandlungen, sodass der Bericht zum IS ABV nächstes Jahr aussagekräftiger ist.