Biodiversitätsförderflächen BFF werden extensiv bewirtschaftet, um den Fortbestand möglichst zahlreicher und artenreicher Flora und Fauna unterstützen. Die darauf wachsenden Ökowiesen sind relativ nährstoffarm. Das Gras wächst daher nur lückig und bietet damit genug Raum für Blumen und Wiesenkräuter. Eine Vielzahl von Insekten kann davon profitieren. Denn die Blüten bieten einen Platz für deren Eiablage oder dienen als Nahrung.

«Um die Artenvielfalt zu erhalten, sollen die Wiesenblumen versamen können. Es muss also gewartet werden, damit die Samen Zeit haben um nach dem Mähen und vor der Ernte nachzureifen» erklärt Hans Ramseier, Professor für Pflanzenschutz und ökologischen Ausgleich an der Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL.

Kurz & bündig

- Ökowiesen tragen zum Artenerhalt und zur Diversifizierung der Flora und Fauna bei.
- Deshalb werden sie erst nach dem Versamen der ansässigen Pflanzen und nach der abgeschlossenen Brut bodenbrütender Vögel gemäht.
- Dank höherer Aussentemperaturen beim späten ersten Schnitt trocknet Ökoheu meist auch ohne Belüftung oder Einspritzen rasch und gut ab.
- Ist das Ökoheu von hoher Qualität, hat es ein sehr gutes Marktpotenzial.
- Bei reduzierter Qualität wird der Verkauf allerdings schwieriger.

Zudem gebe es Bodenbrüter wie das Braunkehlchen oder Schwarzkehlchen, welche in intensiv genutztem Grünland nicht brüten können, weil diese zu oft gemäht werden. Werden die Wiesen spät gemäht, können diese Vögel die Brut durchbringen.

Auch andere Tierarten wie die Blindschleiche, Honigbienen und Wildbienen, Marienkäferlarven, Hummeln und Heuschrecken profitieren von einem späten ersten Schnitt. Dieser darf im Talgebiet erst ab Mitte Juni und im Berggebiet ab Mitte Juli durchgeführt werden.

Der Schnitt verändert den Lebensraum der Insekten

Ist es dann soweit, verändert der Schnitt den bis dahin gewachsenen Lebensraum dieser Tiere in kürzester Zeit komplett. Um diese drastische Veränderung für die dort ansässigen Lebewesen abzumildern, werden BFF in gestaffelter Nutzung gemäht. Dazu werden beispielsweise Mitte Juni nur zwei Drittel der Fläche gemäht. Der Rest bleibt zunächst stehen und wird erst drei Wochen später gemäht.

Dies birgt für die dort lebenden Arten viele Vorteile: «Bei einer gestaffelten Nutzung können Kleintiere wie zum Beispiel Insekten und Spinnen vom gemähten in den ungemähten Teil wechseln und haben somit eine Rückzugsmöglichkeit. Dort finden sie wieder Nahrung und Habitat», so Ramseier. Von dort aus könne die gemähte Fläche dann erneut besiedelt werden. Davon profitieren nicht nur Kleintiere, sondern auch Vögel, welche Insekten fressen.

Ebenfalls von grosser Hilfe sind Altgrasstreifen. Hier werden etwa fünf bis zehn Prozent der Fläche als Altgras stehen gelassen. «Ähnlich wie beim gestaffelten Schnitt dienen Altgrasstreifen als Rückzugsmöglichkeit. Sie bieten Wiesenbewohnern Schutz, Nahrung und Fortpflanzungsmöglichkeiten. Streifen, die über den Winter stehen bleiben dienen vielen Tieren, wie zum Beispiel Tagfaltern, auch als Überwinterungsstandort. Die Altgrasstreifen sollen bei der nächsten Nutzung mitgemäht werden, somit verändert sich die Lage des Streifens», empfiehlt der Experte.

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL empfiehlt weiter, den Standort des Altgrasstreifens bei jedem Schnitt zu wechseln, um eine Verbuschung zu vermeiden und die Qualität der Flora zu erhalten. Auch sollte auf den Einsatz von schnellen Rotationsmähern mit Mähaufbereiter verzichtet werden.

Insektenschonend mit dem Messerbalken mähen

Gemäss dem FiBL sind die Fluchtmöglichkeiten und Überlebensraten für Kleintiere bei der Futterernte mit Aufbereitern gering. Messungen zeigten, dass ohne den Einsatz von Aufbereitern etwa acht Prozent der Heuschrecken und Bienen bei der Mahd getötet werden. Wurde mit Aufbereiter gemäht, lag der Verlust bei 60 Prozent.

Ramseier stimmt dem zu: «Wenn möglich, sollte mit Messerbalken gemäht werden. Dies schont die Kleintiere besser als rotierende Mähwerke». Auf die Frage nach häufigen Fehlern bei der Ökoheu-Ernte nennt der Experte zum einen zu tiefes Mähen. Hier seien als Richtwert etwa fünf bis sieben Zentimeter, also etwa eine Fausthöhe, anzustreben.

Zum anderen sollte auf eine starke Bodenverdichtung durch den Einsatz von schweren Maschinen sowie auf zu tiefes Bearbeiten mit Kreisler und Schwader verzichtet werden.

