Mit ihrer konsequenten Ablehnung der Genschere CRISPR/Cas stellen sich Bio Suisse und der Schweizer Bauernverband SBV in den nächsten Jahren selbst ins Abseits.

Mit dieser Prognose werde ich einen Shitstorm der Kategorie 5 auslösen. Bevor mir alles um die Ohren fliegt, hier deshalb meine Begründung: CRISPR/Cas-Züchtungen könnten Schädlingen trotzen, Pestizide einsparen, trockene Böden tolerieren – und dabei mehr Ertrag liefern. Eine Ablehnung der Genschere ist so ziemlich das Dümmste, was man sich ausdenken kann.

2005 war Gentech noch zu ungenau und zuwenig erprobt

Aber fangen wir von vorne an: Die Gentechnik der 1990er-Jahre war tatsächlich zu ungenau und zuwenig erprobt. Vernünftigerweise wurde 2005 mit der Volksinitiative für «Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und erst recht die Haltung gentechnisch veränderter Tieren bis 2010 verboten.

Bundesrat und Parlament verlängerten dann das Moratorium bis 2013, bis 2017, bis 2021 – und jetzt wird das Gentech-Moratorium nochmals bis Ende 2025 verlängert.

Genome Editing aktiviert, entfernt oder deaktiviert DNA-Bausteine einer Pflanze chirurgisch genau

Die Welt hat sich seither aber schneller entwickelt als je zuvor. Gentech heute, das ist Genome Editing oder eben CRISPR/Cas (Abkürzung von englisch Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats = gruppierte kurze palindromische Wiederholungen mit regelmässigen Abständen, CRISPR-associated = CRISPR-assoziiertes Protein).

Mit molekularbiologischer Technik werden DNA-Bausteine (Nukleinbasen) einer Pflanze mit einem Schnitt chirurgisch genau aktiviert, entfernt oder deaktiviert.

Solche Veränderungen der DNA geschehen natürlicherweise in jedem Lebewesen. Diesen Effekt nutzen auch die konventionelle Züchtung und die Mutagenese (durch ionisierende Strahlen oder Chemikalien). Nur dauert es dort Jahre oder gar Jahrzehnte. Der Mutagenese verdanken wir übrigens 3000 «neue» Kulturpflanzen wie zum Beispiel den Hartweizen.

Genom-editierte Pflanzen sind biologisch exakt dasselbe wie Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Deshalb plädierte die Leiterin der Forschungsanstalt Agroscope, Eva Reinhard, in swissfood.ch gegen eine Verlängerung des Moratoriums. Ebenso Bio-Papst Urs Niggli in unserem «Kreuzverhör».

Der Verein «Sorten für morgen» als Lobby-Oganisation für Genome Editing

Und auch die grossen Akteure der Schweizer Landwirtschaft engagieren sich für Genome Editing: Fenaco, IP Suisse, Coop, Denner und Migros sowie die Obst-, Gemüse- und Kartoffelproduzenten wollen mit dem neu gegründeten Verein «Sorten für morgen» Gentech zum Blühen bringen.

Selbst bei den Konsumenten ist die Akzeptanz gegenüber gentechnisch veränderten Kulturpflanzen höher als viele glauben, erklärt die ETH-Verhaltenspsychologin Angela Bearth.

Mit Genome Editing müsste die Schweizer Landwirtschaft nicht zuschauen, wie Gentech im Ausland aufblüht: In Grossbritannien werden mit CRISPR/Cas schon Viren-resistente Zuckerrüben-Sorten gezüchtet. In den USA, Argentinien, Australien, Brasilien und Japan werden Genom-editierte Pflanzen schon für den kommerziellen Anbau freigegeben.

Einmal abgesehen davon, dass es mir beim Zuschauen weh tut, wenn sich Bio Suisse und der Schweizer Bauernverband SBV selbst ins Abseits stellen – die Schweizer Bauernfamilien können sich eine Zukunft ohne Genome Editing nicht leisten.