Kurz & bündig
- Jürg und Pascale Strauss haben den Betrieb 2016 von Jürgs Vater übernehmen können.
- Die Übergabe war unproblematisch, da der Vater viel Vorarbeit geleistet hat.
- Ein Kurs auf der Bäregg hat beiden Parteien gut getan und gezeigt, welche Punkt zu besprechen sind.
- Seit dem 1. April 2018 wird der landwirtschaftliche Ertragswert nach einer neuen Anleitung geschätzt.
- Neu wird nur noch die Betriebsleiter-Wohnung landwirtschaftlich beurteilt. Eine zweite Wohnung führt zu einem Wertanstieg.

Auf die Hofübernahme angesprochen, berichten die beiden Young Farmer Pascale und Jürg Strauss: «Wir haben grosses Glück, dass wir uns über beide Generationen alle sehr gut verstehen.»

Übernommen haben sie den Hof in Rickenbach ZH von Jürgs Eltern. Er ist ein Einzelkind, das hat das Konfliktfeld «Geschwister fühlen sich benachteiligt» von vornherein ausgeschlossen. Zudem wollt Vater Max Strauss den Betrieb schon länger übergeben. 2016 war er 70 Jahre alt, er hat also übers Pensionsalter gearbeitet.

Die Hofübergabe wurde in der Familie Strauss intensiv vorbereitet

[IMG 2]Vor der Übergabe haben Max Strauss und das junge Ehepaar einen Beratungs-Kurs im Inforama Bäregg besucht. Max Strauss hatte bereits viel Vorarbeit geleistet, etwa mit der Ertragswert-Schätzung. Über die Details – Kosten und Finanzierung – will die die Familie kein Auskunft geben. Im Kurs hätten sie viele Beispiele gehört, wie eine Übergabe nicht ablaufen sollte. Gelernt habe die drei, offen alles anzusprechen, auch Zwischenmenschliches.

Für die junge Familie war der Zeitpunkt günstig: Der heute drei Jahre alte Mathéo war unterwegs und plötzlich stimmte es für alle, den Schritt zu wagen. Über ein Jahr haben sich Eltern und Nachfolger das Haus geteilt, weil das Stöckli vermietet war. Max und Silvia Strauss haben den unteren Stock bewohnt, Jürg, Pascale und Sophie den oberen Teil. Mathéo kam nach dem Umzug in den unteren Stock zur Welt.

Mittlerweile sind die Eltern ins Stöckli gezogen und geniessen die neue Freiheit, etwa mit Ferien in Thailand. «Vater darf helfen, muss aber nicht», sagt Jürg Strauss.

Den oberen Stock bauen Jürg und Pascale Strauss gerade aus: Schlecht isoliert sei es und noch wird das ganze Haus mit dem Kachelofen geheizt. Neu kommt die Wärme aus einer Wärmepumpe, gespiesen aus der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, das ganze Haus wird energetisch saniert. Neu gebaut wird auch ein Raum, in dem der eigene Wein in Holzfässern (Barrique) lagern kann und wo die Kunden degustieren können. Das gehört zu den Zukunftsplänen der jungen Familie: «Wir wollen uns wohnlich einrichten und unsere Kunden an einem schönen Ort empfangen können», erklärt Pascale Strauss.

Die Reben der Young Farmers sind pilzwiderstandsfähig und brauchen kaum Kupfer

Im Moment lagert der Wein dort, wo vor vielen Jahren Milchkühen standen. Seit 1697 bewirtschaftet die Familie Strauss den Hof in Rickenbach. Max Strauss hat sich von der Viehhaltung verabschiedet, den Hof auf Bio umgestellt und 1998 die ersten pilzwiderstandsfähigen Reben gepflanzt.

Dass Sohn Jürg einst übernehmen wird, war immer klar. Obwohl dieser zuerst einen anderen Berufsweg eingeschlagen und eine Ausbildung als Drucktechnologe gemacht hat. Danach hat Jürg Strauss die Bio-Schule Schwand im bernischen Münsingen besucht und nach dem Landwirte-Fähigkeitszeugnis Landwirt auch noch das EFZ Winzer absolviert.

