Kaum sind die Verpächter vom Bio-Hof «Engelsrütti» in den Ferien, geht alles drunter und drüber. Die Young Farmers Manuela Lerch (26) und Noah Handschin (29) erinnern sich noch genau an diese eine Woche im Frühjahr 2016. Damals war der Pachtvertrag noch nicht unter Dach und Fach. Durch ein Missgeschick hat der Nachbars-Besuch den Wasserhahn in der Weide nicht zugedreht. Und das ganze Quellwasser-Reservoir des Betriebs «Engelsrütti» lief leer!

    Noch vor der Übernahme des Pacht-Betriebes eine «Feuerwehrübung»

    In der Folge musste Wasser her, und zwar schnell und viel! «Alleine die Legehennen brauchen pro Tag 600 Liter Wasser», sagt Landwirtin Manuela Lerch, «und die 20 Milchkühe trinken auch nicht gerade wenig.»

    Mit Hilfe der Nachbarn konnten die beiden Junglandwirte genügend Wasser auftreiben. Die Verpächter wussten während ihren ganzen Ferien nichts von der Hektik Zuhause – bis ihnen jemand anderes davon erzählte.

    Verpächter Peter Gysin erinnert sich: «Ich war zuerst ziemlich irritiert, dass sie uns nicht angerufen haben. Doch im Nachhinein war ich froh», sagt er, «sie haben gezeigt, dass sie auch ohne uns zurechtkommen.»

    Mit der Übernahme eines Pachtbetriebs hat sich für Manuela Lerch und Noah Handschin ein lang gehegter Traum erfüllt. «Als ich 18 Jahre alt war, bewarb ich mich das erste Mal für einen Betrieb», sagt Landwirt Noah Handschin. Es sollten noch acht Jahre vergehen, bis er seinen Traum verwirklichen konnte.

    Manuela Lerch und Noah Handschin suchten 10 Jahre nach einem Betrieb

    In diesen Jahren schloss Handschin nicht nur die landwirtschaftliche Lehre ab, sondern auch eine Metzgerlehre. «Wir hatten beide den Wunsch in die Direktvermarktung einzusteigen», erklärt Handschin. Das Handwerk des Metzgers zu erlernen erschien ihm dazu ganz praktisch.

    Dieser Entscheid hatte weitreichende Folgen. Denn Handschin machte seine Metzger-Lehre in Läufelfingen BL. In jenem Dorf, wo der heute 29-jährige zusammen mit seiner Partnerin Manuela Lerch einen Pacht-Betrieb führt.

    Eingefädelt hat die ganze Sache Noahs Chef in der Metzgerei in Läufelfingen. Er arrangierte ein Treffen zwischen seinem Schützling und einem Kunden, von dem er wusste, dass er ein junges Pächter-Paar suchte.

    «Es hat einfach alles gepasst», erinnert sich Handschin. Vom ersten Treffen bis zur Betriebsübernahme im August 2016 verging lediglich ein Jahr. «Wir hatten grosses Glück, dass Peter und Vreni Gysin den Betrieb verpachten wollten – sie hätten mit einem Verkauf ihren Gewinn natürlich maximieren können», sagt Manuela Lerch. Aber einen Betrieb im Eigentum hätte sich das junge Paar niemals finanzieren können.

    «Entsprechende Kauf-Angebote hatten wir», erinnert sich Vreni Gysin. «Diese Leute waren aber schon alle über 40 Jahre alt und hatten Jobs ausserhalb der Landwirtschaft.» Das war nicht das, was die beiden wollten. Und eine innerfamiliäre Lösung gab es nicht.

    Der Pacht-Betrieb «Engelsrütti» war bei der Übergabe gut in Schuss

    «Wir hatten nicht viele Kriterien an unsere Wunsch-Pächter. In erster Linie war uns wichtig, dass es menschlich stimmt», erzählt ihr Mann Peter Gysin.

    Den Betrieb wollten sie am liebsten an ein junges Paar übergeben, das den Betrieb als Bio-Betrieb und mit dem Legehennen-Stall weiterführt. «Wir hätten es verstanden, wenn Noah und Manuela nicht melken wollten – davon ging ich eigentlich aus», erinnert sich Peter Gysin.

    Doch für Noah und Manuela stand das nicht zur Diskussion. «Peter und Vreni haben den Betrieb sehr gut und rentabel geführt», sagt Lerch, «warum also alles auf den Kopf stellen?»

    Sämtliche Maschinen hätten funktioniert, die Gebäude waren alle intakt und die Betriebsleiterwohnung bauten die Verpächter nach den Wünschen der zukünftigen Pächter um. «Wir konnten vom ersten Tag an loslegen», erinnert sich die Landwirtin, «das ist bei der Übernahme eines Pachtbetrieb oft nicht der Fall.» Gysins ergänzen: «Ja, es ist uns wichtig, dass sich unsere Pächter wohl fühlen.»

