Kurz & bündig

  • Leandra und Köbi Hagmann setzen in Necker SG im Toggenburg auf Freilandhaltung und Direktvermarktung.
  • Die Landwirte bauen für die Freilandhaltung auf einer bestehenden Infrastruktur auf.
  • Mit der «Kamerasau»-Livecam wecken sie Interesse bei der Kundschaft für die Direktvermarktung im «Kamerasau» Fleisch-Shop.
  • Der Preis für das Schweinefleisch liegt im oberen Preissegment.
  • Die Schweine zeigen natürliche Verhaltensweisen, suhlen sich und pflügen den Boden um.

Die Felder des Adelbach Hofes in Necker SG im Toggenburg sind schneebedeckt. Maisstoppeln ragen aus dem Schnee auf der eingezäunten Parzelle, aber kaum eine Spur eines Tieres. «Es sind Stubenhocker», erklärt Köbi Hagmann.

Er versucht, ein paar Schweine mit etwas Kraftfutter aus dem Stall in den Schnee zu locken. Sie kommen, aber nur zaghaft und gehen bald wieder zurück in die Wärme.

Das Haltungssystem für die Schweine vom Stall ins Freiland umgestellt

Köbi und Leandra Hagmann halten seit einem Jahr Mastschweine im Freiland. Sie haben allerdings, nicht wie sonst in der Freilandhaltung üblich, keine Hütten auf dem Feld.

«Zum Schlafen kommen sie in den Stall zurück», erklärt Köbi Hagmann. Im Sommer hingegen können sich die Schweine tagsüber kaum genug im Freiland aufhalten.

Bis vor einem Jahr hielten Hagmanns ihre Schweine wie üblich in einem Stall mit Auslauf. «Die konventionelle Stallhaltung hat uns nicht mehr wirklich mit Freude erfüllt», stellen sie fest.

Die Tiere waren anfällig für Krankheiten und die Abnehmer stellten immer noch höhere Ansprüche zum Beispiel an das Schlachtgewicht. In der Direktvermarktung und Freilandhaltung sahen sie einen Weg, artgerechte Tierhaltung, Freude an den Tieren und ein sicheres Einkommen zu vereinen.

Schweine im Freiland benötigen viel mehr Platz als bei Stallhaltung. Um eine Nährstoffanreicherung der Freilandfläche zu vermeiden, müssen gemäss einem Merkblatt des Bundesamtes für Umwelt BAFU mindestens 200 Quadratmeter pro Mastschwein zur Verfügung stehen. Die Fläche ist etwa alle vier Monate zu wechseln.

Die Familie entschied sich, ihre Herde von 100 Tieren auf 25 zu verkleinern und diesen eine Fläche von 50 Aren zur Verfügung zu stellen. Für den Weidewechsel unterteilen sie die Fläche in vier Parzellen.

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Der «Blickfang» bei Hagmanns: die «Kamerasau» live im Internet

Die beste Tierhaltung hilft dem Landwirt nicht, wenn er keinen entsprechenden Absatz für seine Tiere hat. Hagmanns verarbeiten den grössten Teil der Milch ihrer 23 Kühe zu Joghurts und liefern diese direkt an ihre Kunden wie Läden, Restaurants, Kantinen oder auch an Haushalte.

Warum nicht auch das Fleisch der Schweine direkt vermarkten? Dazu brauchten sie einen «Blickfang», der ihre Kunden auf die Freilandhaltung aufmerksam machte. Mit Hilfe eines technisch versierten Kollegen rüsteten sie eine Sau mit einer Kamera auf der Schulter aus und übertragen die Videos als Livestream auf ihrer Website kamerasau.ch.

«Die Leute sollen sehen, wie die Schweine leben. Wir haben nichts zu verheimlichen», sagt der innovative Landwirt. Ausserdem bauten Hagmanns im Stall eine Glasdecke ein, von welcher aus Besucher die Schweine von oben beobachten können, ohne dass die Tiere sie sehen. Den Beobachtungsraum haben sie gemütlich eingerichtet. «Es fehlt nur noch die Kaffeemaschine», bemerkt Leandra Hagmann und lacht.

