Kurz & bündig
-Godi und Annemarie Clavadetscher stellten ihren Betrieb in den 1970er-Jahren auf Bio um.
- Nach Schafen und Ochsenmast entschieden sie sich für Mutterkühe.
- Im Weinbau entwickelten sie eine mechanische Unkrautbekämpfung.

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Godi Clavadetscher aus Malans GR hat Anfang der 1960er-Jahre in seiner Ausbildung zum Landwirt am nahegelegenen Plantahof in Landquart GR viel gelernt. Kaum hatte er die Ausbildung abgeschlossen, übernahm er auf dem Betrieb zu Hause viel Verantwortung, die ihm sein Vater gerne übertrug. Dieser war erfreut, wie der junge Godi im Milchviehstall so richtig Gas gab.

Clavadetscher hatte gelernt, wie mit Kraftfutter die Leistung der Milchkühe gesteigert werden kann. Auch der Einsatz von Stickstoff begeisterte den jungen Landwirt. Warum sollte er davon auf dem Feld nicht einsetzen, wenn damit die Erträge höher werden?

Strukturwandel im Bündner Weinbauerndorf

Malans ist ein enges Weinbauerndorf in der Bündner Herrschaft. Die Landwirte machen Rebbau, halten Milch- oder Mutterkühe und produzieren zum Teil auch Gemüse. Die Betriebsstandorte befinden sich heute ausserhalb des Dorfkerns.

Als Godi Clavadetscher auf dem eigenen Betrieb loslegte, befand sich der Milchviehstall noch im Dorf. Die Strukturen waren im Vergleich zu heute klein, mit acht Plätzen für Milchkühe. Dass die Situation vor 60 Jahren völlig anders war, zeigt sich auch daran, dass es um 1965 herum in Malans noch 25 Landwirtschaftsbetriebe gab.

«Heute sind es noch sechs Betriebe. Drei davon haben Milchkühe und die anderen drei haben Mutterkühe. Mehrere Betriebe haben auch heute noch Rebbauflächen», sagt Clavadetscher. Malanser Blauburgunder ist ein Begriff in der Weinbranche.

Mutterkuhhaltung wurde zu einem Erfolg

Annemarie und Godi Clavadetscher begannen Anfang der 1980er-Jahre mit der Mutterkuhhaltung. Das war damals ein weitsichtiger Entscheid, der bis heute richtig ist. Sohn Roman Clavadetscher führt den Betrieb seit 2004 so weiter. Seit dem Jahr 2001 werden die Tiere in einem Laufstall ausserhalb des Dorfs gehalten. Annemarie und Godi Clavadetscher bauten den Stall, den Godi mit Sohn Roman selbst geplant hatte, noch vor der Betriebsübergabe.

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Godi Clavadetscher hatte sich genau überlegt, wie der Stall gebaut werden sollte. Da die Alpzeit von Ende Mai bis Oktober lange ist, kann der Stall im Sommer als Maschineneinstellraum oder zum Rüsten von Gemüse genutzt werden. Dank der Tiefstreu gibt es grosse Flächen, die befahren werden können, da keine Tierhaltungseinrichtungen den Raum blockieren.

Die Fütterung erfolgt an drei Futterraufen, die am Laufhof so platziert sind, dass sie mit dem Lader von aussen praktisch beschickt werden können. Das meiste Futter wird in Silo-Rundballen konserviert.

Das Fütterungssystem ist kostengünstig und arbeitseffzient

Da ganze Ballen in die Futterraufen gelegt werden, muss das Futter nicht nachgeschoben werden wie an einer Fressachse im Futtertenn. Dieses System ist nicht nur kostengünstig, sondern auch praktisch, weil der Betrieb zwei Kilometer von der Wohnung im Dorf entfernt ist und nicht dauernd jemand Futter nachschieben kann. Hier haben Clavadetschers weitsichtig und schlau gebaut. Der Stall bietet Platz für 20 Mutterkühe und auch die neun Pensionspferde sind darin untergebracht.

