Die Schweizer Landwirtschaft, die Bauernfamilien und natürlich die Tiere liegen mir am Herzen. Voraussetzung dafür, dass es allen gut gehen kann, sind faire Preise für die Produkte.

Mehr Preisdruck und unfaire Handelspraktiken führen zu Stress und Intensivierung der Produktion, worunter alle leiden: Umwelt, Tiere und die Bauernfamilien.

Diese Problematik sieht man in der Milchproduktion mit ihren Richtpreisen, Verkäsungszulagen, Importgesuchen und dem Zweitmilchmarkt (Verkauf der Milch über eine Produzentenorganisation oder einen Milchring). Ein kompliziertes Räderwerk, bei dem eines zum andern führt – das aber kaum jemand versteht.

Dabei wäre es ganz einfach: Es braucht nur faire Preise für eine tiergerechte Produktion, die Verbände der Milchproduzenten setzen sich gegenüber der verarbeitenden Industrie für die Bauern ein und die Politik schafft sinnvolle Rahmenbedingungen.

Die Schweizer Milchproduzenten brauchen sinnvolle Rahmenbedingungen

Für sinnvolle Rahmenbedingungen sollte man im Räderwerk an diesen zwei Schrauben drehen:

  1. Die Bedingungen für die Bewilligung von Butterimporten so ändern, dass bei Verfügbarkeit von Butter im Inland kein Butterimport mehr bewilligt wird, solange der Milchpreis in der Schweiz nicht die Produktionskosten deckt.
  2. Die Bedingungen für die Vergabe der Verkäsungszulage so ändern, dass Käsereien, die ein Importgesuch für Milch für den Veredelungsverkehr stellen, keinen Anspruch mehr auf die Verkäsungszulage haben.

Damit könnte verhindert werden, dass Käsereien bei Kaufverhandlungen damit drohen können, Importmilch für die Käseproduktion gegenüber Schweizer Milch zu bevorzugen. Das so mögliche Preisdumping führt zu einem unfairen Wettbewerb zwischen Schweizer Milch und Import-Milch – und erhöht so den Preisdruck auf Schweizer Milch.

Zudem kommen die Erträge ausschliesslich der Weiterverarbeitungs-Branche und Verteilungs-Branche zu. Das verstärkt den Strukturwandel, in dem immer weniger Bauern immer grössere Mengen produzieren müssen – oder aufgeben.

Das sind jedoch nur kleine Schrauben im ganzen Räderwerk, das in seiner Gesamtheit problematisch ist. Es herrscht ein Machtgefälle zwischen Verarbeitung und Produzenten, die von den Verarbeitern abhängig sind. Die Frage ist:

  • Warum tritt das Machtgefälle zwischen Milchproduzenten und Verarbeitung im Milchsegment so deutlich zu Tage?
  • Was läuft schief in der Organisation der Milchproduzenten?

Vor 100 Jahren wurde der Schweizer Milchmarkt «erfunden»

DossierProduktion und VerarbeitungMilchmarkt SchweizDienstag, 21. Februar 2023 Um dies zu verstehen, muss man die Geschichte der Schweizer Milchproduktion kennen. Wir springen über 100 Jahre zurück, als die Viehwirtschaft in der Schweiz primär dazu diente, Dünger für die Verbesserung der Ackerböden zu produzieren.

Die dabei anfallende Milch wurde zu länger haltbarer Butter und Käse verarbeitet, wodurch im Flachland erste Käsereien entstanden. Diese Tal-Käsereien waren die ersten Milchverarbeiter im grösseren Stil, die auch vermehrt Käse ins Ausland exportierten.

So bildete sich von 1847 bis 1885 die «Kernzone der Milchwirtschaft» aus, die sich 1914 vom Greyerzerland FR bis nach Cham ZG erstreckte. In diesem «Milchgürtel» siedelte sich auch die neue Milchindustrie an.

Jetzt ging es nicht mehr nur darum, Milch und Käse für die hiesige Bevölkerung zu produzieren. Stattdessen mussten die Bauernfamilien grosse Milchmengen für die ersten Grossverarbeiter liefern, die ihre Anlagen auslasten wollten und zunehmend auch für den Export produzierten.

Mit Milch-Importen können die Verarbeiter den Preis für die Bauern drücken

Hier lohnt sich ein Blick in die Gegenwart: Auch heute noch werden von den Verarbeitern immer wieder Milch- und Butter-Importgesuche gestellt (und leider oft auch bewilligt), obwohl der Milchpreis im Inland nicht kostendeckend ist und im Inland genügend Milch vorhanden wäre.

Auch heute geht es nicht um die Produktion für die Bevölkerung oder die Sicherstellung der Selbstversorgung, wie gern betont wird, sondern darum, mit der durch die Importe hohen Milchmenge den Preis für die Bauern drücken zu können.

Zurück ins frühe 20. Jahrhundert. Die Milch verarbeitende Industrie versuchte, sämtliche Milch aus der Umgebung an sich zu ziehen, wodurch die Milchfabriken eine regionale Monopolstellung erhielten, die zu einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Milchfabrik und Bauernfamilien führte.

Dieses Abhängigkeitsverhältnis, das wir heute noch beklagen, führte 1913 zum «Milchkrieg» um einen gerechten Milchpreis zwischen Nestlé und Anglo-Swiss Condensed Milk Company einerseits und den Milchbauern in Cham andererseits. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich im 2. Teil erzähle.