An der Frühjahrstagung der Schweizerischen Vereinigung für Tierwissenschaften SVT wurde über die Umweltwirkungen der Nutztiere diskutiert. Dabei standen insbesondere die Wiederkäuer im Fokus: Sie lassen mit ihren Ausscheidungen Methan in die Luft entweichen. Dieses Gas zählt zu den Treibhausgasen, das heisst, seine Anreicherung in der Atmosphäre trägt zur Erderwärmung bei.
Nutztiere haben folglich einen Einfluss auf das Klima. Teils wird die Kuh sogar als «Klima-Killer» bezeichnet. Doch stimmt das?
Was hat es mit CO2, Methan und Co. auf sich?
Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan und Lachgas sind sogenannte Treibhausgase. Sie sammeln sich in der Atmosphäre an und bilden eine Art «Deckel». Dieser behindert das Reflektieren der Sonneneinstrahlung zurück in den Weltraum. Folglich wird es auf der Erde, wie in einem Treibhaus, immer wärmer.
Alle diese Treibhausgase befinden sich in einem Kreislauf:
- Quellen stossen die Treibhausgase aus. Solche Quellen sind beispielsweise Autos, Verbrennungsanlagen - oder Kühe.
- Senken nehmen die Gase auf oder wandeln sie um. Damit werden CO2 oder Methan aus der Atmosphäre «entfernt». Als Senken gelten beispielsweise die Pflanzen, der Boden oder die Atmosphäre selbst, in der die Gase chemisch umgewandelt werden.
Eine Zahl, die oft zu lesen ist: Im Vergleich zu CO2 ist Methan 28-mal klimawirksamer (Weltklimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC). Frank Mitloehner, Professor an der University of California, Davis, kritisierte in seinem Vortrag an der SVT-Tagung diese Sichtweise: Methan verbleibe weniger lange in der Atmosphäre, als CO2, so Mitloehner.
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Nach 10 bis 12 Jahren ist die Methan-Konzentration in der Atmosphäre halbiert. Bei CO2 befinden sich nach 1000 Jahren noch 15 bis 40 % des ausgestossenen CO2 in der Atmosphäre.
Bei Methan kann der Kreislauf nach relativ kurzer Zeit wieder geschlossen werden. Anders beim CO2, das durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe freigesetzt wird. Die Bildung dieser fossilen Materialien dauerte Millionen von Jahren. Wir setzen das CO2 nun innerhalb weniger Jahrzehnte frei. Dies ist kein kurzer Kreislauf, sondern eine Einbahnstrasse vom Boden in die Atmosphäre.
Zusammenfassend kann man sagen: Methan ist über eine kurze Zeit sehr klimawirksam und schädlich, während CO2 über längere Zeit konstant das Klima erwärmt.
Was haben die Wiederkäuer damit zu tun?
In der Schweiz ist die Landwirtschaft für rund 15 % der ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich (Quelle: Bundesamt für Statistik). Davon stammen wiederum 80 % aus der Tierhaltung.
Wiederkäuer stehen dabei vermehrt in der Kritik. Schliesslich stammt der Grossteil der tierischen Emissionen von Rindern. Sie – respektive die Mikroorganismen in ihrem Pansen – produzieren während der Verdauung Methan, das dann in die Umwelt ausgestossen wird.
Womit wir wieder beim Kreislauf angelangt sind: Dieses Methan wird in der Atmosphäre zu CO2 umgewandelt, welches von Pflanzen wieder aufgenommen und zur Produktion von Biomasse verwendet werden kann.
Es gehe ihm nicht darum, die Kuh als völlig unproblematisch darzustellen, sagt Frank Mitloehner. Schliesslich lassen wachsende Tierbestände besonders in der dritten Welt die Methan-Konzentration in der Atmosphäre steigen, was definitiv nicht erwünscht ist. Der Kreislauf wird dadurch belastet. «Doch wenn wir die Kuh als Klima-Killer deklarieren, überschätzen wir ihr Erderwärmungspotenzial klar», sagt der Forscher und verweist erneut auf fossile CO2-Quellen.
Was wird in anderen Ländern gemacht?
Beispiel Kalifornien
In Kalifornien werden Landwirte aufgefordert, ihre riesigen Gülle-«Lagunen» abzudecken, damit das Methan nicht ungehindert entweichen kann. Das dabei gesammelte Biogas wird zu Treibstoff für Lastwagen verarbeitet.
Anfangs bestand die Gefahr, dass die Farmer nicht mitmachten, erzählt Mitloehner. Doch sie wurden vom Staat Kalifornien finanziell unterstützt – und setzten das Projekt um. Seit 2015 konnten die Methan-Emissionen der Milchwirtschaft in Kalifornien um 25 % reduziert werden. Obwohl die staatlichen Finanzierungen zur Methan-Reduktion in der Milchwirtschaft nur 3 % aller Investitionen ausmachen, bewirken sie 30 % der gesamten Methan-Reuktionen in Kalifornien.