    Manuela Lerch und Noah Handschin haben in den ersten drei Jahren vor allem sanfte Anpassungen am Betrieb vorgenommen. Sie haben auf Vollweide umgestellt, lassen die Kälber täglich zwei Mal zu den Milchkühen, ersetzten das 25-jährige Mähwerk und bauen neu auch Brotgetreide an.

    «Als ein Berufskollege sah, dass Noah und Manuela eine Naturwiese pflügen, fragte er mich entsetzt, warum ich das zulasse», erzählt Verpächter Gysin und lacht. «Ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich bin froh, wenn die beiden Ideen haben und gut oder noch besser wirtschaften, als wir es taten.»

    Die Verpächter Gysin wohnen in einem denkmalgeschützten «Weidschürli» 200 Meter vom Betrieb weg. «Diese Distanz ist genau richtig», sagt Manuela Lerch, «wir haben so genug Privatsphäre.» Die beiden Junglandwirte schätzen aber die Nähe zu ihren Verpächtern. So können sie einen guten Austausch pflegen und sich gegenseitig unterstützen.

    Die beiden Junglandwirte sind froh, haben ihre Pächter keine grossen Investitionen in den Jahren vor der Betriebsübergabe getätigt. Das hätte den Pachtpreis in die Höhe getrieben und es lässt ihnen jetzt mehr Freiraum, um selbst Änderungen vorzunehmen.

    Konkret wollen die beiden den Anbindestall in einen Laufstall umbauen. Noah Handschin ist optimistisch, der Stall soll bis Sommer 2020 stehen.

    Die Familie der Verpächter unterzeichnet eine Verzichtserklärung  

    Die beiden Junglandwirte werden selbst investieren, wobei die Investitionssumme noch nicht vollständig klar ist. Den alten Gebäudeteil möchten sie weiterhin nutzen und im Fressgitter melken. Ihr Ziel ist ein arbeitseffizienter und kostenoptimierter Laufstall für 25 Milchkühe.

    Ein weiteres Projekt ist ein Verkaufs-Raum, um Noah Handschins selbst hergestellte Fleisch-Spezialitäten besser präsentieren zu können. Es ist ihnen wichtig, immer etwas zu machen. Nicht dass auf einen Schlag alles kommt.

    Doch wo bleibt die Sicherheit, wenn sie in einen Betrieb investieren, der ihnen nicht gehört? «Eine gewisse Sicherheit haben sie», erklärt Verpächter Peter Gysin, «unsere Nachkommen haben eine Verzichtserklärung unterschrieben, damit sie keinen Anspruch auf den Betrieb erheben.»

    Die Young Farmers sind gut im Dorfleben integriert

    Damit die beiden schnell Anschluss finden, nahm Peter Gysin sie schon vor dem Antritt der Pacht mit zu einer Versammlung der Maschinen-Gemeinschaft. Und weil Noah seine Metzger-Lehre in Läufelfingen absolvierte, kannte er zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme auch schon einige einheimische Bauern.

    Unbestritten hatten die beiden einen gewissen Heimvorteil, weil sie in Hölstein BL und Oberdorf BL aufgewachsen sind. Das ist nur 20 Autominuten von Läufelfingen entfernt. Der Dialekt, die Bräuche, die vielen steilen Hänge sind für die beiden Junglandwirte nichts Neues. Bei Läufelfinger Dorfereignissen, wie «Banntag» (entlang der Gemeindegrenze wandern), «Eierläset» (Geschicklichkeits-Wettbewerb mit Eiern nach Ostern) und der 1. August-Feier sind die beiden gerne mit dabei.

    «Zusammen Feste feiern ist der beste Weg, um Leute kennenzulernen», sind Lerch und Handschin überzeugt. Aber beim wichtigsten Fest, der Fasnacht, sind die beiden nicht in Läufelfingen anzutreffen. «Wir sind aktive Fasnächtler in jeweils einer Clique im Waldenburgertal, zwei Täler weiter».

    Die Junglandwirte schätzen die Arbeit ihrer Verpächter

    Verpächter Peter Gysin geniesst es, auf dem Betrieb die «Grossvater-Arbeit» zu erledigen. Er kümmert sich um seine zehn Bienenvölker und schneidet daneben aber auch mal Bäume, sticht Blacken oder liest Steine zusammen.

    Zudem kümmern sich die Verpächter Peter und Vreni Gysin jeden Montag um die Legehennen und helfen im Sommer bei der Obsternte. Das gibt den beiden Junglandwirten genug Luft, um ihren Jobs ausserhalb des Betriebes nachgehen können. «Mehr arbeiten wir nicht – ausser Noah und Manuela fragen uns», erzählt Peter Gysin und lacht.

