kurz & bündig

  • Christina Geiser und ihre Eltern haben in einen neuen Milchvieh-Laufstall ausserhalb des Dorfkerns investiert.
  • Damit ist der Betrieb in Lüsslingen SO für die Zukunft gerüstet und rentabel.
  • Die Betriebsleiterin hat das Herden-Management professionalisiert, sie wertet Daten mit der Tierärztin aus.
  • Den Betriebszweig «Wagyu-Rinder» baut sie in den nächsten Jahren Schritt für Schritt aus.

Es ist kühl in Christina Geisers Büro im solothurnischen Lüsslingen: Der Nebel der nahen Aare hüllt den modernen, 2015 erbauten Betrieb in einen dichten Schleier. Der Stall steht rund 600 Meter vom Dorfrand entfernt, ohne Wohnhaus daneben: Die Betriebsleiterin lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Dorf im eigenen Haus, ihre Eltern Peter und Maria Geiser im alten Bauernhaus im Dorf.

Ein Wohnhaus dürfte nur gebaut werden, wenn das Haus im Dorf aufgegeben würde, erklärt Peter Geiser. Deshalb fahren er oder seine Tochter jeden Abend nach «10 vor 10» in den Stall und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist.

Im Büro im Stall steht Ordner an Ordner im Regal, vom Schreibtisch aus Christina Geiser einen guten Blick in den Stall. Darin leben 35 Milchkühe, drei Wagyu-Mutterkühe und 23 Aufzuchttiere und ein Mastochse. Über die Fütterung ihrer Milchkühe hat Christina Geiser im letzten Jahr viel nachgedacht: «Ich bin das Thema genauso angegangen wie eine Forschungsarbeit an der Uni: Einlesen, recherchieren, Daten auswerten, Entscheide treffen.»

Angepackt hat sie das mit ihrer Tierärztin Dr. Beatrice Lejeune von der Tierarztpraxis Spiegelberg in Halten SO und der Fütterungsberaterin von der Firma Multiforsa.

Christina Geiser ist ausgebildete Landwirtin und hat Geschichte, Medienwissenschaften und Allgemeine Ökologie an der Uni Bern studiert. Seit 2013 führt die 41-Jährige den Betrieb, den ihre Eltern Peter und Maria Geiser aufgebaut haben. Zuerst als Pächterin, per 1. Januar 2016 hat sie den Betrieb gekauft.

«Wir haben uns dafür entschieden, erst nach Abschluss der Bauarbeiten den Betrieb an mich zu verkaufen», sagt sie.

Vater Peter Geiser ist pensioniert, arbeitet rund 60 Prozent auf dem Betrieb mit und kann seinen Stolz schlecht verstecken: «Ich habe drei Töchter. Es war nicht vorauszusehen, dass jemand den Betrieb weiterführt. Und nun? So ein toller Betrieb!»

Keine Zukunft ohne Investition in den Betrieb in Lüsslingen

Denn das Eltern-Tochter-Gespann hat investiert: Der Standort im Dorfkern war nahe an Wohnbauten, es gab Probleme mit Emissionsabständen, zu wenig Weideflächen und der Anbindestall hätte nur mit grossem Aufwand zu einem Boxenlaufstall umstrukturiert werden können.

Christina Geiser hat ihre Lehre beim Vater gemacht. Während dem Studium hat sie immer wieder auf dem Betrieb gearbeitet und als die Nachfolgeregelung zur Diskussion stand, hat sie sich entschieden, die Verantwortung zu übernehmen.

Für Christina Geiser und ihre Eltern war klar: Wenn der Betrieb eine Zukunft haben soll, braucht es eine Umstrukturierung und somit einen Neubau ausserhalb des Dorfkerns. Gemeinsam wurden die Formalitäten ausgearbeitet mit der Gemeinde und dem Kanton ausgearbeitet.

Finanziert haben Geisers den Neubau mit Eigen- und Fremdkapital von der Regiobank Solothurn. Im Zusammenhang mit einer Beratung beim Bauernsekretariat Solothurn wurde eine Tragbarkeitsberechnung erstellt. Christina Geiser hat für die Planung sowohl die Agridea-Berechnungstools «Berechnung der Deckungsbeiträge» und «Vollkostenrechnung Milch» verwendet als auch eines aus ihrem Coaching. «Ausschlaggebend sind für mich meine eigenen Berechnungen. Ich setze mir kurz, mittelfristig und langfristig Ziele. Bis jetzt habe ich diese noch immer erreicht.»

Unterstützung holt sie sich aktiv: Seit gut zehn Jahren arbeitet sie mit Coach Laurent Carrel an ganz verschiedenen Themen, Strategie-Grundlagen, Marketing, Erfolgsfaktoren, Mitarbeiterführung, aber auch Rentabilitätsberechnungen gehören dazu. Dass Carrel nicht aus der Landwirtschaft kommt, sondern Professor an der Universität Bern ist, findet sie enorm hilfreich: «Das beugt Branchenblindheit vor», sagt sie.

