Die Milchwirtschaft ist mit 20 Prozent Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtproduktion der wichtigste Sektor der Schweizer Landwirtschaft. Von 1950 bis 2021 ist die Zahl der Schweizer Milchproduzenten aber von 137‘380 auf 17‘925 Landwirtschaftsbetriebe regelrecht abgestürzt. Alleine seit dem Jahr 2000 haben über 20‘000 Landwirte die Milchproduktion aufgegeben. Und dieser Rückgang setzt sich fort.
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«Wenn noch mehr junge Landwirte aus der Milchproduktion aussteigen, wird die Schweiz bald nicht mehr genügend einheimische Milch haben», erklärte Stefan Kohler, Geschäftsführer der BO Milch, an der Delegiertenversammlung 2023 der Branchenorganisation.
Für diesen alarmierenden Rückgang sind gemäss dem Geschäftsführer der BO Milch zwei Gründe verantwortlich:
- Die wechselnden Signale der Politik an die Landwirtschaft
- Die einschränkenden Vorschriften des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW
Die Delegierten der BO Milch
An der Delegiertenversammlung 2023 der BO Milch (auch BOM genannt) nahmen je 42 Vertreter der beiden Interessengruppen teil:
– Produktion: Von der Aaremilch über mooh bis zur ZMP
– Verarbeiter und Handel: Von Coop über Emmi und Hochdorf bis Züger Frischkäse
Die sinkende Zahl der Milchproduzenten steht im Gegensatz zur steigenden Nachfrage
Es ist ein Paradoxon, dass immer mehr Schweizer Landwirte die Milchproduktion aufgeben, weil sie nicht mehr rentiert – gleichzeitig aber die Nachfrage nach Schweizer Milch immer mehr steigt und 2022 «der Milchpreis zeitweise fast durch die Decke ging».
«Die Schweizer Milchproduzenten und Milchverarbeiter werden sicher so schnell nicht mehr so ein gutes Jahr wie 2022 erleben», erklärte Stefan Kohler an der Delegiertenversammlung der Branchenorganisation. Deshalb wurde wie in den drei Vorjahren auch 2022 keine C-Milch eingekauft (als sogenanntes Regulierprodukt oder Abräumprodukt). «Dieses Instrument brauchen wir nicht mehr.»
Die Entwicklung des Milchpreises in der Schweiz und in der EU verläuft seit zehn Jahren weitgehend parallel. «Die BO Milch dämpft aber extreme Ausschläge nach oben und nach unten ab», betont Stefan Kohler. «Die Segmentierung sorgte zusammen mit dem manchmal etwas träge empfundenen Richtpreissystem für stabile und geordnete Verhältnisse», ordnete BO Milch-Präsident Peter Hegglin ein. «Während die internationalen Preise für Milch und Milchgrundstoffe Rekordpreise erzielten, stiegen die Preise hierzulande moderater.»
Deshalb stürzen die Milchpreise jetzt in der Schweiz auch nicht so rasant ab wie in der EU. Eine wenn auch moderate Preissenkung steht den Milchproduzenten aber trotzdem noch bevor: 1,5 Rappen pro Kilo Milch weniger auf dem B-Richtpreis. Das bedeutet, dass dieser neu bei 55,9 Rappen liegen wird.
Der Präsident der Branchenorganisation bestätigte auch, was Beobachtern 2022 aufgefallen war: «Die BO Milch hat sich stärker in die agrarpolitische Diskussion eingeschaltet. Unsere Meinung wurde gehört zu Budgetfragen, zu Nachhaltigkeitsthemen inklusive der Klimapolitik oder zu Systemfragen bei der Verkäsungszulage», erklärte Peter Hegglin und ergänzte: «Dies wollen wir in Zukunft vermehrt tun.»
Bei der Schweizer Butter ist die Situation alles andere als in Butter
Ein anderes Thema, das die BO Milch 2022 beschäftigte, waren die bei den Landwirten ungeliebten Butter-Importe. 2022 wurden insgesamt 6000 Tonnen Butter importiert.
Die Butter-Importe in grossen Mengen begannen im Frühjahr 2020, als in den Schweizer Tiefkühllagern überhaupt keine Butter mehr zu finden war. Während der Covid-Pandemie mussten viele Schweizer zu Hause bleiben und konsumierten dort mehr Butter.
Gleichzeitig ging die einheimische Butterproduktion aus drei Gründen zurück:
- Die Nachfrage nach Schweizer Käse ist auch wegen der Covid-Pandemie gestiegen, es blieb zu wenig Milch für die Butterherstellung
- Die Milcheinlieferungen sind gesunken
- Die eingelieferte Milch hatte tiefere Gehalte und damit auch weniger Milchfett für die Butterproduktion
In den Jahren 2020, 2021, 2022 (und jetzt auch für 2023) reichte die Branchenorganisation BO Milch deshalb beim BLW jeweils einen Antrag auf Erhöhung des Zollkontingents ein. Die zusätzliche Kontingents-Menge wird wie üblich versteigert.
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Die BO Milch will auf dem Grünen Teppich einen Schritt weiter gehen
Nach dem Problemfall Butter widmete sich die Delegiertenversammlung der Erfolgsgeschiche des «Grünen Teppichs» – der genau genommen nur eine halbe Erfolgsgeschichte ist: Mit der flächendeckenden Einführung der IP-Suisse-Wiesenmilch (110 Millionen Kilo Wiesenmilch) im Sommer 2021 machte die Migros dem «Grünen Teppich» starke Konkurrenz.
Ende 2022 waren aber doch schon 70 Prozent der Gesamtmilchmenge auf dem «Grünen Teppich». Und das Ziel der BO Milch ist klar: Der «Grüne Teppich wird flächendeckend, unser Branchenstandard ist für alle erfüllbar», betont Stefan Kohler. Dies gelte sowieso für die IP-Suisse Wiesenmilch, die Bio Suisse Knospen-Milch und adäquate Label.
Als die Branche 2019 die «Charta für die Schweizer Milch» beschloss, legte sie fest, dass der Branchenstandard Nachhaltige Schweizer Milch BNSM «aufgrund der Bedürfnisse der Konsumenten und der Gesellschaft stets weiter entwickelt werden muss».
Die BO Milch wollte eigentlich an dieser Delegiertenversammlung 2023 einen nächsten Schritt auf dem «Grünen Teppich» beschliessen, der den Klimaschutz berücksichtigt. Der Vorstand konnte sich aber nicht auf einen Antrag einigen, der genug Substanz hat. Der Vorstand wird nun bis Ende 2023 nach Lösungen suchen, die an der DV 2024 beschlossen und ab 2025 eingeführt werden können.
Je grösser der «Grüne Teppich», desto mehr «Swissmilk Green»-Produkte
2022 wurden in der Schweiz 205 Millionen Stück Milchprodukte (2021: 143 Millionen) als «Swissmilk Green»-Milchprodukte ausgezeichnet, vor allem Joghurt, Rahm und Konsummilch.
Die grösste Steigerung gab es bei der Butter. Mit dem Entscheid der BO Butter, «Floralp» und «Die Butter» ab Herbst 2021 flächendeckend auszuzeichnen, ist die Zahl der «swissmilk
green»-Konsumeinheiten in dieser Produktgruppe auf 50 Millionen Stück (2021: 12 Millionen) gewachsen.
Dass «Floralp» und «Die Butter» nun das Kennzeichen «swissmilk green» tragen, hat grossen Einfluss auf die Milchproduktions-Betriebe, die ihre Milch aus Silage-freier Fütterung abliefern müssen, um daraus Sortenkäse zu produzieren.