Obwohl eine lange Nutzungsdauer ökonomische, ökologische und ethische Vorteile hat, gehen knapp 50 % der Milchkühe noch vor der dritten Laktation ab. In einem fünf-jährigen Projekt untersuchen das FiBL, Agridea, die HAFL und weitere Partner, welche Faktoren die Nutzungsdauer beeinflussen. Auswertungen von Herdbuchdaten der letzten 20 Jahre zeigten, dass die Nutzungsdauer in dieser Zeit bei den meisten Rassen auf 3,0 bis 3,8 Jahre gestiegen ist. Langlebige Kühe haben im Durchschnitt eine niedrigere Einstiegsleistung, sind fruchtbar und bleiben lange eutergesund.
Betriebe mit langer Nutzungsdauer füttern proteinbetont
Ein Vergleich von Fokusbetrieben mit besonders langer versus besonders kurzer Nutzungsdauer zeigte, dass Betriebe mit langer Nutzungsdauer häufiger Laufstall-Systeme hatten, ganzjährig weniger proteinbetont fütterten und sich deutlich im Besamungs-Management unterschieden (spätere Erstbesamung, kürzere Rastzeit, häufigere Besamung mit Mastrassen).
Strategien zur Erhöhung der Nutzungsdauer von Milchkühen werden im Dialog mit LandwirtInnen erarbeitet und auf interessierten Betrieben versuchsweise umgesetzt. Zudem erarbeitet das Projekt Vorhersagen, wie sich eine erhöhte Nutzungsdauer auf den Milch- und Fleischmarkt sowie auf Klimagasemissionen und Ressourcenverbrauch auswirken könnte.
StandPunkt von Florian Leiber, FiBL: Warum nicht etwas länger? [IMG 2]
Im Bereich bis sechs Kalbungen steigt die Milchleistung mit jeder Laktation noch an. Der Zuwachs an der Lebenstagesleistung durch die Steigerung der Nutzungsdauer von 3,5 auf 5,5 Laktationen wäre mit vielen Jahren Zuchtfortschritt nicht leicht einzuholen. Die Aufzuchtkosten wären niedriger, die Möglichkeiten zur Selektion und Mastremonten-Anpaarung grösser. Einiges spricht dafür. Im genannten Projekt wird sorgfältig überprüft, ob über den Weg Nutzungsdauer ein erhebliches Potenzial zur Einsparung von Methan-Emissionen besteht.
Es gibt also viele gute Gründe, die für eine Steigerung der Nutzungsdauer sprechen. Und – gewiss, viele praktische Hürden – die dem entgegenstehen. Aber ist es tatsächlich wirtschaftlicher, die Kühe kürzer zu halten? Ist es tatsächlich so schwierig, sie länger zu halten? Sind die Gründe im Stall zu suchen oder im Kopf? Die Schweizer Milchviehbetriebe sind den deutschen um mindestens eine Laktation voraus. Warum nicht auch zwei?