Knapp vier Wochen vor dem 13. Juni 2021 verlieren die Trinkwasser-Initiative und die Pestizid-Initiative mit jeder neuen Umfrage ein Stück von ihrem Ja-Vorsprung.

Waren es acht Wochen vor dem Abstimmungs-Termin noch 54 bis 55 Prozent-Punkte für ein Ja, ist der der Ja-Anteil knapp vier Wochen vor dem 13. Juni 2021 mit der 2. «Tagesanzeiger»-Abstimmungsumfrage auf 48 Prozent-Punkte für die Trinkwasser-Initiative und 49 Prozent-Punkte für die Pestizid-Initiative gesunken.

Und der Politologe Claude Longchamp extrapoliert in seinem Zoon Politicon-Blog schon eine Niederlage der beiden Initiativen mit 47 Prozent-Punkten für die Trinkwasser-Initiative und 46 Prozent-Punkten für die Pestizid-Initiative (so rechnet Claude Longchamp).

Trinkwasser-Initiative und Pestizid-Initiative hatten in den Umfragen im Vergleich zu anderen Volks-Initiativen der vergangenen Jahre schon von Anfang an geringe Sympathiewerte. Auch wenn die Initianten so selbstsicher auftraten, dass ihre Arroganz manchem Landwirt den Blutdruck in ungesunde Höhen trieb.

Je näher der 13. Juni 2021 rückt, desto mehr kippt das mögliche Ja zu einem wahrscheinlichen Nein. Denn erfahrungsgemäss wächst die Ablehnung von Volks-Initiativen, je näher der Abstimmungs-Termin rückt. Die Stimmbürger beurteilen anfänglich eher emotional das Problem – doch am Ende stimmen die pragmatischen Schweizer über die vorgeschlagenen Lösungen ab.

Als Journalist halte ich es mit dem Schriftsteller Mark Twain: «Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen!» Für einmal wage ich es aber doch: Die beiden Initiativen werden am 13. Juni 2021 abgelehnt. Knapp zwar, aber sie werden abgelehnt. Möglicherweise sogar «nur» mit dem Ständemehr, mit dem die Mehrheit der Stände (Kantone) eine Vorlage gegen das Volksmehr bachab schicken kann.

Man könnte daraus schliessen, dass die riskante Strategie von Bauernverbands-Präsident Markus Ritter – und vom Bundesrat – aufgehen wird:

  • Kein Gegenvorschlag zu beiden Initiativen (Gegenentwurf des Parlamentes als Alternative zu den Initiativen)
  • Trinkwasser-Initiative und Pestizid-Initiative zusammen an die Urne bringen und
  • Beide Initiativen als «bedrohlich für den Bauernstand» taxieren

Ich glaube aber, dass die Initiativen aus einem anderen Grund bachab geschickt werden, und der liegt beim Schweizer Stimmbürger hinten rechts in der Hosentasche: Das Portemonnaie.

Selbst wenn gemäss den ersten Umfragen 54 bis 55 Prozent der Schweizer bereit waren, für eine Landwirtschaft ohne Pflanzenschutzmittel mehr zu bezahlen – wenn sie in der Migros oder im Coop in der Obst- und Gemüseabteilung stehen, sind es nur noch 11 Prozent. So hoch ist nämlich der Marktanteil der Bio-Verkäufe am Food-Markt. Und das 40 Jahre nach Gründung von Bio Suisse.

  • Natürlich wäre es wünschenswert, dass die Schweizer Landwirtschaft ruckzuck auf Pflanzenschutzmittel verzichtet und die Ernte trotzdem gleich gross bleibt.
  • Natürlich wäre es wünschenswert, dass Migros und Coop den Landwirten auch Obst und Gemüse abnehmen, das nicht so perfekt aussieht wie in der TV-Werbung.
  • Natürlich wäre es auch wünschenswert, dass die Konsumenten ein Käferli im Salat und ein Löchlein im Apfel akzeptieren.

Letztendlich entscheidet aber am Abstimmungs-Tag – genauso wie in der in der Obst- und Gemüseabteilung – das Portemonnaie und nicht der Wunschzettel.

Umso wichtiger ist es, dass nach dem 13. Juni 2021 alle Akteure der Schweizer Landwirtschaft gemeinsam einen realistischen Weg in die Zukunft festlegen. Der schon beschlossene «Absenkpfad Pestizide» ist der erste Schritt dazu.

Ein nächster Schritt sind faire Abnahmepreise für alle produzierenden Schweizer Landwirte. Und dann sollte der Schweizer Bauernverband SBV seine Strategie überdenken. Aber das ist eine andere Geschichte.