Kurz & bündig

Michaela Lüthi-Gamper ist in Stettfurt TG Inhaberin von Gamper Gemüsekulturen.
- Der Betrieb beschäftigt von März bis November 120 Angestellte.
- Als Geschäftsführerin ist Michaela Lüthi-Gamper im Verkauf, in der Kundenbetreuung, im Marketing und in Spezialanfragen tätig.
- Besonders am Herzen liegt ihr das Personal. Sie erwartet Leistung, will gute Leute fördern und im Betrieb halten.

Chicorée, Eisbergsalat, Gurken, Eichblattsalat – Gemüse gehört zu Michaela Lüthi-Gampers Leben. Ihr Vater Erwin Gamper ist der Schweizer Chicorée-Pionier. Das anspruchsvolle Gemüse wächst auf 160 ha im Wurzel-Vertragsanbau. In den Kühlräumen in Stettfurt TG lagern die Wurzeln dann bis zu einem Jahr in Paloxen, bevor sie innerhalb von 21 Tagen im Dunkeln dank Nährstoffen und Wasser zu verkaufsfertigem Gemüse heranwachsen.

Gleich neben dem «Aufwachraum» werden die Wurzeln von den Chicorée-Zapfen getrennt. Kontrolliert und gerüstet landen die Zapfen in Flow-Pack-Verpackungen. Die Wurzeln werden gewaschen und als Tierfutter weiterverwendet.

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Mit 21 Jahren ist Michaela Lüthi-Gamper in den Gemüsebetrieb des Vaters eingestiegen

Michaela Lüthi-Gamper kennt jeden Arbeitsschritt. «Im Herzen bin ich Landwirtin, kein Bürogummi», sagt die 36-Jährige und strahlt. Eine Lehre zur Gemüsegärtnerin hat sie zwar nicht absolviert, sondern eine kaufmännische Ausbildung und die Höhere Fachschule zur Betriebswirtschafterin.

Nach der Ausbildung hat sie als Personalberaterin gearbeitet und wollte eigentlich nicht ins Geschäft des Vaters einsteigen. Dass sie dies mit 21 Jahren dennoch getan hat, bereut sie nicht. Im Gegenteil: «Früher war ich eher eine Minimalistin. Ich habe mich verändert und Freude gefunden.» Eingestiegen ist sie mit der Abwicklung des Tagesgeschäftes und Zertifizierungen. Schritt für Schritt kamen Verkauf, Buchhaltung, Personalwesen und Disposition dazu – die Verantwortung für den ganzen administrativen Bereich also.

Wie sehr sie sich mit dem Unternehmen identifiziert, zeigt sich auch, seit sie Mutter von zwei kleinen Töchtern ist: «Ich habe einen Teil meiner Aufgaben abgegeben. Und gerade der direkte Kontakt mit dem Personal fehlt mir extrem.»

Aktuell unterstützt sie noch im Verkauf, in der Kundenbetreuung, im Marketing und täglich anfallenden Spezialanfragen. Gamper Gemüsekulturen ist eine Familiensache: Zwei der drei Schwestern von Michaela Lüthi-Gamper arbeiten in Teilzeitpensen im Betrieb mit.

Michaela Lüthi-Gamper ist als Inhaberin von Gamper Gemüsekulturen Unternehmerin

Während des Mutterschaftsurlaubs hat sie so oft wie irgend möglich gearbeitet, heute nimmt sie ihre Kinder mit ins Büro, wenn sie keine andere Lösung findet. «Nur Mami sein, das kann ich nicht», sagt sie.

Ihr Mann Roland Lüthi führt ein Landmaschinen-Unternehmen. Auch er ist selbstständiger Unternehmer. «Er versteht und unterstützt meine Arbeit», sagt Michaela Lüthi-Gamper.

Gamper Gemüsekulturen in Stettfurt TG ist eine Kollektivgesellschaft. Die eine Hälfte der Anteile gehört seit Erwin Gampers Pensionierung im Jahr 2016 Michaela Lüthi-Gamper, die andere Hälfte Simon Forster. Forster ist seit 2002 Teil des Unternehmens, hat Gemüsegärtner-Meister gelernt und ist für den kompletten Anbau verantwortlich.