Das Potential zur Abdeckung der Gülle wurde in der Schweiz ebenfalls erkannt und wird aktuell umgesetzt (siehe weiter unten).
Beispiel «resiliente Kuh»
Christine Baes, Professorin an der kanadischen Universität Guelph, präsentierte ein anderes aktuelles Projekt: In einem riesigen, 1 Kilometer langen, kanadischen Forschungsstall werden Daten von Milchkühen erhoben: Futterverzehr, Gesundheit, Fruchtbarkeit, Methan-Ausstoss. Das ganze Tier wird vermessen.
Zusätzlich kennen die Forschenden die genetischen Informationen der Tiere. Das Ziel ist die Entwicklung einer genetischen Bewertung für Resilienz, also für die Anpassungsfähigkeit der Rinder.
Das Projekt wird international unterstützt. Aus der Schweiz arbeitet die Qualitas AG mit. Die Qualitas ist ein Informatikunternehmen aus Zug, das sich auf quantitative Genetik für Schweizer Zuchtorganisationen spezialisiert hat.
Zusammen mit den internationalen Daten steigt die Zahl der Kühe, deren Daten im Projekt ausgewertet werden, auf rund 14'000.
Die gesammelte Datenmenge ist riesig, die Auswertung schwierig. Es steckt viel Information in diesen Daten. Mit deren Hilfe kann statistisch ausgewertet werden, welches Tier das Futter effizient verwertet, selten krank, dafür umso fruchtbarer ist und möglichst kein Methan ausstösst. «Wir suchen quasi die eierlegende Wollmilchsau», scherzt Christine Baes.
Bei einer solchen Daten-Menge kann leicht etwas übersehen werden. Ob und wie künftig auf eine resiliente Kuh gezüchtet werden kann, wird sich zeigen.
Was macht die Schweiz?
Daniel Bretscher von der Agroscope zeigte in seinem Vortrag Reduktionspotenziale bei Treibhausgas-Emissionen für die Schweiz auf.
- Einen grossen Hebel sieht Bretscher bei der Ernährung: «Würde sich die Schweiz nach der Lebensmittelpyramide (der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, Anm. d. Red.) ernähren, würde die Anzahl Rinder auf knapp 60 % des heutigen Bestands sinken. Die Anzahl Schweine würde sogar etwas steigen, während der Geflügelbestand halbiert würde», erklärt Bretscher. (Quelle: Studie von Zimmermann und Kollegen, 2017)
- Weiter sollte die Verschwendung von Nahrungsmitteln reduziert werden. Eine Vermeidung solchen Food Wastes kann eine Reduktion der Umwelteinflüsse durch die Ernährung um über 50 % senken. (Quelle: Studie von Zimmermann und Kollegen, 2017)
- Auf der Seite der Produktion können verschiedene Massnahmen ergriffen werden. Bei der Güllelagerung wurde einiges umgesetzt: Seit anfangs 2022 müssen neu gebaute Güllelager abgedeckt sein. Bis 2030 müssen bestehende Behälter einen Deckel haben.
- Im Kanton Luzern steht die erste Anlage der Schweiz zur Ansäuerung von Gülle mit Schwefelsäure. Der Betrieb hat einen Mastschweinestall gekoppelt mit Milchviehgülle. Der tiefere pH in der Gülle führt dazu, dass weniger Ammoniak in die Luft entweicht.
- Mit stallbaulichen Massnahmen – erhöhter Stehplatz am Futtertisch, Stallgang mit Neigung zur Harnrinne, etc. – können weitere Reduktionen erfolgen.
- Durch die Fütterung kann die Stickstoff-Effizienz verbessert werden. Gewisse Futterzusätze können ausserdem die Methan-Produktion reduzieren. Daran wurde und wird laufend geforscht.
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Was ist das Fazit?
Es ist unbestritten, dass gegen die Klimaerwärmung etwas unternommen werden muss. Vieles wird schon umgesetzt. Diese vielen kleinen Schritte sind etwas frustrierend, da nicht auf einen Schlag eine grosse Wirkung erzielt werden kann. Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht, weshalb genau diese kleinen Stücke wichtig sind.
Zu einem dieser Schritte können die Rinder beitragen. Sie alleine killen das Klima nicht und die Reduktion der Rinder alleine wird deshalb das Klima auch nicht retten. Doch eine Reduktion ihrer Methan-Emissionen ist ein Ziel, das einen Beitrag leisten kann und daher weiter verfolgt werden sollte – von KonsumentInnen wie von ProduzentInnen.
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