Der Beitrag für den Verzicht auf Herbizide im Ackerbau und in Spezialkulturen wird vom Bund aktuell nur pro Kultur ausbezahlt. Das heisst, der Beitrag kann nur dann geholt werden, wenn die ganze Kultur auf allen angebauten Parzellen herbizidfrei geführt wurde. Weiter gilt, dass der Herbizidverzicht von der Ernte der vorangehenden Hauptkultur bis zur Ernte der beitragsberechtigten Kultur durchgeführt werden muss.

Die heutige Ausgestaltung des Beitrags zum Herbizidverzicht wurde vom Bundesrat im Rahmen der Verordnungspakets zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» am 13. April 2022 beschlossen und ist seit 1. Januar 2023 in Kraft.

Das schränkt aber die standortgerechte Produktion ein. Denn es gibt Parzellen, die sich besser für die mechanische Unkrautregulierung eignen als andere. Sei es aufgrund von Hangneigung oder hohem Unkrautdruck mit Problemunkräutern.

Bauernvereinigungen fordern Bezahlung der Beiträge pro Parzelle

Deshalb fordern sowohl der Schweizer Bauernverband SBV als auch IP-Suisse und die Vereinigung der Schweizer Kartoffelproduzenten, dass die Produktionssystembeiträge zum Herbizidverzicht für alle Kulturen zukünftig pro Parzelle ausbezahlt werden sollen.

Weiter fordert der SBV, dass die Anforderungen zum Herbizidverzicht zukünftig nur von der Saat bis zur Ernte der Hauptkultur gelten sollen. Diese Forderungen wurden im April 2023 in einer Stellungnahme zum Verordnungspaket 2023 beim BLW eingereicht. Die Forderungen wurden aber nicht in die Vernehmlassung zum Verordnungspaket 2023 aufgenommen. Auch wenn diese bereits im ersten Vorschlag zur AP22+ drin waren. Die Forderungen sind also bekannt und nichts Neues. 

Mit parzellenspezifischem Beitrag Herbizidverzicht fördern

Mit diesen Forderungen soll einerseits erreicht werden, dass mehr Landwirte den Bundesbeitrag zum Herbizidverzicht holen können. Selbst wenn nicht alle ihre Parzellen dazu geeignet sind. Somit soll eine standortgerechte und praxistaugliche Produktion ermöglicht werden.

Andererseits soll die Forderung zur Reduktion der zeitlichen Einschränkung ermöglichen, dass bei Bedarf vor der Saat der Hauptkultur eine chemische Unkrautregulierung durchgeführt werden kann. Beziehungsweise wenn eine Zwischenkultur angebaut wird, die mit Herbizid geführt werden muss, kann ansonsten der Beitrag für Herbizidverzicht für die Hauptkultur nicht mehr geltend gemacht werden.

Höhere Anforderungen bei grösstenteils gleicher Beitragshöhe

In den Jahren von 2019 bis 2022 wurden bereits Bundesbeiträge in Form von Ressourceneffizienzbeiträgen ausbezahlt zur Reduktion von Herbiziden auf der offenen Ackerfläche. Der Beitrag lag in der Höhe von 250 Franken pro Hektare. Die Anforderungen waren dieselben, wie die Branchenorganisationen in der Stellungnahme wieder fordern:

  • Beitrag pro Parzelle
  • Anforderung gültig von der Saat bis zur Ernte der Hauptkultur

Das heisst, die Anforderungen wurden erhöht, aber die Beiträge bei den meisten Kulturen nicht. Ausser bei Raps, Kartoffeln und Freiland-Konservengemüse wurde der Beitrag immerhin auf 600 Franken pro Hektare erhöht.

Hingegen bei den folgenden Spezialkulturen wird der Bundesbeitrag zum Herbizidverzicht weiterhin flächenspezifisch ausbezahlt.

  • Einjährige Freilandgemüse ohne Konservengemüse
  • Einjährige Beeren
  • Einjährige Gewürz- und Medizinalpflanzen

Zudem schreibt der SBV im Antrag: «Die Anforderung, den Verzicht auf Herbizide über die ganze Kultur umzusetzen, führt zudem dazu, dass viele Betriebe aufgrund einer Risikoabwägung ganz darauf verzichten. Damit können wichtige Zielsetzungen sowohl aus Umwelt- wie auch aus Marktsicht nicht im gewünschten Mass erreicht werden.»

Die neuen Forderungen sind also eher kontraproduktiv. Doch wieso wurden die Anforderungen überhaupt verschärft?