Fabian Etter wurde während der Schwangerschaft von Michaela Lüthi-Gamper als Mitglied der Geschäftsleitung eingestellt und hat diverse Bereiche von ihr übernommen. «Abzugeben fiel mir anfangs sehr schwer. Das war ein Lernprozess», sagt sie. Sie müsse akzeptieren, dass Fabian Etter gewisse Sachen nicht nur anders, sondern vielleicht auch besser mache als sie.

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Michaela Lüthi-Gamper will gute Mitarbeitende fördern und im Betrieb halten

Gamper liegt das Personal sehr am Herzen: «Die Leute arbeiten viel und verdienen im Vergleich zu anderen Berufen verhältnismässig wenig», sagt sie. Die Direktheit dieser Aussage pflegt sie auch in ihrem Führungsstil. Sie sei zwar unkompliziert, aber Leistung erwartet sie von all ihren Angestellten.

Bei Gamper Gemüsekulturen gilt die 50-Stunden-Woche, einmal pro Woche ist um 16 Uhr Feierabend. «Ich möchte unsere guten Leute fördern und im Betrieb halten», sagt sie. Respekt sei ihr wichtig. «Laut werden bringt wenig – aber wenn es nötig ist, kann ich es auch.» Eine gute Integrations- und Informationspolitik im Unternehmen ist ihr wichtig. Für eine bessere Verständigung bekommen die aus Polen und Slowakei stammenden Mitarbeiter die Möglichkeit, Deutschkurse zu besuchen.

Dass viele die Arbeit in der Gemüsebranche in der Schweiz als Sprungbrett nutzen, um danach auf den Bau oder in die Industrie zu wechseln, versteht sie: «Die Löhne sind in diesen Branchen einfach besser.» Personalwechsel ist sie gewohnt und in den letzten 15 Jahren hat sie sich gute Menschenkenntnisse erarbeitet. Gutes Personal zu finden sei dennoch nicht einfach. «Fleiss und Ehrgeiz sind wichtig, meine Mitarbeitenden müssen wenn möglich Erfahrung in der Landwirtschaft mitbringen.»

Häufig sind es Kollegen oder Verwandte von Saisonangestellten, die sich über den Winter bei ihr bewerben. «Diese priorisiere ich dann», sagt sie. Zwischen März und November arbeiten 120 Angestellte für den Betrieb Gamper. Im Winter sind es zwischen 60 und 80 Angestellte, die ganzjährig angestellt sind.

Ob wachsen das einzig Wahre für ihren Betrieb ist, bezweifelt Michaela Lüthi-Gamper

Im Gurken-Gewächshaus fährt Armenio Rodrigues Fernandes gerade Kisten heran und kontrolliert. Er ist seit 18 Jahren dabei und hat die Leitung des Gewächshauses. «Gewächshäuser – das ist eines unserer Zukunftsprojekte», sagt Michaela Lüthi-Gamper: Aktuell fehle es dem Betrieb an Gewächshaus-Fläche.

Aber ob immer grösser werden der richtige Weg ist, das bezweifelt sie: «Wachstum bringt das Risiko mit, den Gesamtüberblick zu verlieren. Ich möchte mich darauf konzentrieren, Prozesse zu optimieren und durch zufriedene Mitarbeiter eine überdurchschnittliche Leistung zu erreichen.» Dies sei in einem kleineren Unternehmen einfacher umzusetzen.

Auch ist es nicht immer einfach, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nicht immer sind sich Simon Forster und Michaela Lüthi-Gamper einig. «Da sind wir sehr froh, dass Fabian Etter als Mitglied der Geschäftsleitung seine Ansicht mit einbringt.»

In der Gemüse-Branche habe es wenig Frauen. Dennoch fühlt sie sich gut akzeptiert, wenn sie zum Beispiel Simon Forster an einer Produzenten-Versammlung vertritt. «Ich kann mich durchsetzen», sagt sie und lächelt.