Pascale Strauss ist in der Nähe von Freiburg aufgewachsen. Fasziniert von Pferden und der Reiterei hat sie sich für eine Ausbildung als Landwirtin EFZ entschieden. Nach dem Abschluss hat sie in Lettland einen «International Farm Youth Exchange» erlebt. Danach hat sie die Berufsmatura am Inforama Rütti abgeschlossen und kurz darauf kam Sophie zur Welt.

Nach dem Umzug der jungen Familie nach Rickenbach hat Pascale auf einem Milchvieh-Betrieb gearbeitet. «Jeden Tag um 5 Uhr im Stall stehen: Das habe ich erlebt und bewundere die Betriebe, welche dies tagtäglich tun. Ich schätze es sehr, die Zeit freier einteilen zu können», sagt sie.

Die Buchhaltung des Hofs ist wegen der Direktvermarktung aufwändig

Gerade im Winter hat die junge Familie etwas mehr Freizeit: «Doch man muss sich selber lieb sein und diese Freiheit auch nutzen», erklärt Pascale Strauss. Sie ist für die Buchhaltung zuständig: «Das gibt viel zu tun, weil wir Direktvermarktung machen.»

Der Alltag auf dem Betrieb, zwei kleine Kinder und eine Teilzeitstelle als Kontrolleurin bei einer landwirtschaftlichen Kontrollstelle führen dazu, dass der Papierkram auch mal liegen bleibe. Augenzwinkernd sagt sie: «Und dann muss ich eine Woche am Stück Buchhaltung machen.»

Die Kinder der Young Farmers haben 2018 zum ersten Mal bei der Ernte geholfen

Kater Filou hüpft mit, als die Familie ihren Rebberg zeigt: Er tollt zwischen den Ästen der Obstbäume herum und jagt abgeschnittene Rebzweige. Angefeuert vom dreijährigen Mathéo, der mit der Rebschere hantiert wie ein Grosser. 2018 haben die Kinder zum ersten Mal bei der Traubenernte etwas mitgeholfen, dabei waren sie schon vorher, erzählen die Eltern.

Strauss’ haben auf ihrem Hof nur noch pilzwiderstandsfähige Sorten. Das führt dazu, dass sie kaum noch spritzen. «Die ‹schlechteste› Sorte braucht in einem wettermässig schwierigen Jahr ein Kilo Kupfer pro Hektare», sagt Jürg Strauss. Sonst setzt er auf Tonerde und Fenchelöl oder lässt das Spritzen ganz bleiben. Andere Winzer müssen zwischen 15 und 20 Mal spritzen.

Strauss’ Ziel ist, komplett ohne Kupfer auszukommen. Bei den Obstbäumen hat er das bereits erreicht. «Es ist ein ‹pröbeln› und braucht Erfahrung», betonen die beiden. So auch beim Wein: «Vielleicht fällt es uns leichter, weil wir die ersten der Familie sind, die selber keltern», sagt Jürg Strauss. Bei Familien mit einer langen Winzer-Tradition seien die Vorbehalte, etwa gegen pilzwiderstandsfähige Sorten, grösser.

[IMG 3]

Wirtschaftlich waren die ersten beiden Jahre anspruchsvoll nach der Hofübernahme

Jürg und Pascale Strauss möchten, dass der Hof wirklich ihr Haupterwerb wird. «Im Moment sind wir aber sehr froh um mein Einkommen», sagt Pascale Strauss. Denn wirtschaftlich seien die ersten beiden Jahre nicht einfach gewesen: Der Frost im ersten Jahr hat die ganze Obsternte vernichtet. Im Folgejahr 2018 konnten sie dann 50 Tonnen Most-Äpfel ernten.

Im Moment verkaufen sie ihre Weine und Säfte an den grossen Ostschweizer Messen Olma und Offa sowie an Bioläden und Restaurants. Deshalb sind die beiden auf der Suche nach neuen Wegen, spruchreif ist noch nichts.

Zurück in der warmen Stube spielen die Kinder in ihrem Zimmer, während die Eltern die Betriebsführung erklären. «Pröbeln», «in Bewegung bleiben» – das erwähnen Pascale und Jürg Strauss immer wieder.

