Kurz & bündig
- 2023 kann dank dem warmem Herbst 2022 bei einigen Kulturen je nach Entwicklung etwas Dünger eingespart werden.
- Gerste nicht zu früh und etwas moderater andüngen. Vielleicht sogar Weizen vor Gerste düngen.
- Wenn der Raps wenig Blattverlust erlitten hat und gesund aussieht, früher und etwas weniger düngen.
- Wenn noch viele alte, kranke Blätter vorhanden sind, mit Düngen zuwarten und dafür die Düngermenge erhöhen.
Der Herbst 2022 bot milde Temperaturen und daher beste Wachstumsbedingungen für Winterkulturen. Dadurch sind gerade Winterraps- und Wintergersten-Bestände teilweise üppig gewachsen. Je nach Saatzeitpunkt sind auch dichte Winterweizen-Bestände zu beobachten.
Da die Kulturen dicht eingewintert sind, sieht man gerade bei Gersten- und Raps-Parzellen häufig vergilbte Pflanzen. «Optisch verlockt dies zu einer frühen und starken Düngung. Man meint, die Pflanzen hätten Hunger», erklärt Martin Bertschi, Bereichsleiter Pflanzenbau und Agrartechnik am Strickhof.
Doch: Jetzt nur nichts überstürzen. Der milde Herbst erfordert teilweise eine Anpassung der ersten Düngergabe von Gerste und Raps. Damit könnte vielleicht sogar etwas Dünger eingespart werden.
Es lohnt sich, mit der ersten Düngung abzuwarten
Die Wintergerste hat im Herbst noch stark bestockt. Daher haben die einzelnen Triebe weniger Nährstoffe zur Verfügung und vergilben.
Für Martin Bertschi ist es wichtig, dass man bei dichten, weit entwickelten Gerste- und Raps-Beständen nicht meine, man müsse möglichst früh und möglichst viel düngen. «Nach dem Winter haben die Bestände Stickstoffmangel. Aber die Reaktion sollte nicht sein: Ich muss jetzt sofort und viel füttern», erklärt Martin Bertschi.
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Denn die dichten Bestände enthalten viel Blattmasse, was das Risiko von Erkrankungen erhöhen kann. Deshalb sollte man mit der ersten Düngergabe etwas zuwarten, um überschüssige Seitentriebe und alte kranke Blätter reduzieren zu lassen. Somit kann der Bestand natürlich gesunden.
«Ich denke, dieses Jahr hat man die Chance, den optimalen Zeitpunkt abzuwarten, wenn die Bedingungen fürs Reinfahren gut sind. Man muss nicht pressieren und um jeden Preis so früh wie möglich düngen», meint Serge Braun, Berater im Bereich Boden und Düngung am Strickhof.
Gerste nach Weizen düngen und 20 bis 30 kg sparen
Martin Bertschi empfiehlt, bei guten Bedingungen besser zuerst den Weizen anzudüngen und erst später die Gerste. Somit werden die überschüssigen Seitentriebe reduziert. Dazu ein kleines Rechenbeispiel:
«In der Annahme, man habe 250 Körner pro m2 gesät und jede Pflanze bildete neun Seitentriebe aus, man möchte am Schluss aber um die 600 ährentragende Halme. Dann dürfen pro Pflanze nur zwei bis drei Triebe nachkommen. Je früher die Triebe reduziert werden, desto früher kann die Pflanze Nährstoffe aufnehmen und in die zu erhaltenden Triebe investieren. Denn die Haupttriebe enthalten mehr Potenzial für maximalen Ertrag», erklärt Martin Bertschi. Bei zu früher Andüngung kann die Triebreduktion gebremst werden.
Ausserdem kann bei stark bestockter Gerste dieses Jahr bei der ersten Gabe 20 bis 30 kg Dünger pro Hektare eingespart werden. Denn die Gerste ist vielerorts bereits weit entwickelt.
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Je nach Situation empfiehlt es sich, die bei der ersten Gabe eingesparte Düngermenge für die zweite Gabe einzusetzen. Beim Getreide kann mit der zweiten Gabe besser reagiert werden. Wenn die Bodentemperaturen und mit ihr die Bodenaktivität steigen, könnte es sein, dass bis zur zweiten Gabe viele Nährstoffe aus dem Boden mineralisiert und verfügbar werden. Sofern das der Fall sein sollte, könnte für die zweite Gabe die normale Düngermenge gegeben werden und damit insgesamt Dünger eingespart werden. Bei den aktuellen Düngerpreisen ist das nicht uninteressant.
Falls nicht, hat man noch Budget aus der Einsparung der ersten Gabe, welches man bei der zweiten noch draufschlagen könnte.
Sollte bei Getreide auf die Bestockungsgabe verzichtet werden?
«Nicht unbedingt. Aber je nach Bestandesentwicklung könnte man anstelle der 3-Gaben-Strategie die 2-Gaben-Strategie anwenden. Somit könnte man nicht nur Dünger, sondern auch noch eine Überfahrt sparen», erklärt Martin Bertschi.
Bei üppigen Getreidebeständen, wie das dieses Jahr bei der Gerste häufig der Fall ist, würde sich eine 2-Gaben-Strategie anbieten. Anstelle der Bestockungsgabe könnte man die Schossengabe etwas vorziehen. Man würde dann eine etwas grössere Düngermenge als bei der Bestockungsgabe geben. Aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, so gegen Ende der Bestockungsphase düngen.
