Ein Betriebsleiter eines Mastbestandes mit 500 Tieren meldet sich beim Schweine Gesundheitsdienst (SGD). Der Grund: Seit mehreren Umtrieben treten ein bis fünf Tage nach Einstallung Lahmheiten auf. Betroffen sind etwa fünf Prozent aller Tiere. Zusätzlich tritt bei ungefähr zwei Prozent der Schweine Husten auf. Tiere der Endmast sind in der Regel nicht betroffen. Ausserdem meldet der Schlachthof, dass einige Tiere Verwachsungen an Zwerchfell und Herzbeutel aufweisen, zum Teil auch an der Lunge. Das vom Landwirt beschriebene Bild konnte im anschliessenden Betriebsbesuch bestätigt werden. Zwei Tiere wurden für eine weiterführende Diagnostik ausgewählt. In der Pathologie waren Verklebungen und Verwachsungen der inneren Organe sichtbar. Zusätzlich konnte bei beiden der Erreger Haemophilus parasuis (HPS) isoliert werden.
Ein Bakterium als Spielverderber
HPS ist ein Bakterium und Erreger der Glässerschen Krankheit, einer fieberhaften Allgemeinerkrankung, die durch Gelenksentzündungen und eitrige Hirnhautentzündungen gekennzeichnet ist. Der Erreger ist in nahezu allen Schweinebeständen vorhanden, ohne die Krankheit auszulösen. Erst durch die Einwirkung verschiedener Umweltfaktoren kommt es zur Ausbreitung des Erregers im Körper und zur Entwicklung des Krankheitsbildes.
Typische Symptome sind dann unter anderem Atemnot, Apathie, Lahmheiten, gefüllte und schmerzhafte Gelenke, Erschöpfung, Zittern und Ruderbewegungen in Seitenlage. Auch Fieber, sowie eine verstärkte Bauchatmung und Husten sind möglich. Im chronischen Stadium sind vor allem ein verminderter täglicher Zuwachs und ein generelles Zurückbleiben im Wachstum festzustellen. Häufig sind in betroffenen Herden Kümmerer zu finden.
Stress ist ungesund
Die genauen Umstände, die zum Ausbruch der Krankheit führen, sind noch ungeklärt. Fest steht jedoch, dass Stress, wie er beispielsweise durch Tiertransporte entsteht, eine grosse Rolle spielt. Daher war die Krankheit auch lange Zeit unter dem Namen Transportkrankheit bekannt.
Von dieser Bezeichnung ist man jedoch in den letzten Jahren abgekommen, da Glässer auch in geschlossenen Beständen auftritt. Daraus darf geschlossen werden, dass jegliche Stresssituationen, die auf die Tiere einwirken, die Entstehung von HPS begünstigen können. Dazu zählt auch das Einstallen von Absetzferkeln in einen kalten, nicht vorgeheizten Stall. Risiken beim Absetzen sind unter anderem das Setzen der Ohrmarken oder eine ausbleibende Reinigung und Desinfektion nach den einzelnen Umtrieben.
Alle Beteiligten geben ihr Bestes
Im vorliegenden Fall stammen alle Tiere aus einem Zuchtbestand, und der Transport dauert in der Regel weniger als 15 Minuten. Den frisch eingestallten Tieren stehen beheizte und mit Stroh ausgekleidete Liegehütten zur Verfügung und die Fütterung der Tiere geschieht regelmässig und ausreichend. Der Umgang mit den Tieren durch die verantwortlichen Personen ist ruhig und ohne Hektik. Nach jedem Umtrieb werden die Abteile mittels Hochdruckreiniger und warmem Wasser gereinigt und anschliessend desinfiziert. Generell können nach dem umfangreichen Betriebsbesuch keine Managementmassnahmen benannt werden, die zu einer weiteren Reduktion des Stresses führen würden.
Auch im Zuchtbestand sind die Tiere so wenig Stress wie möglich ausgesetzt: Das Absetzen geschieht schnell und ohne begleitende Massnahmen, die Abteile für die Absetzferkel sind genügend vorgeheizt und Wurfgeschwister bleiben beim Absetzen zusammen. Die Tierbeobachtung ist sehr gut und auch bei einem Betriebsbesuch konnten keine Anzeichen einer HPS-Erkrankung ausfindig gemacht werden. Die Ursache der Erkrankung der Schweine im Mastbetrieb scheint also der Wechsel der Umgebung an sich zu sein. Jeder Stall verfügt über seine eigene spezifische Keimflora. Mit den darin enthalten Keimen setzen sich die Tiere teilweise schon im Mutterleib, spätestens aber direkt nach der Geburt auseinander und bilden Antikörper. Kommt jedoch ein Keim, in diesem Fall HPS, in der Flora nicht vor, sind die Tiere beim Wechsel in einen anderen Stall ungeschützt und sehr empfänglich für die damit verbundenen Krankheiten.
Züchterwechsel als Lösung
Um Abhilfe zu schaffen, wäre eine Impfung der Tiere im Herkunftsbetrieb möglich. Aus logistischen Gründen ist dies auf dem Betrieb aber nicht durchführbar. Auch eine andauernde prophylaktische Behandlung der Tiere beim Einstallen sollte auf Grund der aktuellen Lage hinsichtlich der Antibiotikareduktion in der Nutztierproduktion nicht die Lösung des Problems sein.
Nach etlichen Gesprächen mit allen beteiligten Personen auch des zuständigen Vermarkters, wurde letztendlich beschlossen, probeweise dem betroffenen Mäster einen anderen Züchter zuzuteilen, in der Hoffnung, dass dessen Tiere mit den spezifischen Keimen des Maststalls besser umgehen können. Dieser Plan ging auf. Seit dem Wechsel des zuliefernden Betriebes gibt es im betroffenen Maststall keine Probleme mehr mit HPS und auch der ursprüngliche Züchter ist glücklich: Für ihn wurde ein neuer Mastbestand gefunden, in dem die Tiere einwandfrei laufen.
Fazit des vorliegenden Falles ist, dass in manchen Fällen sowohl Züchter als auch Mäster ihr Bestes geben, aber zu grosse Differenzen in den jeweiligen stallspezifischen Keimfloren vorliegen, welche die Zusammenarbeit erschweren oder gar unmöglich machen. Durch das gut ausgebaute Netz von Vermarktern und Produzenten in der Schweiz kann in den meisten Fällen jedoch Abhilfe geschaffen und bildlich gesprochen für jeden Topf der richtige Deckel gefunden werden.