Für die Einträge von Pflanzenschutzmitteln in Gewässer sind neben den Eintragsquellen zum Grossteil immer noch Anwendungsfehler verantwortlich. In der Praxis besteht also noch Handlungsbedarf im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln.

Anwendungsfehler im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln

«Es gibt leider immer noch Landwirte, welche die Feldspritze auf der Strasse laufen lassen, bis an jeder Düse Mittel kommt – und erst anschliessend ins Feld fahren», meint Fernand Andrey.

Das ist verheerend, denn Pflanzenschutzmittel auf der Strasse können nicht wie im Feld versickern und filtriert werden. Durch den Regen werden sie dann in den nächsten Schacht abgeschwemmt und gelangen so in-direkt in Oberflächengewässer.

Auch fehlende Betankungsplätzen sind ein wichtiger Faktor für PSM-Einträge in Gewässer. Beim Waschen der Spritze auf einem normalen Hofplatz läuft die Restbrühe oft in einen Schacht, der entweder in den nächsten Bach oder in die Kläranlage entwässert wird. Dies kann zu indirekten PSM-Einträgen führen.

Fehler und Massnahmen im Umgang mit PSM

Häufige Anwendungsfehler im Umgang mit Pflanzenschutzmittel
- Spritze spülen ohne Waschplatz
- Über offene Schächte spritzen
- Bei Wind spritzen erzeugt Abdrift
- Spritze auf Strasse laufen lassen, bis Mittel aus allen Düsen kommt

Massnahmen zur Verhinderung von PSM-Einträgen in Gewässer
Wasch- und Betankungsplatz
- Schächte abdecken
- Abdriftarme Injektordüsen oder Antidriftdüsen
- Einzeldüsenabschaltung
- Kein Tropfen PSM auf Strasse
- Abstand zu Strassen und Einlaufschächten halten
- Pufferstreifen entlang von Strassen
- Spritze nicht auf Strasse laufen lassen
- Begrünung von Fahrgassen

Lohnunternehmerverband führt Pflanzenschutz-Zertifikat ein

Um Anwendungsfehler zu vermeiden, bietet der Lohnunternehmer-Verband seit Anfang 2022 ein Pflanzenschutz-Zertifikat an. Lohnunternehmer können sich da freiwillig zertifizieren lassen. Zur Erhaltung des Zertifikates erfolgt eine Prüfung, bei welcher eine Checkliste abgefragt wird. Diese ist mit der Checkliste vom Bund harmonisiert und berücksichtigt folgende Prüfschwerpunkte im Umgang mit PSM:

  • Sicherheitsausrüstung
  • Lagerung
  • Entsorgung
  • Befüllung und Reinigung der Spritze
  • Anforderungen an die Ausbringtechnik
  • Fachkompetenz und Weiterbildung

«Solange wir noch PSM-Rückstände in den Gewässern finden, gibt es immer noch Landwirte – aber auch Gemeinden, Golfplätze, Fussballplätze und andere private Anwender – die mit Pflanzenschutzmitteln unsachgemäss umgehen»

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Zur Erhaltung des Zertifikates muss die Prüfung alle zwei Jahre wiederholt werden. Fernand Andrey fände die Einführung des Zertifikates auch für Landwirte sinnvoll, die selber spritzen. Er meint, dass dieses Zertifikat über kurz oder lang sowieso eingeführt werden wird.

Zur Prävention von Anwendungsfehlern ist Agridea an der Entwicklung des Tools «Gute Pflanzenschutzpraxis» beteiligt. Dieses soll zukünftig als Schulungs- und Beratungs-Tool dienen. Es kann auch von Landwirten freiwillig angewendet werden, zur Überprüfung ihres aktuellen Wissensstandes und der Beurteilung ihres Umganges mit PSM. Zur konkreten Verbesserung der Praxis gibt es Kurzfilme und Informationsmaterial.

Kurz & bündig
- Landwirte müssen weiterhin auf die sachgemässe Anwendung von Pflanzenschutzmittel sensibilisiert werden.
- Das Pflanzenschutz-Zertifikat wird seit 2022 vom Lohnunternehmerverband angeboten.
- Eine Parlamentarische Initiative will verschiedene Massnahmen per 2023 einführen.

Haben Gewässerschutzprojekte nichts geholfen?

In den Kantonen liefen und laufen verschiedene Pflanzenschutzprojekte. Eines davon ist das Berner Pflanzenschutzprojekt von 2017 bis Ende 2022. Das Projekt hat insgesamt 60 Mio Franken gekostet. (1)

Im Berner Pflanzenschutzprojekt wurde der Prozess des Mischens und Befüllen der Feldspritze im Hinblick auf direkte PSM-Einträge als besonders kritisch eingestuft. Deshalb wurde das Bauen eines Betankungsplatzes und die Weiterbildung der Landwirte als sehr effektiv bewertet.

Das konnte auch belegt werden, indem während des Projektes die Wasserwerte von drei Kläranlagen untersucht wurden. Dabei wurde festgestellt, dass die Mengen an Pflanzenschutzmittel-Rückständen in allen Anlagen bis 2020 zurückgegangen sind. Am stärksten gingen die Rückstände in der Anlage zurück, bei welcher am meisten PSM-Massnahmen umgesetzt wurden.