Somit können sich üppige Bestände selbst reduzieren. Alte, vergilbte und vielleicht bereits erkrankte Blätter werden abgeworfen, bis die erste Gabe erfolgt. Die zweite Gabe könnte dann gegen Ende der Schossenphase als Abschlussdüngung gedüngt werden.
«Lieber die Neubildung von Blättern fördern, als alte, kranke Blätter düngen.»
Serge Braun, Strickhof
Schwache Bestände gut andüngen
Im Gegensatz zu den üppigen Beständen sollte schwache Getreidebestände grosszügig angedüngt werden. Teilweise ist das beim Weizen der Fall, welcher noch nach Zuckerrüben gesät worden ist, als der Kälteeinbruch kam.
«Da die Böden zu Vegetationsbeginn noch kalt sind, läuft die Mineralisierung langsam ab und es wird darum wenig pflanzenverfügbarer Stickstoff nachgeliefert», erklärt Martin Bertschi. Deshalb ist es wichtig, schnell verfügbaren Stickstoff in Nitratform zu düngen, für eine gute Regeneration nach dem Winter. Die Pflanze kann später im Schossen von den Nährstoffen aus dem Boden profitieren. Denn die Mineralisierung nimmt sofort zu mit höherer Bodentemperatur.
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Daher ist eine erste Düngergabe in Form von Gülle aus pflanzlicher Sicht nicht besonders geeignet. Ausserdem ist die Befahrbarkeit häufig schlechter zum Zeitpunkt der ersten Düngergabe. Falls die Gülle aufgrund mangelnder Lagerkapazität nicht aufgespart oder auf Grünland ausgebracht werden kann, sollte diese am ehesten auf Gerste ausgebracht werden.
Raps: Je nach Zustand Düngungsstrategie anpassen
Im Vergleich zum Getreide kann beim Raps bei der ersten Düngergabe den grössten Strategiewechsel machen. Entscheidend ist dabei weniger, wie der Raps eingewintert ist, sondern vielmehr, wie er den Winter überlebt hat.
Wenn beim Raps im Frühjahr um die zwölf Blätter zählt, handelt es sich um eine solide Pflanze. Sofern der Blattverlust gering ist und der Raps gesund aussieht, dann kann mengenmässig 20 % weniger und zeitpunktmässig etwas früher gedüngt werden. Somit wird die gesunde Pflanze gestärkt und kann sich vom Winter regenerieren.
An kalten Standorten ohne oder mit wenig Schnee hat der Raps eher viel Blattmasse verloren. Oder ältere Blätter sind vielleicht bereits krank. Hier lohnt es sich, mit der ersten Gabe etwas abzuwarten, bis die untersten dürren Blätter abgefallen sind. Somit soll später aber dafür mengenmässig 20 % mehr gedüngt werden, um die Regeneration voranzutreiben.
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«Lieber die Neubildung von Blättern fördern, anstatt alte, kranke Blätter zu düngen, damit diese noch kommen», empfiehlt Serge Braun.
Beim gesunden Raps kann je nach Mineralisationsschub aus dem Boden vielleicht sogar etwas Dünger eingespart werden. Oder der eingesparte Dünger wird wie bei der Gerste für die zweite Gabe aufgespart.
«Teilweise wurden streifenweise vergilbte Stellen beobachtet wegen mangelnder Strohrotte», erklärt Martin Bertschi. Gerade an Standorten, bei welchen von der Vorkultur viel Stroh liegengeblieben ist. Grund dafür könnte sein, dass durch den letzjährig trockenen Sommer verminderte Bodenaktivität und somit ungenügende Strohrotte herrschte.
Späte Verrottung durch warmen Herbst?
Durch die zunehmend feuchtere Witterung und die warmen Temperaturen im Herbst fand möglicherweise eine spätere Verrottung statt. Das hat Stickstoff gezehrt für den Mikrobenaufbau, welcher dann den Pflanzen fehlte, was sich an den streifenweise vergilbten Stellen zeigt.
Wann die Nährstoffe aus den Ernteresten frei werden, kann noch nicht gesagt werden. Aber es kann die Menge der zweiten Düngergabe beeinflussen, wenn im Frühling eine Spätmineralisierung stattfindet.
Wann ist der optimale Düngezeitpunkt?
Grundsätzlich ist aus pflanzenbaulicher Sicht eine Düngergabe während der Vegetationsruhe nicht sinnvoll. Aus klimatologischer Sicht ist die Vegetationsruhe folgendermassen definiert:
Vegetationsruhe ist der Zeitraum, während dem die Temperatur im Tagesmittel unter fünf Grad liegt. Während dieser Zeit besteht bei den Pflanzen kein Nährstoffbedarf. Die Vegetationsruhe gilt als unterbrochen, wenn während mindestens sieben aufeinanderfolgenden Tagen die Tagesmitteltemperatur mehr als fünf Grad beträgt.
Die Vegetationsruhe ist aber je nach Kanton anders definiert. Einige Kantone legen diese als fixes Datum fest, andere orientieren sich an den hier beschriebenen klimatologischenGegebenheiten.
Grundsätzlich liegt aber die Verantwortung der vorschriftsgemässen Düngung bei den LandwirtInnen.
Als Entscheidungshilfe dient das Strickhof-Merkblatt zum Ausbringen von Gülle und Mist im Winter.