Die Freilandschweine haben eine bessere Fleischqualität

Der Zweck der Freilandhaltung liegt einerseits in der tierfreundlichen Haltung, andererseits aber auch darin, Kunden oder Passanten am Leben der Tiere teilnehmen zu lassen. Sie sollen sehen, was Schweine alles draufhaben, wenn man sie machen lässt. Die Schweine wühlen nach Nahrung, graben sich eine Suhle als Schlammbad, rennen, spielen und ruhen miteinander. Es sind Verhaltensweisen, die Passanten sonst nicht mehr sehen und ihr Interesse an den Tieren wecken.

Hagmanns haben bald einmal festgestellt, dass die Fleischqualität von Freilandschweinen sehr gut ist. Das Fleisch «säuele» nicht, da die Tiere weniger Stress hätten als in Ställen mit vielen Tieren auf engem Raum.

Auch die Schlachtung beim Dorfmetzger trage zu weniger Stress bei. Der Landwirt fährt die Schweine selbst in Gruppen zu etwa fünf Tieren dorthin. Das Fleisch ist zarter und verliert beim Braten weniger Wasser, stellten Landwirt und Metzger fest.

Für die tierfreundliche Haltung und das schmackhafte Fleisch müssen allerdings die Kunden etwas tiefer in die Tasche greifen als beim Kauf von herkömmlichem Fleisch. Ein Mischpaket kostet 35 Franken pro Kilogramm, wobei allerdings grössere Mengen günstiger sind.

Ausgeliefert wird das Fleisch per Post oder Lieferwagen. Damit das Fleisch auch bei der Auslieferung «noch steinhart gefroren ist», wie Hagmann sagt, füllen sie die Styroporkiste mit Trockeneis. Da die Familie auf dem Hof über grosse Tiefkühlzellen zur Lagerung des Fleisches verfügt, kann sie das Fleisch kontinuierlich das ganze Jahr hindurch anbieten.

Noch kann die Familie nicht alles Fleisch selbst im Direktverkauf vermarkten. Doch sie ist zuversichtlich, weitere Kunden zu finden, die bereit sind, sich die tierfreundliche Haltung und Qualität des Fleisches etwas kosten zu lassen.

Die Freilandschweine sind in die Fruchtfolge integriert

Die Freilandhaltung ist geschickt in die Fruchtfolge integriert. Schweine, Mais und Grünroggen wechseln sich ab. Jeweils nach der Kultur räumen die Tiere die Erntereste auf und ackern das Land für die folgende Frucht um, erklärt Hagmann.

Während der Mais beziehungsweise Grünroggen wächst, sind die Schweine auf Wiesland, das im folgenden Jahr als Acker benutzt wird. «Warum sollen wir selbst den Boden wenden? Die Schweine machen es viel besser als der Pflug», stellt Hagmann fest.

Vor der Saat genügt eine oberflächliche Saatbettbereitung mit der Egge. So spare man Arbeitsgänge und Treibstoff. Ausserdem komme weniger Unkraut auf, weil die Schweine die Wurzeln mit ihrem Rüssel ausgraben und fressen.

Während die Schweine beim Ackerbau eine Hilfe sind, erschweren sie allerdings die Pflege des stallnahen Landes. Denn dort konzentrieren sich die Suhlen und bei Regen wird es morastig.

«Mein Herz blutet, wenn der Boden kaputt geht», bemerkt Hagmann. Deshalb streut er Stroh auf die viel begangenen Flächen oder zäunt ein Stück Land aus.

Eine weitere Herausforderung bildet die Nährstoffverteilung auf dem Feld. Der meiste Kot und Harn der Tiere fallen nämlich in den stallnahen Teilen des Feldes oder im Auslauf des Stalles an. Damit auch das vom Stall weiter weg liegende Land genügend gedüngt wird, bringt der Landwirt dort die Stallgülle aus.

Joghurtverarbeitung als Grund-stock der Direktvermarktung

Der Adelbach Hof ist ein 21 ha grosser Grünlandbetrieb. «Wir sind nicht Bio, aber wir wirtschaften praktisch wie ein Bio-Betrieb», sagt Hagmann. Hauptbetriebszweig sind die 23 Milchkühe im Laufstall. Ein Limousin-Stier läuft in der Herde mit.

Die Kälber verkaufen die Landwirte zur Mast, die Nachzucht kaufen sie zu. Etwa vier Fünftel der Milch verarbeiten Hagmanns selbst zu Joghurts.