Antworten vom BLW zu den Gründen der verschärften Anforderungen

Wieso wurde beim landwirtschaftlichen Verordnungspaket Pa.Iv. 19.475 die Beitragsausrichtung nur nach Kultur und nicht parzellenspezifisch festgelegt? Auf diese Frage kamen folgende Antworten vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW:

«Der Verzicht auf den Herbizideinsatz leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Absenkpfades Pflanzenschutzmittel. Die Anforderung an den Verzicht pro Kultur ist ambitiöser als früher, als der Beitrag pro Fläche möglich war. Mit diesem Ansatz soll erreicht werden, dass die Beteiligung zunimmt, beziehungsweise dass weitere Flächen herbizidfrei angebaut werden. Im Produktionssystembeitrag zum Herbizidverzicht wird zwar die Beteiligung pro Kultur verlangt, die Band- und die Einzelstockbehandlung sind aber zugelassen (inkl. durch Roboter).»

Gemäss BLW sollen mit den Produktionssystembeiträgen sollen Produktionssysteme gefördert werden. Aus dieser Perspektive ist der Herbizidverzicht pro Kultur und nicht nur pro Parzelle notwendig. Beim Auftreten von zu vielen Unkräutern mit der Folge, dass Herbizid eingesetzt wird, muss der Bewirtschafter oder die Bewirtschafterin die betreffende Kultur vom Beitrag abmelden. Damit bestehe im Vergleich zu den Beiträgen pro Parzelle eine höhere Hürde für Abmeldungen und ein grösserer Anreiz auf den Einsatz von Herbiziden zu verzichten und auf Alternativen der Unkrautbekämpfung zu setzen.

Es ist aber fraglich, ob die jetzigen Anforderungen eine Erhöhung der herbizidfreien Flächen bewirken werden. Der SBV befürchtet das Gegenteil.

Der Bundesrat wird Anfang November 2023 entscheiden

Die Stellungnahmen zur Vernehmlassung werden aktuell ausgewertet. Voraussichtlich Anfang November 2023 wird der Bundesrat dann über das landwirtschaftliche Verordnungspaket 2023 entscheiden.

 

Standpunkt
Kommentar von Geraldine Zutter
(Redaktorin "die grüne")


Neue Anforderungen
sind kontraproduktiv


[IMG 2]Es ist fraglich, ob die vom Bundesamt für Landwirtschaft erwartete Förderung des herbizidfreien Anbaus erreicht wird, wenn die Direktzahlungsbeiträge nur noch pro Kultur und nicht pro Parzelle ausbezahlt werden. In der Diskussion mit dem Schweizer Bauernverband, IP-Suisse und der Vereinigung der Schweizer Kartoffelproduzenten wird klar: Die aktuellen Anforderungen an den Beitrag zum Herbizidverzicht im landwirtschaftlichen Verordnungspaket sind eher kontraproduktiv als produktiv!

Einerseits wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln immer mehr verschärft und andererseits werden gleichzeitig die Anforderungen für die Beiträge zum Herbizidverzicht erhöht. Wie soll man da noch «bauern» können?!

Manch ein Landwirt wäre vielleicht bereit, bei einer geeigneten Parzelle einmal einen Versuch zum Herbizidverzicht zu starten. Muss er aber die ganze Kultur herbizidfrei führen, ist die Hemmschwelle zur Anmeldung deutlich höher.

Als Denkanstoss: Wie soll ein Landwirt seine Kartoffelparzelle am Hang hacken? Wenn sein Hackgerät nicht gerade mit neuster Technik wie Kamerasteuerung und RTK-Spurführungssystem ausgerüstet ist, kann das Hackgerät wegen Abdrift in Seitenlage schnell mal zum Grubber werden. Mit den aktuellen Anforderungen hätte er somit nur zwei Möglichkeiten:
Entweder der Landwirt baut keine Kartoffeln mehr auf Hangparzellen an, dafür kann er die ganze Kultur herbizidfrei führen.

- Oder der Landwirt meldet die Kartoffeln gar nicht erst für den Beitrag für Herbizidverzicht an.

Die Vermutung liegt daher nahe, dass sich etliche Betriebe für Variante zwei entscheiden werden. Unter diesen Umständen kann die Zahl an herbizidfrei geführten Hektaren also nicht steigen. Ausserdem wird immer die standortgerechte Bewirtschaftung gepredigt. Solche Verschärfungen behindern und schränken eben gerade eine standortgerechte Bewirtschaftung ein.

Ich hoffe also auf einen vernünftigen Entscheid durch den Bundesrat.