Kurz & bündig
- Seit 2021 führt Swissgenetics Bio-KB-Stiere im Standardangebot.
- Das soll sich nun ändern, weil die Nachfrage nach diesen Stieren teils verhalten war. 
- Neu wird eine Reservation nötig sein. FiBL und Bio Suisse rechnen damit, dass dadurch der Einsatz der Bio-KB-Stiere zurückgehen wird. 
- Das Projekt «Bio-KB-Stiere» ist dennoch nicht gestorben: Man werde weiter auf die Selektion und Aufzucht von Stierkälbern von Biobetrieben setzen, erklärt Anet Spengler Neff.

Der Platz im «Kübel» des Besamungstechnikers ist begrenzt. Gleichzeitig steigt die Vielfalt des heutigen Samenangebots. Die unterschiedlichsten Stiere, geprüft oder als Optimis-Stiere, verschiedenste Rassen, die neuste Genetik, konventionell, gesext, Spermvital und – seit März 2021 bei Swissgenetics im Angebot – Bio-KB-Stiere. Die ganze Produktevielfalt kann nicht vollständig im flüssigen Stickstoff mitgeführt werden, weshalb die einzelnen Produkte sich teils konkurrenzieren.

Das bekommen aktuell die Bio-Stiere zu spüren, welche im Rahmen eines zeitlich befristeten Projektes bei Swissgenetics geführt werden. Sie sollen ab 2024 nur bei einer entsprechenden Nachfrage im Standardangebot geführt werden. Das bestätigt Hansjörg Bigler, Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiter Genetik bei Swissgenetics, auf Anfrage.

Künftig bloss die Reservation als Option

«Die Nachfrage nach den Bio-KB-Stieren ist leider teils recht verhalten», begründet Bigler. Einer der Stiere brauchte beispielsweise beinahe ein Jahr, um seinen Prüfeinsatz von 250 Erstbesamungen zu absolvieren. «Die meisten Jungstiere brauchen dazu wenige Monate», so Bigler.

Das Ziel dieses Prüfeinsatzes ist die breite Streuung des neu lancierten Stiers. So stehen baldmöglichst viele Töchter in den Ställen, die ultimativ zeigen, ob die Genetik des Stiers einen Breiteinsatz rechtfertigt.

Bereits heute sind die Bio-KB-Stiere nach abgeschlossenem Prüfeinsatz nur noch während sechs Monaten im Standardangebot erhältlich, danach über die Reservation. Künftig wird es für die Bio-Stiere bloss noch diese Option zum Kauf geben. Ohne Reservation wird der Besamungstechniker keine Dose eines Bio-KB-Stiers anbieten können.

«Eine Sache der Organisation»

Maximal dauert es nach der Reservation (telefonisch oder online) zwei Wochen, bis die Samendosen für die Besamung zur Verfügung stehen. Alle zwei Wochen werden nämlich die «Kübel», also die Transportbehälter mit flüssigem Stickstoff, mit neuen Dosen ausgerüstet – auch mit denjenigen, die in der Zwischenzeit bestellt wurden.

Es ist auch möglich, zu Beginn der Besamungssaison bereits alle gewünschten Samendosen für die kommenden Monate zu reservieren, sodass diese dann im Kübel sind, wenn die Besamerin oder der Besamer auf den Betrieb kommt.

«Reservation ist auch bei vielen anderen Stieren die Norm. Schliesslich können wir nicht alle nachgefragten Stiere im Gefäss jedes Besamungstechnikers anbieten», sagt Bigler. Dass Stiere daher nach ihrem Prüfeinsatz aus dem Stickstoff-Gefäss «verschwinden», ist also nicht unüblich. Die Reservation ist etwas komplizierter als das Standardangebot, führt Bigler aus: «Wir haben jedoch viele Kunden, die das regelmässig und erfolgreich tun. Es ist eine Sache der Organisation und durchaus machbar.»

Einige Rassen liefen gut, andere weniger

«Wir befürchten natürlich, dass durch die grössere Hürde der Reservation weniger Bio-KB-Stiere eingesetzt werden», sagt Anet Spengler Neff, Projektverantwortliche am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL.

Auf die Nachfrage nach Bio-KB-Stieren angesprochen, differenziert sie: «Bei der Rasse Swiss Fleckvieh sind wir zufrieden. Bei Brown Swiss sind die Verkaufszahlen aber tatsächlich tiefer als erhofft. Andererseits hat der Original Braune Bio-KB-Stier Zoggel sehr gute Verkaufszahlen.»