Diese Tätigkeit liegt im Aufgabenbereich von Leandra Hagmann. Sie stammt von einem Bauernhof in Nidwalden, hat Pflegefachfrau HF gelernt und arbeitet einmal pro Woche bei der Spitex.

«Die Milchverarbeitung haben wir selbst gelernt», sagt sie nicht ganz ohne Stolz. Dazu hat sie einen Milchverarbeitungskurs am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Salez besucht. Vieles hat sie einfach ausprobiert. «Wir mussten auch Lehrgeld bezahlen», gesteht sie. Die Joghurts sind alle laktosefrei und die Beeren stammen von Landwirtschaftsbetrieben in der Ostschweiz.

Die neue Kreation «Adelbach-Hof Fruchtjoghurt» zeichnet sich durch einen besonders hohen Fruchtanteil aus. Ein einfacher, aber attraktiver Selbstbedienungsstand mit Kühlschränken lädt zum Kauf ein.

Der grösste Teil geht per Liefer-wagen an Lebensmittelgeschäfte, Restaurants, Altersheime und Privathaushalte. Diese bestehende Infrastruktur war der Grund, dass das junge Paar es wagte, auch eine Direktvermarktung von Schweinefleisch aufzubauen. Ohne diesen Grundstock wären ihnen die Investitionen und das Risiko zu gross gewesen.

Direktvermarktung muss mit Qualität überzeugen

Die Betreuung der Tiere in der Freilandhaltung braucht nicht mehr Zeit als bei Stallhaltung, aber der Verkauf der Produkte und die Betreuung der Kunden sind anspruchsvoll. «Die Kunden kommen nicht einfach auf den Hof», bringen es die Direktvermarkter auf den Punkt. Ein Vollzeitmitarbeiter, der die Lehre bei Hagmanns gemacht hat, betreibt neben seiner Arbeit auf dem Hof aktive Kundenwerbung. Dafür bietet er attraktive Muster zum Degustieren an. Eine Fahrerin in Teilzeitanstellung fährt die Bestellungen aus. Alles muss gut koordiniert sein.

Mit den Freilandschweinen als neuem Produkt in der Direktvermarktung sehen sich Hagmanns auf dem richtigen Weg. Damit es funktioniert, braucht es Freude, sagt der Landwirt. «Aber auch Mut», ergänzt seine Frau. Denn sie sind auch verantwortlich für die Löhne ihrer Mitarbeiter.

Die Freilandhaltung funktioniert bisher gut. Die Tiere scheinen gesünder zu sein als früher in der Stallhaltung. «Seit Beginn der Freilandhaltung vor einem Jahr hatten wir keine Abgänge mehr», freut sich der Landwirt. Darmverdrehungen und Kannibalismus wie Schwanz- oder Ohrenbeissen kamen nicht mehr vor.

Auch die Kunden sind von der Freilandhaltung angetan. «Wir haben bis jetzt nur positive Rückmeldungen erhalten», erzählen die Betriebsleiter. Einige haben ihnen sogar eine Karte geschrieben: «Ihr macht das super!», «Euer Konzept und Eure Einstellung finde ich grossartig.»

Allerdings bräuchten die Schweine im Freiland trotz der Erntereste mehr Futter als bei reiner Stallhaltung. Für ein Kilo Fleischansatz sind etwa drei Kilo Kraftfutter nötig. Hagmanns nehmen diese Herausforderung an. «Wir wollen mit Qualität überzeugen.» Dafür hilft ihnen die Sau mit der Kamera.

 

Betriebsspiegel des Adelbach Hofes von Köbi und Leandra Hagmann in Necker, SG

LN: 21 ha vor allem in Bergzone I,
davon 20 ha Grünland, 0,5 ha Mais und 0,5 ha Grünroggen, 7,5 ha Wald

Tierbestand: 23 Milchkühe, Limousin-Stier,25 Freilandschweine

Betriebszweige: Eigene Joghurtproduktion, Direktverkauf von Joghurt und Schweinefleisch ab Hofladen, per Lieferwagen und per Post

Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar, ein Vollzeit- und drei Teilzeit-MitarbeiterInnen sowie Vater

www.kamerasau.ch