2019 wollen sie eine Hektare Obstbäume setzen. Die Wein-Kelterung und der Verkauf nehmen immer mehr Zeit in Anspruch, deshalb hat das Ehepaar nun einen Tag pro Woche eine Angestellte. Im Juni absolvieren Schüler der Rudolf-Steiner-Schule jeweils ein Landwirtschafts-Praktikum auf dem Betrieb in Rickenbach.

Planen die beiden noch eine höhere Berufsprüfung? Sie seufzen: «Es stimmt, was man immer wieder hört: Man muss das sofort machen und nicht, wenn man schon einen Betrieb übernommen hat.» Beide würden gerne Lehrlinge ausbilden, doch der Aufwand für die Ausbildung sei relativ gross. Ausgeschlossen ist eine Weiterbildung aber nicht.

À jour bleibt Jürg Strauss, indem er viele Tagungen besucht. Und im Alltag wagen die beiden immer wieder Neues – auch mit neuen Traubensorten und alternativen Anbausystemen, wie Agroforst.

Betriebsspiegel Strauss Bioagrikultur

Pascale (28) und Jürg (30) Strauss mit Sophie (5) und Mathéo (3), Rickenbach ZH
LN: 10 ha
Kulturen: Weinbau, Hochstamm-Obstbäume, Spindelhochstamm-
Obstbäume, Ackerbau (Speisehafer, Dinkel, Hirse, Kunstwiesen)
Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung von selbst gekeltertem Wein sowie von Saft und Obst
Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar, eine Angestellte (1 Tag pro Woche), Vater Max Strauss hilft mit
www.bioagrikultur.bio

Seit 2018 zahlt der Hofnachfolger mehr für den Betrieb

Seit dem 1. April 2018 wird der landwirtschaftliche Ertragswert nach einer neuen Anleitung geschätzt. Bei einer Hofübergabe muss nun der neue Eigentümer für die landwirtschaftlichen Bestandteile durchschnittlich 14 Prozent mehr für den Betrieb bezahlen als noch nach der alten Anleitung von 2004.

Markanter Wertanstieg
Ist eine zweite Wohnung vorhanden, muss man mit einem zusätzlichen Wertanstieg von 20 bis 30 Prozent zu rechnen. Seit 2018 wird nur noch die Betriebsleiterwohnung landwirtschaftlich beurteilt. Andere Wohnungen werden nach der erzielbaren Marktmiete bewertet. Aber auch bei den Böden sind die Ertragswerte mit einem
Plus von 20 bis 52 Prozent markant gestiegen. Mit diesen Ertragswerten werde ein durchschnittlicher Betrieb mit zwei Wohnungen bei der Übergabe um die 50 000 bis 200 000 Franken teurer als im Jahr zuvor. Mit der neuen Ertragswertschätzung kann auch die Fremdverschuldung bei einem Generationenwechsel zunehmen
und damit die Belastung von Zinsen und Amortisation. Die Auswirkung auf das landwirtschaftliche Einkommen wirft folgende Fragen auf:
• Reicht das Einkommen?
• Können genügend Abschreibungen
und Ersparnisse gemacht werden?

Belastungsgrenze steigt
Mit den höheren Ertragswerten steigt auch die Belastungsgrenze und es ist möglich, höhere Hypotheken aufzunehmen. Mit dem Anstieg der Belastungsgrenze liegt diese näher beim Verkehrswert: Die Sicherheits- marge für Banken ist somit kleiner.
Aber auch steuermässig hat der neue Ertragswert Auswirkungen. Infolge der höheren Ertragswerte steigen auch das Vermögen und die Eigenmietwerte. Die Kantone verwenden meist den Ertragswert als Steuerwert und haben in Steuerfragen die Hoheit und damit grossen Spielraum, wann sie die steuerliche Bewertung anpassen. Eine Hofübergabe richtet sich nach dem Bundesrecht, also dem bäuerlichen Bodenrecht. Deshalb ist der neue Ertragswert massgebend.
Peter Fankhauser, «BauernZeitung»