Christina Geiser hat Geschäftssinn und Durchhaltevermögen

Christina Geiser arbeitet sehr strukturiert, das merkt ihr Vater anerkennend an. Zur Übernahme gezwungen wurde sie nie: «Unsere Töchter konnten die Ausbildung machen, die sie wollten», sagt Peter Geiser. Eine Schwester von Christina Geiser ist Ärztin, die andere arbeitet im Personalmanagement.

Christina Geiser sagt, dass sie sich beweisen musste. Ihr Vater sei ein strenger Lehrmeister gewesen und sie ist sich bewusst, dass es Geschäftssinn und Durchhaltevermögen braucht, um mit Milch rentabel zu arbeiten. Durchhaltevermögen hat ihr auch das Studium abverlangt: «Dort hab ich gelernt, auf mich alleine gestellt etwas zu erarbeiten und zu Ende zu führen.»

Mühe, in der männlich geprägten Welt der Landwirtschaft zu bestehen, hatte sie nie. Sie ist darin aufgewachsen und hat das mathematisch-naturwissenschaftliche Profil (Typus C) des Gymnasiums gemacht: «Damals war der Frauenanteil in diesem Profil sehr gering». Während dem Studium hat sie immer wieder in einer Fabrik gearbeitet, die Präzisionsteile herstellt. Ihre Berufskollegen erlebt sie als sehr hilfsbereit.

Während den Arbeitsspitzen arbeiten alle Mitarbeiter auf dem Betrieb mehr, zudem unterstützt Nachbar Hans Kohler beim Heuen und der Grassilage. Die Feldarbeiten erledigen Christina Geiser und ihr Vater zu einem grossen Teil selber. Fürs Ballenpressen, Mähdreschen und Silomais häckseln ziehen sie Lohnunternehmen bei.

Christina Geiser hat das Herdenmanagement professionalisiert

Jede ihrer Entscheidungen wägt sie genau ab: «Ich habe überlegt, auf Bio umzusteigen – aber das ist schlicht zu unsicher im Moment», sagt sie. Vor der Umstrukturierung hatte der Betrieb 30 Tiere, jetzt sind es rund 60: Christina Geiser hat den Tierbestand verdoppelt, abgeschlossen ist die Aufstockung noch nicht. Das Herdenmanagement hat Christina Geiser professionalisiert: «Ich bin der Meinung, dass es keine grundlegenden Probleme geben sollte nach der Aufstockung. Deshalb will ich meine Herde im Griff haben.»

Eine Erweiterung der Milchviehherde von 22 auf 40 Tiere sei ein grosser Schritt, aktuell hat Christina Geiser 35 Milchkühe. Schnell können sich grundlegende Probleme bezüglich Tiergesundheit, Hygienebedingungen, Fütterung und Fruchtbarkeit ergeben, die man nur mit viel Aufwand wieder lösen kann. «Ich investiere sehr viel Zeit in die Prävention von Erkrankungen. So konnten wir zum Beispiel den Antibiotika-Einsatz reduzieren. Seit ich die Betriebsleitung mache, wird die Herde systematischer gemanagt; ich überlasse eigentlich fast nichts mehr dem Zufall.»

Deshalb sammeln Geiser und ihre Tierärztin Daten, die sie statistisch auswerten, sowie Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Alltag. Diese Zusammenstellungen sind dann immer die Grundlage für die Weiterentwicklung und Optimierung von Herdengesundheit, Milchleistung und Milch-Inhaltsstoffen wie Fett und Eiweiss.

Christina Geiser hat konkrete Ergebnisse: «Ich konnte die Kennzahlen deutlich verbessern bezüglich Euter- und Klauengesundheit, Acetonwerte, Laktations-Leistungsniveau und Milch-inhaltsstoffen wie Fett und Eiweiss.» Die Aceton-Kennzahlen sammeln sie mit einem speziellen Messgerät. Die Laktations-Milchleistung pro Kuh steigerten sie um mehr als tausend Kilogramm, bei gleicher Genetik. «Ständig entwickle ich ausserdem die Melktechnik und die Hygienestandards weiter», sagt sie.

Die Tiergesundheit sei sehr gut, das habe auch letzthin die Tierärztin bestätigt. Und Vater Peter Geiser zeigt auf ein Tier, das munter mit den Kälbern herumspringt: «Das Kuhkalb ist mit acht Monaten zur Welt gekommen – wir haben gepäppelt und gepflegt, damit wir es durchgebracht haben.»

Die Betriebs-Übergabe ist ein anspruchsvoller Prozess

Die Investition in den Neubau hat sich gelohnt und war nötig, ist Christina Geiser überzeugt: «Sonst hätte ich den Betrieb nicht weitergeführt.» Erstellt haben Geisers einen Boxen-Laufstall mit Tandem-Melkstand, Jauchegrube und isoliertem Büroraum.

Die eigentliche Bauphase von Februar 2015 bis September 2015 fiel mit Christina Geisers Schwangerschaft zusammen: Sohn Neil kam am 12. Juli zu Welt, zwei Monate später war Christina Geiser voll mit dem Umzug der Kühe in den neuen Stall beschäftigt.

