Kurz & bündig
- Was bei Ferkeln selbstverständlich ist, gilt auch für Kälber:Eisen ist essenziell für Wachstum und Konstitution.
- Mit Vollmilch allein ist der Eisenbedarf von Kälbern nicht annähernd gedeckt.
- Kälber-Booster enthalten alles, was in der Vollmilch fehlt.
- Etliche Schweizer Betriebe könnten ihre Kälberaufzucht hinsichtlich Eisenversorgung noch verbessern.
Bei neugeborenen Ferkeln ist es eine selbstverständliche Routine: angesichts einer sehr niedrigen Eisenkonzentration in der Muttermilch und der Bedeutung von Eisen für zügiges Wachstum und eine gute Konstitution bekommen sie in den ersten Lebenstagen eine Eiseninjektion oder Eisenpaste in das Maul.
Doch gilt der Zusammenhang zwischen Wachstum und Eisenversorgung auch bei Kälbern? Selbstverständlich! Denn wo Körpergewebe wächst, wird Sauerstoff benötigt. Für den Transport von Sauerstoff über den Blutkreislauf ist der Blutfarbstoff Hämoglobin notwendig. Und Hämoglobin enthält Eisen. Darum ist Eisen für alle Tiere mit einem Blutkreislauf, also alle Wirbeltiere, insbesondere während der Wachstumsphase von grosser Bedeutung.
Anders als bei Ferkeln wird Kälbern längst nicht so konsequent Eisen verabreicht. Und das, obwohl Kälber täglich möglichst 1000 g zunehmen sollen und Kuhmilch mit 0,4 mg Eisen je Liter sogar noch weniger Eisen enthält als Sauenmilch. Hinzu kommt, dass die Eisenversorgung von neugeborenen Kälbern unabhängig von der Eisenversorgung des Muttertieres ist, so dass die vermehrte Verabreichung in der Galtperiode nicht zu höheren Eisenmengen im ungeborenen Kalb führt.Das ist ein wichtiger Unterschied zum Selen, bei dem die vermehrte Aufnahme über das Mineralfutter sehr wohl den Status des Kalbes verbessert.
Entsprechend entwickelt ein Grossteil der Kälber, die ausschliesslich mit Vollmilch getränkt werden, ohne zusätzliche Zufuhr von Eisen früher oder später eine Blutarmut (Anämie).
Bei Kälbern mit Eisenmangel fallen Appetitlosigkeit und blasse Schleimhäute auf; die Zunahmen sind vermindert und die Tiere sind anfälliger gegenüber Infektionskrankheiten.
Vollmilch enthält zu wenig Eisen für den täglichen Bedarf
Ein Kalb, das täglich zirka 10 l Vollmilch säuft, nimmt damit nur 4 mg Eisen über die Milch auf – viel zu wenig angesichts eines täglichen Bedarfs von 50 bis 100 mg Eisen. Unter natürlichen Bedingungen könnten ältere Kälber Eisen über Raufutter und Erde aufnehmen, die bis 20 000 mg Eisen je Kilogramm enthält. Das ist aber sehr jungen Aufzucht- und Milchmastkälber ohne Zugang zu Weideflächen nicht möglich.
Auch weitere für die Entwicklung des Kalbes wichtige Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente sind kaum in Vollmilch enthalten. Das gilt für Kupfer, Selen und Mangan ebenso, wie für Calcium und Magnesium sowie Vitamin D und E. Vollmilch allein ist also nicht – wie man vielleicht annehmen könnte – ein perfektes Futtermittel für Kälber, die sich zügig entwickeln und schnell wachsen sollen! Darum sollte sich der Landwirt stets um die adäquate Eisenversorgung seiner Kälber kümmern. Am besten tut er dies bereits wenige Stunden nach der ersten Kolostrumgabe mit der Gabe eines Kälber-Boosters.
Kälber-Booster haben nichts mit einer Impfung zu tun und enthalten auch keine Antikörper. Sie liefern lediglich das, was in Vollmilch fehlt plus – je nach Präparat – auch noch gesundheitsfördernde Pflanzenextrakte und «gute Käfer» (Probiotika).
Letztere sind zum Beispiel Milchsäurebakterien, die für eine Besiedlung des Darms mit gesundheitsfördernden Bakterien sorgen und damit die Vermehrung von Infektionserregern verhindern. Kälber-Booster werden meist mittels Injektor oder Kartusche direkt ins Maul gespritzt.
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Es gibt auf dem Markt eine Fülle von Kälber-Boostern unterschiedlicher Futtermittelhersteller. Die Menge enthaltener Spurenelemente variiert teilweise stark und wir empfehlen Landwirten, sich vor dem Entscheid für ein Präparat mit der Bestandestierärztin abzusprechen.