    Die beiden Junglandwirte sind sehr froh um die Mithilfe ihrer Verpächter. Die Rollen seien aber klar verteilt. Gysin erklärt: «Ich würde mich nie in ihr tägliches Geschäft einmischen», sie müssen ja schliesslich Erfahrungen sammeln.

    Die Verpächter helfen mit, mischen sich aber nicht ein

    Vreni Gysin war es von Anfang an sehr wichtig, den jungen Pächtern nicht reinzureden. Dennoch erzählt sie: «Am Anfang war es nicht immer so leicht. Als es einmal zu regnen begann und die Hühner noch draussen waren, hat mir Peter untersagt, einfach die Hühner in den Stall zu holen.»

    Heute geniessen es die beiden, nicht mehr für alles verantwortlich zu sein. Aber wie rechnen die beiden Parteien untereinander ab? «Der Pachtzins ist fix, der hat ein Treuhandbüro auf jährlich 33'000 Franken geschätzt», erklärt Lerch.

    Die Stunden, welche die beiden Verpächter auf dem Betrieb mitarbeiten, schreibt aber niemand genau auf. «Jedem Treuhänder würden die Haare zu Berge stehen, wenn sie wüssten, wie wir abrechnen», sagt Lerch und lacht.

    Die Arbeitsstunden haben sie einmal während ein paar Wochen aufgeschrieben, damit haben sie einen Anhaltspunkt. Auf eine Pauschale einigen sie sich einmal pro Jahr. Dass diese Pauschale für die geleistete Arbeit manchmal etwas zu wenig, oder auch zu viel sein kann, ist dabei allen bewusst. Diese Lösung stimmt für alle. Sie ermöglicht allen ein freies Arbeiten mit ganz wenig Büro-Arbeit.

    Anders sei es mit den Naturalien aus der Direktvermarktung oder mit den 20 bis 30 Ster Holz pro Jahr. «Dort rechnen wir genau ab», sagt Noah Handschin.

    Peter und Vreni Gysin, die den Betrieb in der sechsten Generation führten, können sich für ihren Betrieb keine geeigneteren Pächter vorstellen als Noah und Manuela. «Wir wissen, dass sie den Betrieb gewissenhaft weiterführen und sehr viel Freude daran haben. Wir wären jetzt bereit loszulassen und würden ihnen den Betrieb verkaufen.»

    Die Organisation auf der «Engelsrütti»

    Noah Handschin (29) und Manuela Lerch (26) sind seit zehn Jahren ein Paar und führen seit Sommer 2016 einen Pacht-Betrieb. Es sind beides gelernte Landwirte und Manuela hat einen FH-Abschluss in Agronomie. Wie organisieren die beiden ihren Arbeitsalltag?

    «Es ist uns extrem wichtig, dass beide jede Arbeit erledigen können», erklärt Manuela Lerch. Die beiden Junglandwirte wechseln sich bei den beiden Haupt-Betriebszweigen wochenweise ab: Eine Woche ist Noah bei den Legehennen und Manuela im Milchviehstall, die nächste Woche ist es umgekehrt.

    Das gilt auch für den Haushalt: Beim Zubereiten des Mittagessens wechseln sie sich wöchentlich ab. Und geputzt wird einmal in der Woche – zusammen.

    Jeden Montag kümmern sich die Verpächter Vreni und Peter Gysin um die Legehennen und seit Sommer 2019 haben Manuela Lerch und Noah Handschin eine Lernende. Das lässt den beiden Junglandwirten etwas mehr Luft, um ihren nebenbetrieblichen Tätigkeiten nachzugehen.

    Betriebsspiegel «Engelsrütti»

    Manuela Lerch und Noah Handschin, Läufelfingen BL

    LN: 20 ha Bergzone 1

    Betriebszweige: Milchvieh, Legehennen, Freilandschweine, Obstbau, Getreide, Direktvermarktung im Hofladen

    Kulturen: Brotgetreide

    Tierbestand: 20 Milchkühe und Kälber, 2000 Legehennen, 8 Schafe, 12 Freilandschweine

    Arbeitskräfte: Manuela Lerch und Noah Handschin, Lea Handschin (Lernende), Vreni und Peter Gysin (Verpächter)

    www.engelsruetti.com

     

    Kurz & bündig

    • Einen Hof zu kaufen, wäre für Manuela Lerch und Noah Handschin unmöglich gewesen. Dass der Betrieb verpachtet wurde, war ihr grosses Glück.
    • Der Betrieb war bei der Übergabe gut in Schuss. Deshalb konnten die Junglandwirte von Beginn weg loslegen – ohne grosse Investitionen.
    • Wenn die Junglandwirte Hilfe brauchen, helfen die Verpächter gerne mit.
    • Die Junglandwirte sind im neuen Ort gut integriert.