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Von der Intensivlandwirtschaft zur biologischen Produktion

Der 82-jährige Godi Clavadetscher freut sich besonders, dass heute alle Mutterkuhbetriebe in Malans biologisch produzieren. Er und seine Frau Annemarie (73) waren diesbezüglich weitsichtige Vorreiter und begannen auf eigene Faust. Es gab keine anderen Betriebe mit Erfahrung, einen Beratungsdienst gab es auch nicht. Dass sie Vorreiter waren, zeigt sich auch daran, dass der Kanton Graubünden heute den höchsten Anteil biologischer Betriebe in der Schweiz aufweist.

Clavadetschers stellten ihren Betrieb als einen der ersten auf die biologische Anbaumethode um. Der Schritt in die biologische Landwirtschaft vollzogen sie in den 1970er-Jahren und er geschah aus tiefer Überzeugung.

Bis dies jedoch so weit war, machte Godi Clavadetscher noch einige Erfahrungen als Vollgas-Landwirt. «Wie bereits gesagt, ich war interessiert am Hilfsstoffeinsatz wie Kraftfutter oder Mineraldünger. Die höheren Erträge haben mich überzeugt.»

Der Erfolg war jedoch nicht von Dauer. «Ich habe festgestellt, dass die Milchkühe nicht mehr fit waren. Wegen des Kraftfutters fehlte es ihnen an Spurenelementen. Die Fruchtbarkeit wurde schlecht und die Klauengesundheit hat auch gelitten.»

Auf die Milchkühe folgte eine Schafherde

Nach sieben Jahren wurde die Milchproduktion wegen der Gesundheitsprobleme bei den Kühen aufgegeben. Godi Clavadetscher war immer bestrebt, Lösungen zu finden, wenn etwas nicht rund läuft. In solchen Momenten, wenn Strategien angepasst werden müssen und weitsichtige Entscheide notwendig sind, läuft er zur Hochform auf. Deshalb ersetzte er die Kuhherde mit einer Schafherde, die extensiver als die Milchkühe gehalten wurde.

Auch bei den nun – im Vergleich zu den Milchkühen – extensiv gehaltenen Schafen suchte er stets Optimierungspotenzial. Wegen der gemeinsamen Weidenutzung der Allmenden zusammen mit anderen Schafhaltern war er in seinem Wirken jedoch eingeschränkt. Auf diesen Flächen werden die Tiere vor und nach der Alpung gehalten.

Seiner Meinung nach hätte man da vieles praktischer gestalten können. Er stiess jedoch auf Widerstand. Viele Hobbytierhalter mit wenigen Schafen wollten nichts davon wissen, es sollte alles so belassen werden, wie es schon immer war.

Das passte Godi Clavadetscher auf die Dauer nicht. «Ich bin einer, der gerne ausprobiert, und mit der Schafhaltung kam ich wegen der Allmenden nicht so voran, wie ich mir das vorgestellt hatte.»

Clavadetscher steckte deswegen den Kopf nicht in den Sand. Im Gegenteil, er musste wieder Lösungen finden und ersetzte die Schafe nach fünf Jahren mit Rindern für die Ochsenmast. Die ersten Kälber kaufte er im Bündner Oberland und holte sie mit dem VW-Bus ab. Die Tiere wurden auf dem Hof getränkt und gingen jeweils während zwei Saisons auf die Alp.

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Keine Düngung mehr für Reben und Mais

Die Ochsenmast lief gut, bis Godi Clavadetscher auf einem Sack Milchpulver die Auflistung der Inhaltsstoffe exakt unter die Lupe nahm. Was er dort las, führte zum sofortigen Stopp der Ochsenmast. Aber davon später, denn vorher fällten Annemarie und Godi Clavadetscher eine andere, wegweisende Entscheidung.

Die wegweisende Entscheidung wurde Mitte der 1970er-Jahre gefällt. Godi Clavadetscher blätterte in einem Buch, das Annemarie für die Gartenarbeit gekauft hatte. Der Titel lautete «Gärtnern ohne Gift».

Das interessierte ihn und da er stets neue Herausforderungen suchte, entschieden die beiden, dass sie im Rebbau und im Maisanbau in Zukunft ohne Düngung auskommen wollten. «Beim Mais habe ich mit Klee als Stickstoffquelle für den Mais gepröbelt. Das kam nicht gut. Es gab viel Klee, und der Mais war kaum grösser als der Klee. In der Folge habe ich mit Klee keine Untersaat mehr gemacht.»