Eine Eiseninjektion erhöht die Konzentration im Blut direkt
Das für das Wachstum wichtige Eisen kann auch durch eine Injektion verabreicht werden. Der Vorteil ist, dass so die Eisenkonzentration im Blut direkt erhöht wird, während das Eisen bei Eingabe ins Maul erst noch aus dem Darm in das Blut aufgenommen werden muss.
Die Verabreichung von Eisen mittels Injektion hat sich als sehr effektiv erwiesen. Bei einem sehr geringen Anteil der Kälber (vermutlich etwa 0,1 bis 0,5 Prozent), denen Eisen mittels Spritze verabreicht wird, tritt jedoch innerhalb weniger Minuten nach der Injektion ein sog. «Eisen-Schock» auf.
Werden diese Kälber nicht sofort behandelt, können sie sterben. Darum bevorzugen viele LandwirtInnen Präparate, die in das Maul eingegeben werden.
Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz eines Vollmilchaufwerters, der täglich in die Milch eingerührt wird. Wegen des höheren Arbeitsaufwandes sind diese unter LandwirtInnen allerdings weniger beliebt.
Nun könnte man meinen, dass Milchaustauscher Vollmilch vorzuziehen wäre – denn dieser deckt den Eisenbedarf von Kälbern aufgrund des gezielten Zusatzes von Spurenelementen sehr gut.
Wegen der höheren Energiemenge (höherer Fettanteil) und den für das Kalb wichtigen, natürlichen Wachstumsfaktoren in Vollmilch ist diese in den ersten Lebenswochen für das Kalb jedoch durchaus zu empfehlen.
Umfrage zur Eisenversorgung bei Kälbern in der Schweiz
Angesichts der Bedeutung von Eisen für die Kälbergesundheit wollte der Schweizer Kälbergesundheitsdienst herausfinden, wie die Versorgung neugeborener Kälber mit Eisen in der Schweiz ist.
Dazu haben wir im Dezember 2021 eine Umfrage unter Schweizer Milchvieh- und Mutterkuh-Betrieben lanciert. Teilgenommen haben insgesamt 213 Landwirtinnen und Landwirte aus der Welsch- und Deutschschweiz. Darunter 166 Milchvieh- und 47 Mutterkuh-Betriebe. Neben allgemeinen Betriebs- und Managementangaben wollten wir wissen:
- Wie steht es um die Gesundheit der Kälber während der Tränkeperiode (subjektive Zufriedenheit der LandwirtInnen, Erkrankungsrate an Durchfall und Kälbergrippe)?
- Wird ein Kälber-Booster verabreicht?
- Oder erfolgt routinemässig eine Injektion mit Eisen, Selen oder beidem?
Von den teilnehmenden Milchvieh-Betrieben verabreichten 62 % routinemässig einen Kälber-Booster. Auf 22 % der Betriebe erhielten Kälber eine Eiseninjektion und auf 42 % eine Seleninjektion. Auf den Mutterkuh-Betrieben gaben 51 % der Betriebe den Kälber-Booster und 13 % die Eiseninjektion. Die Injektion von Selen war auf 43 % aller Mutterkuh-Betriebe Routine und damit ähnlich verbreitet wie auf Milchvieh-Betrieben.
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Ein Grossteil der Milchvieh-Betriebe als auch Mutterkuh-Betriebe mit wenig Durchfallproblemen bei neugeborenen Kälbern (< 30 % aller Kälber erkrankten an Durchfall), verabreichte routinemässig einen Kälber-Booster.
Betriebe mit gehäuften Kälberdurchfällen (> 30 % aller Kälber mit Durchfall) verabreichten seltener Kälber-Booster oder Eisen und Selen mittels Injektion.
Eisen- und Selen-Gaben sind ein Teil des Puzzles
Die Umfrage zeigt uns, dass die routinemässige Gabe von Eisen und Selen in der Schweiz zwar verbreitet ist, es aber noch etliche Betriebe gibt, die ihre Kälberaufzucht diesbezüglich noch verbessern können. Sie zeigt uns auch, dass die Gabe von Eisen oder Selen allein keine Garantie für gesunde Kälber ist.
Wäre die Kälbergesundheit ein Jenga-Turm (hölzernes Geschicklichkeitsspiel) und die Gabe von Selen und Eisen ein Hölzchen, so stürzte der Turm nicht gezwungenermassen ein, würde man dieses herausziehen.
Wenn aber noch andere benachbarte Hölzchen fehlten, so könnte genau dieses Hölzchen das Tragende sein.
So verhält es sich mit allen Risikofaktoren für die Kälbergesundheit und die Aufgabe der Landwirtin ist es darum, möglichst viele davon zu eliminieren.