Es regnet wie aus Kübeln bei unserem Besuch im Roundhouse-Stall der Familie Richter im Taubertal ganz im Nordosten von Baden-Württemberg. Florian Richter und seine Wagyu-Rinder sind aber voll im Schuss – vor allem der muskulöse Stier, aber davon später.
Vater Wolfgang Richter (65) führte 45 Jahre lang einen Ferkelaufzucht-Betrieb, bevor seine Söhne Florian (41) und Max Richter (39) den Hof in die Hand nahmen. Die Brüder rechneten 2014 die Sache durch und kamen zum Ergebnis, dass sich die Ferkelaufzucht langfristig nicht rechnet.
Die Söhne wollten zur Bio-Mutterkuhhaltung wechseln, was aber leichter gesagt als getan ist. Denn dafür hätten sie den alten Stall der Ferkel-aufzucht für mehr als 1 Million Euro umbauen müssen.
In den Niederlanden fanden sie mit der Firma ID Agro einen Stallbauer, der ihnen für einen Drittel der Kosten – rund 350'000 Euro – einen bezugsfertigen futuristischen Roundhouse-Stall offerierte.
Von der Erteilung der Baugenehmigung bis zur Aufrichte ging es nur 80 Tage, staunt Florian Richter im Nachhinein.
Der Roundhouse-Stall von ID Agro
Das niederländische Unternehmen ID Agro bietet seit 2009 Roundhouse-Ställe mit ihrer charakteristischen Form in drei Durchmessern an:
22,30 m = 410 m2 Stallfläche
30 m = 718 m2 Stallfläche für z.B. 140 Rinder bis 500 kg
45 m = 1616 m2 Stallfläche
167 Roundhouse-Ställe wurden bis heute weltweit erstellt, 21 davon in Deutschland. Auf Anfrage erklärte ID Agro, dass sie in der Schweiz bisher noch keinen Roundhouse-Stall gebaut haben.
Der Roundhouse-Stall wurde zunächst für die Unterbringung von Fleischvieh entwickelt, eignet sich aber auch für Milchvieh, Schweine und Schafe.
Das Gefälle in den Abteilen verläuft in Richtung Stallmitte, wo sich der Tretmist sammelt. Die offene Fassade und die Dachöffnung von 10 m2 sorgen dort für eine gute Belüftung.
Die fertige Stahl-Konstruktion wird auf das Fundament gestellt
Im Frühling 2021 wurde das Fundament gegossen und dann der Stall aufgestellt. «Die vorgefertigte Stahl-Konstruktion wurde vom Mittelpfosten ausgehend aufgerichtet und auseinandergefaltet», erzählt Florian Richter. «Drei Tage später standen alle Pfosten und das Dach war aufgespannt.»
Von aussen sieht der Roundhouse-Stall aus wie ein Zirkuszelt ohne Seitenwände: Ein riesiger runder Schirm mit einem Durchmesser von 30 Metern und einer 10 Quadratmeter grossen Öffnung in der Mitte bietet Schutz vor dem Regen, gleichzeitig aber auch frische Luft und Komfort. Er besteht aus einer hochwertigen PVC-Membrane, wie sie auch zur Abdeckung von Biogas-Anlagen genutzt wird.
Man könnte auch ein Regenwasser-Nutzungssystem in den Stall integrieren, welches das Dachablauf-Wasser in eine Zisterne leitet. Dieses Wasser könnte als Reinigungswasser oder – mit einem UV-Filter gereinigt – sogar als Trinkwasser verwendet werden, was die Betriebskosten senkt. An einem Tag wie heute, während es gefühlt ganze Schwimmbäder auf das Dach schüttet, eine lohnende Idee.
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Ein ausgeklügeltes Gehege-System «führt» die Wagyu-Herde
Begeistert führt uns Max Richter durch den Roundhouse-Stall: «Eine Person alleine kann sich um die Tiere kümmern. Alles ist zweckmässig, sicher und robust.»
Unter dem Dach steht ein Gehege-System aus einer verzinkten Stahlkonstruktion, das die Tiere leitet und den Landwirt beim Umtreiben der Herdegruppen schützt. Man kann sich das vorstellen wie einen Schweizer Dreikönigskuchen mit seinem Mittelstück:
- In der Mitte eine kreisrunde Bucht mit Toren zu acht Buchten.
- Die Tore führen in die acht Buchten, eine davon für den Stier Taro.
- Jede Bucht hat ein eigenes Tränkebecken. Diese fassen je 35 Liter und sind so tief, dass die Rinder mit ihrem Flotzmaul richtig saufen können. Und weil jedes Tränkebecken von zwei Buchten aus erreichbar ist – und alle Becken miteinander verbunden – friert das System auch im tiefsten Winter nicht ein.
- Rundherum verläuft der 98 Meter lange Futtertisch.
- Von jeder Bucht aus können die Tiere separat ins Freie gelassen werden.
Die Wagyu-Rinder der Familie Richter weiden in den Hügeln rund um den Hof und bekommen täglich Gerstenschrot-Rationen. Im Winter werden sie mit Heu, Heulage und Gerstenschrot gefüttert. Wenn immer möglich alles vom eigenen Bio-Betrieb.
Die Weidehaltung mit weitem Auslauf und die Zufütterung bei sehr langsamer Mast sorgen dafür, dass sich das Fett im Muskelfleisch der Wagyu-Rinder fein verteilt. Das sieht man später an der typischen Marmorierung mit feinen Fettäderchen. Das Fleisch schmeckt dann leicht nussig, ist saftig und zart.