Während den Bauarbeiten habe ihr Vater die Hauptarbeit übernommen, erzählt sie. Dennoch war sie präsent, gemeinsam haben sie Entscheide gefällt. Die Übergabe ist ein Prozess, der auch Konflikte mit sich brachte. «Mein Vater hat mich stets gefördert. Es ist angenehm, mit ihm zu arbeiten, er ist locker und nie nachtragend.»

Dafür, dass Loslassen schwierig ist, hat sie Verständnis – und Peter Geiser gibt offen zu, dass er sich zusammenreissen müsse, nicht reinzureden.

Christina Geiser führt klar und bestimmt, hat die Arbeit anders organisiert, als es ihre Eltern gemacht haben. Zwei Tage pro Woche kümmert sie sich um ihren Sohn, ansonsten hat sie bei der Kinderbetreuung Hilfe von den Grossmüttern und ihrem Mann.

Neben ihrem Vater arbeitet Weldu Tekletsion auf dem Betrieb mit. Er hat sich spontan beworben: «Er ist eines Tages neben mir gestanden, als ich die Kühe von der Weide holte und hat nach Arbeit gefragt», erzählt die Betriebsleiterin.

Der Flüchtling aus Eritrea hat mittlerweile den B-Ausweis und ist ein wertvoller Mitarbeiter. «Er kann enorm gut mit schwierigen Tieren umgehen, ist sehr ruhig.» Und er habe ihr einen bestimmten Zischlaut beigebracht, den er aus seiner Heimat kenne: «Darauf reagieren die Tiere sehr aufmerksam.» Auch diese Anstellung hat sie durchdacht: «Es war ein gewisses Risiko, ihn auszubilden, ohne zu wissen, ob er hierbleiben kann.»

Klare Arbeitsorganisation, reibungslose Abläufe

Reibungslose Abläufe sind ihr wichtig, Christina Geiser optimiert, wo immer sie es für sinnvoll hält. Und obwohl sie für ihre Masterarbeit Daten ausgewertet hat, die zeigen, wie sehr die Technologisierung den Ertrag in der Landwirtschaft gesteigert hat: «Ein Melkroboter kommt bei uns nicht in Frage», sagt sie bestimmt. Das passe nicht in die Arbeitsorganisation des Hofs, denn ein Roboter brauche jemanden, der stets vor Ort sei. «Ein Roboter lässt sich nicht so einfach delegieren», ist sie überzeugt.

Die Buchhaltung dagegen hat sie ausgelagert, auch das Erfassen der Buchhaltungsdaten macht sie nicht mehr selber. Der Betrieb trägt sich selber, sie kann sich im Moment für ihr 60-Prozent-Pensum einen respektablen Lohn auszahlen. Die Umsatzzahlen und die Rentabilität kann sie von Jahr zu Jahr verbessern. Weldu Tekletsion zahlt sie gemäss den Vorgaben, auch ihr Vater bekommt Lohn.

Die Landwirtin baut den Betriebszweig «Wagyu» strukturiert auf

Grössere Investitionen plant Christina Geiser in den nächsten zehn Jahren nicht. «Der Betrieb hat eine gute Grundstruktur, strukturelle Investitionen braucht es in meiner Generation nicht mehr.»

Aktuell baut sie den Betriebszweig «Wagyu» weiter auf. Ihr Vater hat begonnen, Milchkühe mit Wagyu-Sperma zu besamen. 2012 kam das erste Kalb zur Welt, mittlerweile stehen fast reine Wagyu-Rinder im Stall. «Das Fleisch ist wegen der Genetik und der extensiven Fütterung so zart und marmoriert», erklärt sie.

Sie habe sich ins Thema eingelesen und natürlich getestet. Dafür hat sie Wagyu-Fleisch aus allen Ländern probiert, erzählt sie mit einem Lächeln. Ihr Fleisch komme an die Qualität aus den USA und Australien heran, sagt sie. «Japan ist dann nochmals ein anderes Qualitätslevel.» Die Tiere werden älter als klassische Mastrinder, Wagyu werden erst mit etwa 2,5 Jahren geschlachtet. In den letzten Jahren hat sich Christina Geiser einen Stamm von etwa 30 Kunden aufgebaut, die das zarte Fleisch schätzen. Daran arbeitet sie nun weiter – Schritt für Schritt.

 

 

Betriebsspiegel «Hof Gut»

Christina Geiser, Lüsslingen SO

LN: 24,7 ha Kulturland und 1,7 ha Wald

Bewirtschaftung: ÖLN, IP-Suisse, Talzone

Kulturen: Futtergetreide (extenso), Silomais, Kunstwiese, zirka 15 % Ökoanteil am Gesamtland

Tierbestand: Im Moment 35 Milchkühe, 3 Mutterkühe Wagyu, 1 Mastochse, 23 Aufzuchttiere (5 Wagyu und 18 Milchvieh)

Betriebszweige: Milchviehhaltung und Mutterkuhhaltung (Direktvermarktung Wagyu-Fleisch)

Arbeitskräfte: Betriebsleiterin (60 %), Vater der Betriebsleiterin (60 %), Weldu Tekletsion aus Eritrea (50 %) und Unterstützung durch Hans Kohler

www.hof-gut.ch