«Verblenden sollte man erst ganz unmittelbar vor dem ersten Schnitt»

Hans Ramseier, HAFL

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Auch grössere Säugetiere wie Hasen und Rehe sind von der Mahd der Ökowiesen gefährdet. Um sie zu schützen, sollten die Wiesen verblendet werden.

Hier gibt es einiges zu beachten, weiss Hans Ramseier: «Verblenden sollte man unbedingt erst ganz kurz vor dem ersten Schnitt. Wenn bereits zwei oder drei Tage vor dem Mähen verblendet wird, gewöhnen sich die Tiere daran und die Wirkung ist verpufft. Als Material kommen zum Beispiel weisse Tücher, Futter- und Düngersäcke in Frage, welche an etwa zwei bis drei Meter langen Stangen aufgehängt werden. Auch Absperrband, welches sich bewegt, kann gebraucht werden. Schon nur das Durchschreiten des Feldes von einem Jäger mit einem Hund reicht manchmal, damit die Rehkitze gezügelt werden.»

Aus Ökogras kann problemlos Bodenheu gemacht werden

Ist der Schnitt vollbracht, heisst es, das Heu zu trocknen und lagerungsfähig zu machen. «Das ist beim Ökoheu eigentlich kein Problem» berichtet Urs Ruchti, der mit seiner Familie im bernischen Seewil einen landwirtschaftlichen Betrieb sowie ein Lohnunternehmen führt.

«Durch den späten Schnitt ist die Aussentemperatur meist schon so hoch, dass wir problemlos Bodenheu machen können. Es trocknet schnell ab und wir müssen es im Regelfall weder belüften noch einspritzen», so Ruchti.

Das Heu wird je nach Qualität unterschiedlich verarbeitet

Bei der Qualität von Ökoheu gebe es deutliche Unterschiede, erzählt Urs Ruchti weiter. Liegt ein hoher Grasanteil vor und staubt es nicht, ist das Heu bei PferdebesitzerInnen sehr beliebt.

Findet man darin aber viele Beikräuter wie Hirtentäschel oder Hahnenfuss, werde das Heu eher für die Rinderaufzucht genommen. Übertritt das Gras-Kräuter-Verhältnis ein bestimmtes Mass, könne das Ökoheu eigentlich nur noch als Stroh-Ersatz verwendet werden, so Ruchti.

«Ökoheu hat durchaus Marktpotenzial»

Urs Ruchti, Landwirt, Seewil BE

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Je nach Destination werde das Heu unterschiedlich weiterverarbeitet: Für Pferde presst der Lohnunternehmer das Heu in Kleinballen. Auf Rinderbetrieben sind eher Rundballen gewünscht. Bei der Konservierung spiele die Ballenform keine Rolle, allein das bessere Handling auf den Betrieben sei hier ausschlaggebend.

Die Gehalte von Ökoheu hängen stark vom Alter und der Zusammensetzung des Bestandes ab. Durchschnittliche Werte seien circa 4,3 bis 4,5 MJ Netto-Energie-Laktation, 110 bis 120 g Rohprotein und etwa 70 bis 80 g absorbierbares Protein im Darm, berichtet Hans Ramseier.

Die Marktlage für Ökoheu ist schwierig einzuschätzen

Die Frage, wie die Marktlage momentan für Ökoheu aussieht, sei schwierig zu beantworten, sagt Urs Ruchti: «Es orientiert sich alles an der Heuqualität. Diese kann sehr unterschiedlich sein und muss von Feld zu Feld individuell bewertet werden. Qualifiziert sich das Heu für die Pferdefütterung, ist es sehr gesucht. 70 Prozent des Ökoheus fallen allerdings nicht in diese Kategorie. Die Qualität ist geringer und der Markt dafür war in den letzten Jahren eher rückläufig.»

Er habe zwar auch für dieses Heu feste Abnehmer, aber es sei kein nennenswerter Markt vorhanden. Generell könne man sagen, dass man das Ökoheu gut auf den Markt bringe, wenn die Qualität stimme. Mit abnehmender Qualität sinkt hingegen das Marktpotenzial.

Auch Hans Ramseier bestätigt, dass viel Ökoheu für die Fütterung von Pferden, Rindern oder Galtkühen genutzt wird. Er gibt zu bedenken, dass es bisweilen Pflanzen im Futter von Extensivwiesen gibt, die in den letzten Jahren vermehrt Probleme verursacht haben.

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Herbstzeitlose, Goldhafer und Berufkraut im Auge behalten

Herbstzeitlose seien hier besonders zu berücksichtigen. «Aber auch ein hoher Goldhafer-Anteil kann bei der Verfütterung für Pferde Probleme verursachen. Ein stark zunehmendes Problem in den letzten Jahren ist auch das Einjährige Berufkraut», so Ramseier.[IMG 5, 6]

Neben Pflanzen, deren Vorkommen auf Ökowiesen nicht gerne gesehen sind, gibt es allerdings auch erwünschte Gäste. Sogenannte Zeigerpflanzen tragen viel zur Biodiversität und Artenvielfalt bei.

Zeigerpflanzen haben sehr spezielle Ansprüche an ihre Umwelt und brauchen bestimmte Bedingungen, um gut zu wachsen. Durch das Vorkommen mehrerer Zeigerpflanzen an einem Ort können detaillierte Aussagen über verschiedene Boden-Merkmale getroffen werden.