Konsequente Direktvermarktung
Die Familie Richter verkauft ihr Wagyu-Fleisch zu 90 Prozent in der Direktvermarktung im Hofladen. Die restlichen 10 Prozent gehen an eine Handvoll Edel-Restaurants.
«Mit Direktvermarktung können wir kostendeckende Preise verlangen», erklärt Florian Richter. Die Kunden sind bereit, für das hochwertige Bio-Fleisch mehr zu bezahlen. «Sie kaufen damit auch ein gutes Gefühl» – und es gibt Kunden, die kommen jede Woche.
Bei 200 Euro/kg für ein Tomahawk- Steak oder gar 350 Euro/kg für ein Filet muss man sich dieses Gefühl leisten können. Die Kunden aus dem Dreieck Stuttgart – Frankfurt – Nürnberg fahren denn auch mit Tesla, Porsche und Mercedes im Taubertal vor.
Ein interessantes Detail: Neu-Kunden bekommen nur Hamburger-Patties (also Hacktätschli) für 7.50 Euro/Stück. Damit sollen sie erst einmal auf dem heimischen Grill üben, bevor sie die edlen Stücke bekommen.
Im Roundhouse-Stall sind die Rinder weniger krankheitsanfällig
Der Roundhouse-Stall mit 718 Quadratmeter Fläche ist für 140 Rinder in konventioneller Haltung geplant, die Familie Richter führt ihn aber bewusst nur mit 65 Tieren.
Die Wagyu-Rinder stehen und liegen auf einer 60 Zentimeter dicken Strohmatratze. Im Sommer muss einmal pro Woche eingestreut werden. Vorher kommt noch Holzkohle und Gesteinsmehl auf das alte Strohbett. Das sorgt für angenehmes Stallklima, bindet Feuchtigkeit und Gerüche und verbessert den Mist. Das Gefälle in den Buchten verläuft zur Stallmitte, wo sich der Tretmist sammelt.
Die Wagyu-Herde dreht im Roundhouse-Stall täglich eine Runde, die über den Behandlungsstand mit Waage und am Verladetor vorbei führt. «Für die Rinder wird dieser Weg zur Gewohnheit», betont Max.
So dauert die Impfung gegen die Blauzungen-Krankheit für 50 Tiere nur eine Viertelstunde, ist Max immer noch erstaunt. Und wenn sie später einmal für den Schlachthof verladen werden, geraten die Tiere nicht in Stress, was die Fleischqualität vermindern würde.
In der Mitte des Gehege-Systems steht ein selbstschliessender Behandlungsstand der englischen Firma IAE. «Der Behandlungsstand ist so flexibel und praktisch, dass wir Kälber darin behandeln könnten und der Tierarzt auch einen Kaiserschnitt machen kann», erklärt Max. Bei 1000 Euro für ein Wagyu-Embryo und 15'000 Euro für ein zuchtreifes weibliches Rind lohnt sich der Aufwand für eine schonende Behandlung.
Apropos Veterinär: «Nach unserer Erfahrung sind die Rinder im Roundhouse-Stall weniger krankheitsanfällig. Wir haben praktisch keine Tierarzt-Kosten wegen Erkrankungen.» Mehraufwand bringt nur die Tiefstreu, die zu mehr Klauenwuchs führt, weshalb die Klauenpflege zwei Mal jährlich fällig wird. Im modernen Behandlungsstand aber kein Problem.
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In sechs Jahren vom ersten Kalb zum beeindruckenden Zuchtstier
Für den Aufbau ihrer Wagyu-Herde stallte Familie Richter Fleckvieh-Kühe als Mütter für den Embryonen-Transfer ein. Das erste Kälbchen brachte nur 30 Kilo auf die Waage, Normalgewicht bei Wagyu-Kälbern, während ein Fleckvieh-Kalb schon mal 45 Kilo wiegt. Ein ausgewachsenes Wagyu-Rind wiegt 500 bis 800 Kilo, Stier Taro beeindruckende 1200 Kilo. Beeindruckend auch sein Zuchtwert: Mit einer Körung von 998G gehört Taro zu den Spitzen-Vererbern seiner Rasse.
Die Wagyu-Kälber bleiben zehn Monate bei ihren Müttern, dann werden sie in Gruppen zu je fünf Tieren aufgeteilt.
Geschlachtet werden die Tiere, wenn sie ein Gewicht von 800 Kilo haben, frühestens mit 38 Monaten. Die kleine Schlachterei ist nur 10 Kilometer vom Hof entfernt. Das Fleisch reift dort anschliessend 21 Tage am Knochen bei 2 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent.
Am Ende meines Stall-Rundganges rieche ich schon das Wagyu-Fleisch, das Vater Wolfgang Richter auf der Edelstahl-Grillplatte sanft anbrät. Ein letztes Foto noch, ich lehne mich an die massiven Rohre des Gehege-Systems hinter mir.
Dann rummst es gewaltig. Wagyu-Stier Taro hat Anlauf genommen und mit seinem massiven Schädel das Gitter gerammt, an das ich mich lehne. Nix passiert. Aber als mir Wolfgang auf den Schrecken ein Glas Schnaps anbietet, zittern meine Hände noch
Betriebsspiegel von Taubertal-Wagyu
Vater Wolfgang sowie die Söhne Florian und Max Richter, Creglingen in Baden-Würrtemberg DE
LN: 70 ha
Kulturen: 45 ha Ackerbauund 22 ha Weiden, 3 ha Wald
Tierbestand: 65 Fullblood Wagyu-Rinder
Weitere Betriebszweige: Direktverkauf
Arbeitskräfte: Wolfgang, Florian und Max Richter mit Familien
Website von Taubertal-Wagyu