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Bei der Arbeit in der Gemüsebranche gehört Pokern um den guten Preis dazu

Michaela Lüthi-Gamper mag an der Gemüsebranche die Direktheit, das Impulsive, die Hektik, das Unberechenbare. «Privat bin ich keine Spielerin – aber bei der Arbeit mag ich das Risiko und das Pokern um einen guten Preis im täglichen Verkaufsgeschäft.»

Kein Jahr sei wie das andere, der Erfolg hänge sehr vom Wetter, aber auch vom Markt ab. «Jahre mit anspruchsvollen Wetterbedingungen sind interessanter, denn Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. In Jahren mit optimalen Wetterbedingungen ist es einfacher zu produzieren, es kommt zur Überproduktion. Dann wird leider oft zu Tiefstpreisen offeriert und die Branche macht sich gegenseitig die Preise kaputt …»

Wenn sie an die Zukunft denkt, hofft sie, dass die Schweizer auch nach der Coronakrise den Wert der einheimischen Produkte schätzen. «Ich hoffe, den Konsumenten wird vermehrt bewusst, wie wichtig die Schweizer Landwirtschaft ist.» Die Regionalität und das bewusste Einkaufverhalten gewinne an Stellenwert, ist sie überzeugt.

Investitions-Möglichkeiten sieht Michaela Lüthi-Gamper: Die Abwärme der Kühlanlagen möchte sie in Energie umwandeln, bereits sind die Dächer mit Photovoltaik besetzt.

Im Moment arbeitet Michaela Lüthi-Gamper zwei Tage fix im Büro, dann betreut eine Nanny ihre Töchter Jeyna (2 ½) und Amy (1). Sie wohnt im Elternhaus, dem ehemaligen Bauernbetrieb vis-à-vis des Gemüsebetriebes. Deshalb kommt es auch vor, dass Geschäftsbesprechungen im Wohnhaus geführt werden und die Mädchen daneben spielen. «Und ich arbeite abends oder wenn die beiden am Nachmittag schlafen.»

Chicorée-Pionier Erwin Gamper gibt sein Wissen weiter

Am Geschäft hängt Michaela Lüthi-Gampers Herz, auch wenn sie aktuell nicht mehr jeden Tag im Büro ist. Ihr Vater ist für sie ein Vorbild: «Er hat die Übergabe früh angesprochen und konnte sehr gut abgeben.» In einem ersten Schritt entstand die Generationen-Gemeinschaft mit Simon Forster, dann die Kollektivgesellschaft. Beraten und betreut wurden sie von einem Treuhänder.

Erwin Gamper ist nicht mehr im operativen Bereich tätig. Er fungiert aber noch als Berater und gibt sein Wissen – vor allem über Chicorée – jeden Tag weiter. Seine Unterstützung und seine Erfahrung schätzt sie: «Mein Vater hat mich nie in den Betrieb gedrängt. Dennoch: Ich fühle mich schon verantwortlich, sein Lebenswerk weiterzuführen, bin aber auch stolz und dankbar, dass ich die Möglichkeit dafür erhalten habe.»

Betriebsspiegel Gamper Gemüsekulturen

Michaela Lüthi-Gamper und Simon Forster, Stettfurt TG

LN: Gamper Gemüsekulturen: 110 ha Jahresfläche, 60 ha Herbstpachten
Gamper Chicorée: 110 ha Wurzel-Vertragsanbau
Gamper Bio-Chicorée: 50 ha Wurzel-Vertragsanbau
Bewirtschaftung: ÖLN, z.T. Bio
Kulturen: 2019 28 verschiedene Kulturen (grösste Anbauflächen: Eisbergsalat (50 ha, Brokkoli 46 ha, Blumenkohl 17 ha, Kopfsalat 17 ha)
Arbeitskräfte: März bis November 120 Angestellte, Winter 60 bis 80 Angestellte

www.gampergemuese.ch