epp Infanger (19) sitzt am Stubentisch, als wäre er nie weg gewesen: Sein drittes Lehrjahr hat er 2017/18 bei Andrea (36) und Roger Frei (40) in Menzingen ZG verbracht. Nun tauschen die drei Erinnerungen aus, die vier Kinder von Freis naschen von den liebevoll arrangierten Leckereien auf dem Tisch und lachen mit. Später verzieht sich die Kinderschar zum Spielen, die Erwachsenen reden weiter.
«Sepp hat sich mit 14 Jahren fürs dritte Lehrjahr bei uns beworben», erinnert sich Roger Frei. Am Telefon waren sich die beiden sympathisch, beim Schnuppern war dann klar: Das passt. Bis Sepp Infanger bei den Frei eingezogen ist, vergingen aber noch drei Jahre. Sie hätten ab und zu telefoniert, sich bis zum Start des Lehrjahrs aber nicht mehr gesehen.
Young Farmer Sepp Infanger hat für seinen guten Lehr-Abschluss viel gelernt
Alle drei haben das Lehrjahr in guter Erinnerung: Ein selbstständiger junger Mann, der engagiert mitgearbeitet hat und «verbissen gelernt hat, das hat mich beeindruckt», erzählt Roger Frei.
Sepp Infanger war der Schulstoff wichtig: «Ich fand es wichtig, dranzubleiben.»
Der Erfolg gibt ihm recht, Infanger hat seine Lehre mit der Note 5,3 abgeschlossen. Die Diplomfeier im Juli 2018 am Schluechthof in Cham erwähnt er sofort, als er nach speziellen Erlebnissen während der Lehre gefragt wird: «Es war richtig feierlich.»
Der junge Landwirt möchte in zehn Jahren den Betrieb des Vaters übernehmen
Seit März 2019 arbeitet Infanger bei Rathgeb Bio, einem grossen Produzenten von Bio-Gemüse. Infanger ist für die Bewässerung der Kulturen zuständig und hilft als Maschinist bei der Bodenbearbeitung mit.
Sein Herz schlägt eigentlich für die «klassische» Landwirtschaft mit Milchkühen. Ende Lehre hat er aber allergische Reaktionen auf Milben gezeigt. «Der Arzt hat mir geraten, eine Zeit lang nicht mit Tieren zu arbeiten», sagt Infanger. Eine Desensibilisierungs-Therapie wirke nun gut.
Und so hofft der junge Landwirt, dass sich sein Traum erfüllt: In etwa zehn Jahren möchte er den elterlichen Hof in Engelberg OW übernehmen. Dort hält sein Vater in der Bergzone 2 knapp 30 Milchkühe und bewirtschaftet eine Alp der Genossen Gerschni.
«Das Elternhaus ist prägend», sagt Roger Frei. Er merke bei jedem seiner Lehrlinge, wie sie aufgewachsen seien. «Ich möchte, dass sie selbstständig werden und Verantwortung übernehmen.» Schliesslich sollten sie nach der Lehre fähig sein, auf einem Betrieb zu arbeiten.
Bei Sepp Infanger sei das problemlos gewesen, er habe sofort angepackt und rasch begriffen, wie die Abläufe bei Freis seien. Die Vertretung während den Skiferien von Freis im Februar 2018 habe er souverän gemeistert: Obwohl zwei Kühe früher als vorgesehen gekalbt hätten, erinnert sich Roger Frei. «Das war schon anspruchsvoll», sagt Sepp Infanger.
Der Betrieb von Roger Frei ist etwas speziell. Frei ist Pächter, und zwar von vier Verpächtern. Beim Wohnhaus in Menzingen sind die Milchkühe, einige Kilometer weiter die Lämmer. «Etwa einen Tag pro Woche ist der Lehrling selbstständig unterwegs», sagt Frei. «Ich erwarte, dass meine Lehrlinge innerhalb von zwei Wochen fähig sind, die Stallarbeit am Abend ohne mich zu erledigen.»
Dabei geht er systematisch vor: «Ich filme sie beim ersten Versuch und dann später nochmals.» Das zeige auch unsichereren Lehrlingen, dass sie sich entwickelt haben.
So problemlos wie mit Sepp Infanger läuft es nicht immer. Andrea Frei seufzt, als sie erzählt, dass sie einen Lehrling hatten, der sie nicht akzeptierte, unzuverlässig war und es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. «Im Nachhinein hätten wir wohl besser abgebrochen», sagt sie. «Aber wir wollten ihm ja eine Chance geben.»
Der Lehrmeister lernt von jedem Landwirt-Lehrling etwas Neues
Grundsätzlich bildet Roger Frei gern Lehrlinge aus: «Das ist zukunftsgerichtet, ich lerne ja von ihnen.» Sein eigener Bildungsweg ist ein spannender: Er hat einen Teil seiner Kindheit auf einem Betrieb mit Damhirschen verbracht, zuerst eine Ausbildung als Landmaschinen-Mechaniker gemacht, danach die Landwirtschaft-Lehre.