Initiative will Pflanzenschutzmittel-Risiko um 50 Prozent reduzieren

Die Ergebnisse zeigen, dass die Schutzmassnahmen effektiv waren. Deshalb sollen weitere Massnahmen umgesetzt und Landwirte auf das Thema und den Umgang mit PSM sensibilisiert werden. Dies will jetzt die Parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» schweizweit fördern. Die PSM-Initiative will eine Risikoreduktion von Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent bis 2027 erreichen für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und Abbauprodukte im Grundwasser. Zum Vergleich der Gewässerentwicklung bezieht sie sich auf die Referenzperiode der Jahre 2012 bis 2015.

Was ändert sich im ÖLN bezüglich Pflanzenschutzmittel-Einsatz?

Teilziel der Parlamentarischen Initiative 19.475
Risikoreduktion von PSM um 50 % bis 2027 zur Referenzperiode 2012–2015 für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und Abbauprodukte im Grundwasser.

Massnahmen die am 1. Januar 2023 in Kraft treten
- Pflanzenschutzspritzen mit mehr als 400 Liter Inhalt müssen mit einem Spülwassertank und einer automatischen Spritzen-Innenreinigung ausgerüstet sein
- Verschiedene freiwillige Direkt-zahlungsprogramme für den Verzicht auf PSM in diversen Kulturen (Weiter-entwicklung der Extenso-Programme)

- Verbot folgender PSM mit erhöhtem Risikopotenzial im ÖLN (nur noch mit Sonderbewilligung anwendbar, wenn kein Wirkstoff mit tieferem Risikopotential möglich ist).
- Alpha-Cypermethrin
- Cypermethrin
- Deltamethrin
- Dimethachlor
- Etofenprox
- Lambda-Cyhalothrin
- Metazachlor
- Nicosulfuron
- S-Metachlor
- Terbuthylazin

- Massnahmen zur Reduktion von Abdrift für allen Parzellen
- Massnahmen zur Reduktion von Abschwemmung auf Parzellen mit >2 % Neigung gegenüber Gewässern oder entwässerten Strassen
- Verlängerung der finanziellen Unterstützung für die Anschaffung von Geräten mit präziser Applikationstechnik für PSM bis Ende 2024
- PSM-Anwendungsverbotvom 1. Nov. bis 15. Februar wird neu auf 15. Nov. bis 15. Februar verkürzt (Herbizidwirksamkeit im Herbst besser)
- Mitteilungspflicht zur Erhebung der PSM-Anwendungen und Verkaufsmengen

Quelle: Parlamentarische Initiative 19.475
www.dgrn.ch/parl-initiative

Das schweizweite Gewässermonitoring erfasst aber erst seit 2018 systematisch PSM-Rückstände in Gewässern. Seither können auch Pyrethroide erst in ausreichender Genauigkeit gemessen werden, welche einen grossen Teil des Risikos darstellen.

Fortschritte der Massnahmen sind schwierig zu überprüfen

Für eine Überprüfung der Risikoreduktion müssen die aktuell gemessenen Wasserwerte also mit Werten aus den Jahren 2012 bis 2015 verglichen werden. Die Werte stammen aber teilweise nicht von den selben Gewässern. Daher ist ein direkter Vergleich schwierig, weshalb zusätzlich ein Indikator entwickelt wurde. Die Fortschritte der PSM-Massnahmen sollen vorwiegend anhand der Verkaufszahlen von schweizweit verkauften Pflanzenschutzmitteln berechnet werden. Die Verkaufsmengen geteilt durch die durchschnittliche Anwendungsmengen sollen dann Rückschlüsse auf die Risikoreduktion ermöglichen.

Anhand der Verkaufsmengen können jedoch keine Anwendungsfehler erkannt werden. Der Indikator hat noch grosse Unsicherheiten und ist deshalb noch in der Entwicklung.

Das nationale Gewässermonitoring soll aber weitergeführt werden, was eine Überprüfung der Verbesserungsmassnahmen ermöglicht. Dadurch könnte es sein, dass zukünftig weitere Pflanzenschutzmittel auf die Verbotsliste kommen werden, sofern diese als besonders risikoreich eingestuft werden. Es könnte aber auch sein, dass die weiteren Massnahmen eine deutliche Verbesserung der Gewässerqualität bewirken werden.

Aktuelle Gewässerwerte zeigen aber, dass weiterhin Handlungsbedarf beim Umgang und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln herrscht. Jedoch ist das Ziel der Initiative zur Risikoreduktion um 50 Prozent etwas unglücklich formuliert. Was heisst Risikoreduktion um 50 Prozent? Das ist schwierig zu überprüfen. Da steht die Politik wiedermal zwischen der Wissenschaft und der Landwirtschaft.

Quelle

(1) Berner Pflanzenschutzprojekt, Zwischenbericht
www.dgrn.ch/pflanzenschutzprojekt