Bei den Reben sah es ob des Verzichts der Stickstoffzufuhr zunächst auch nicht gut aus. Die Triebe waren nicht mehr ganz so kräftig. Hier brauchte es unbedingt eine Lösung. Clavadetscher fühlte sich sofort wieder im Element, da er ja solche Herausforderungen liebt.

Mit einem Messer die Grasnarbe unterschneiden

Godi Clavadetscher war überzeugt, dass das Gras in den Rebbauflächen den verfügbaren Stickstoff aufnahm und den Rebstöcken nichts übrig blieb. Er und Annemarie hätten nie daran gedacht, deswegen den eingeschlagenen Weg ohne Düngung zu verlassen.

Auch dann nicht, als sie aus dem landwirtschaftlichen Umfeld sehr wohl mitbekamen, dass ihre Ideen im Rebbau etwas mitleidig belächelt wurden. Aber Clavadetscher hatte eine Idee, wie er das Stickstoffproblem im Rebbau beheben könnte. Um dem Gras die Kraft zu nehmen, baute er eine Maschine, bei der mit einem Messer die Grasnarbe unterschnitten werden konnte. Heute basieren Maschinen für die mechanische Unkrautbekämpfung auf dieser Technologie.

Die Maschine funktionierte ausgezeichnet und die Strategie ging auf. Das Gras wurde geschwächt, die Reben hatten wieder sichtlich mehr Bodenstickstoff zur Verfügung. Annemarie und Godi Clavadetscher amüsierten sich köstlich, als die Kritiker aus dem Vorjahr meinten, sie hätten wohl gemerkt, dass es ohne Düngung nicht gehe. Sie lagen falsch, Clavadetschers setzten nie mehr Dünger ein. Das war der wohl wegweisendste Entscheid, den sie fällten.

Viel Erfolg mit der Mutterkuhhaltung

Zurück zum Sack mit Milchpulver für die Ochsenmast. Damals wurde dem Pulver noch Antibiotika beigemischt. Das hatte Godi Clavadetscher in obiger Szene gelesen. Das liess sich nicht mit der übrigen nachhaltigen Betriebsführung vereinen und es wurde kein einziger Sack Milchpulver mehr gekauft.

Clavadetschers mussten die Nutztierhaltung erneut umstellen und entschieden sich für die Mutterkuhhaltung. Damals habe es im Kanton Graubünden bloss zwei andere Betriebe mit dieser Haltungsform gegeben und es habe wieder viel Pionierarbeit geleistet werden müssen, erzählen die beiden.

Godi Clavadetscher erinnert sich an Diskussionen wegen der Alpung. Die Genossenschafter befürchteten, dass die Jungtiere die Euter ihrer Milchkühe leer saugen würden. Das war jedoch kein Problem und heute sind die meisten Tiere auf der Alp Mutterkühe.

Das Fleisch wurde von Anfang an direktvermarktet und in Hälften oder Vierteln verkauft. Das war ein grosser Erfolg.

Auch der Rebbau war ein Erfolg. Mit anderen Betrieben investierten Clavadetschers in Geräte für die Kelterung und produzierten aus ihren Trauben eigenen Wein, der komplett direktvermarktet werden konnte.

«Wir sind bei wichtigen Betriebsentscheiden meistens richtig gelegen. So hatten wir das Glück, dass wir den Betrieb ohne grosse finanzielle Sorgen entwickeln konnten. Wir hatten nie Zweifel und darauf sind wir stolz», sind sich Annemarie und Godi Clavadetscher einig. Dass der Betrieb heute mit den gleichen Werten weitergeführt wird, freut sie noch viel mehr.

Heute fährt Godi noch täglich mit dem E-Bike zum Stall und hilft mit bei den Kühen und Pferden oder in der Werkstatt oder sonst überall, wo seine Hilfe gefragt ist.

 

Betriebsspiegel «Malanser»
Valérie Cavin und Roman Clavadetscher, Malans GR
LN: 19 ha (davon 0,8 ha Reben)
Kulturen: Kunstwiese, Knoblauch, Zwiebeln, Randen, Spinat und viele andere Gemüsesorten
Tierbestand: 20 Mutterkühe, 20 Kälber, 9 Pensionspferde,2000 Bruderhähne
Weitere Betriebszweige: Gemüseabo, eigene Metzgerei, 2 Hofläden
Arbeitskräfte: 8 Mitarbeitende