«Und dann bin ich aufgeblüht», sagt er und lächelt. Er hat die Meisterprüfung gemacht und engagiert sich nicht nur im Zuger Bauernverband als Regionenvertreter, sondern auch am Schluechthof bei den überbetrieblichen Kursen.
Andrea Frei ist auf einem Hof in Menzingen aufgewachsen, den mittlerweile ihr Bruder übernommen hat. Sie hat eine Lehre in der Gastronomie gemacht und bis vor zwei Jahren auch auswärts gearbeitet. Im Moment konzentriert sie sich auf die Familie und den Hof. Was sie voll auslastet – für Hobbies bleibt mit den vier Kindern keine Zeit mehr.
In der Freizeit repariert Young Farmer Sepp Infanger alte Landmaschinen
Sepp Infanger findet Zeit für seine Interessen. Im Moment geniesst er es, «einfach zu arbeiten, und nachher ist Feierabend». Infanger wohnt in Unterstammheim in einer Mitarbeiter-Wohngemeinschaft und trifft sich gern mit Kollegen. Drei, vier Jahre will er nun sicher arbeiten, danach die Betriebsleiter-Schule anpacken.
Die Wochenenden verbringt er oft in Engelberg auf dem elterlichen Betrieb. Dort hilft er, geht aber auch seiner Leidenschaft nach: Sepp Infanger repariert liebend gern Oldtimer-Landmaschinen. Zwei Motormäher, ein Schilter, drei Einachser und ein Pferdemäher. Das ist sein Fuhrpark.
«Und solange ich nicht Vaters Maschinen rausstelle, damit meine nicht nass werden, ist er einverstanden», erzählt er, während sein ehemaliger Lehrmeister Roger Frei lacht.
Infanger hat wegen seinen Gesundheitsproblemen direkt nach der Lehre als Hilfsarbeiter in einer Landmaschinen-Werkstatt gearbeitet. «Doch ich habe die Landwirtschaft zu sehr vermisst», sagt er.
Sepp Infanger hat früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen
Auf eigenen Beinen zu stehen fällt Sepp Infanger leicht: Er hat bereits mit 15 Jahren das Elternhaus verlassen und nie an Heimweh gelitten. Seine Lehre hat er in drei Kantonen absolviert. Nun lebt er 140 Kilometer vom elterlichen Betrieb entfernt und fühlt sich wohl dabei. Einen Auslandaufenthalt hat er sich kurz überlegt, sich dann dagegen entschieden.
In Menzingen haben die Lehrlinge ein eigenes Zimmer – es liegt auf dem Stock, auf dem auch die Brüder des Verpächters wohnen. «Der Lehrling hört sie schnarchen», sagt Andrea Frei und lächelt. Das Haus sei nicht riesig und recht ringhörig.
Für die Hausarbeit ist sie zuständig und findet lobende Wort für Sepp Infanger: Er habe stets mitgedacht und etwa die Hosensäcke kontrolliert, bevor er seine Kleider in die Wäsche gegeben habe. Was selbstverständlich tönt, sei es nicht: «Es gibt Lehrlinge, denen wir beibringen müssen, dass sie nach dem Essen beim Abräumen helfen sollen …», sagt Andrea Frei.
Young Farmer Sepp Infanger nimmt seine Aufgaben im Betrieb sehr ernst
Beim Rundgang über den Hof fachsimpeln die beiden Männer, die älteren Mädchen zeigen ihre Kälber, mit denen sie an einer Viehschau waren. Die Sonntage gehören der Familie.
Beim seinem Sonntagsbesuch fragen Roger und Andrea Frei ihren ehemaligen Lehrling sofort, ob er bleiben möchte. Sepp Infanger lehnt ab, er fährt direkt nach Unterstammheim: Am Montag geht es für ihn früh los.
Infanger nimmt seine Aufgabe ernst. Damit erfüllt er Roger Freis Anspruch an seine Lehrlinge: «Ich will, dass sie nach der Ausbildung den Erwartungen der Arbeitswelt Stand halten.»
Betriebsspiegel der Familie Frei
Roger und Andrea Frei mit Ladina (9), Ramona (7), Simona (4)
und Fabian (2), Menzingen ZG
LN: 42 ha, davon 6 ha Dauerweide
Zone: Bergzone 1
Produktionsform: ÖLN
Kulturen: Mais, Gerste, Kunst- und Naturwiesen
Tierbestand: 20 Milchkühe, 7–8 Kälber, 20 Mastkälber, 70–80 Auen
Arbeitskräfte: Roger und Andrea Frei, Lehrling
Kurz & bündig
- Young Farmer Sepp Infanger arbeitet nach der Lehre auf einem grossen Gemüsebetrieb.
- Er will in den nächsten Jahren die Betriebsleiter-Schule anpacken und später den elterlichen Betrieb in Engelberg OW übernehmen.
- Lehrmeister Roger Frei will, dass seine Lehrlinge selbstständig arbeiten und Verantwortung übernehmen. Das sieht er als wichtigste Anforderungen der Arbeitswelt.
- Frei leitet Pachtbetriebe in Menzingen ZG, hält Milchkühe und Schafe.