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Insbesondere im Kanton Graubünden seien die Bio-KB-Stiere schlecht angekommen, sagt Spengler Neff. Sie haben eine Umfrage unter den LandwirtInnen durchgeführt, erklärt die Forscherin. Der Preis sei dabei kein Grund für den Verzicht auf Bio-Samendosen.

«Die Kosten für das gesamte Projekt werden von den Projektpartnern sowie von Sponsoren getragen. Das heisst, die Samendosen der Bio-Stiere werden den LandwirtInnen zum gleichen Preis angeboten, wie alle anderen Jungstiere bei Swissgenetics », erklärt Spengler Neff.

Argument der Milchleistung lässt sie nicht gelten

Die Umfrage hat drei andere Gründe aufgedeckt, weshalb die Bio-Stiere viele Brown Swiss-ZüchterInnen nicht überzeugten:

  • Genetisch hornlose Tiere fehlen.
  • Die Abstammung vom Stier Simbaboy ist zu stark vertreten und die Genetik dementsprechend eng in Herden, wo auch viele Simbaboy-Töchter stehen.
  • Die Milchleistung ist zu tief.

«Die beiden ersten Argumente sind berechtigt. Wir haben mittlerweile weitere Stiere aufgezogen und können diese Bedürfnisse abdecken», sagt Spengler Neff. Die tiefe Milchleistung lässt Spengler Neff allerdings nicht gelten. «Die Bio-Stiere sind mindestens durchschnittlich in der Milch. Der Durchschnitt ist bei Brown Swiss mit über 7000 kg bereits relativ hoch. Wichtig sind auch eine angemessene Fleischleistung (Bemuskelung) und vor allem sehr gute funktionale Merkmale.»

Befristeter Projektvertrag gekündigt...

Ein Blick auf die Selektionskriterien für die Bio-KB-Stiere zeigt, dass die Milchleistung nicht der Hauptfokus des Projekts ist (siehe Kasten am Ende des Artikels). Es geht vor allem darum, für die Biobetriebe Genetik zur Verfügung zu stellen, die sich unter Bio-Bedingungen bereits bewährt hat.

Bewährte Genetik hin oder her: Nachdem Swissgenetics die verhaltene Nachfrage festgestellt hatte, werde sie nun auf Ende 2023 den bisherigen befristeten Projektvertrag mit FiBL und Bio Suisse kündigen, sagt Hansjörg Bigler.

«Wir sehen aber durchaus auch Potential im Projekt und werden daher eine angepasste Vereinbarung mit den Projektpartnern aushandeln und das Projekt in angepasster Form weiterführen», sagt Bigler. Trotz allem bleibt die Nachfrage ein wichtiges Kriterium: «Wenn ein Stier keine Nachfrage hat, dann können wir ihn nicht monatelang im Sortiment halten. Das wäre nicht fair gegenüber anderen Stieren», betont Bigler.

... doch ein neuer Vertrag wird in Aussicht gestellt

Zwei Stiere (SI und SF), die bereits abgesamt wurden, werden im Frühling 2024 noch lanciert und absolvieren ihren Prüfeinsatz im Standardangebot. Neue Bio-KB-Stiere werden hingegen über die Samenreservation von Swissgenetics angeboten. Ausser, wenn einer der Bio-KB-Stiere Swissgenetics überzeugt und gute Marktchancen hat: «Dann sind wir auch in Zukunft sehr daran interessiert, Hand für gute Lösungen zu bieten», sagt Bigler.

«Wir werden demnächst einen neuen Zusammenarbeitsvertrag zwischen FiBL, Bio Suisse und Swissgenetics entwerfen, den hoffentlich im neuen Jahr wieder alle unterzeichnen werden», ergänzt Anet Spengler Neff. Ausserdem sei Swissgenetics bereit, auf die neuen Bio-KB-Stiere in ihrem Heft TORO aufmerksam zu machen und die Filterfunktion für Bio-Stiere auf ihrer Webseite zu erhalten, ergänzt sie.

In Zukunft noch strengere Auslese der Stierkälber

Für sie ist klar, dass sie mit den Bio-KB-Stieren weitermachen wollen: «Wir sind sicher, dass es dieses Angebot von KB-Stieren aus Biobetrieben mit viel Weidegang und sehr wenig Antibiotika- und Kraftfuttereinsatz in Zukunft immer mehr braucht. Die Stierkälber werden wir noch strenger auslesen, um Aufzuchtkosten zu sparen – zum Beispiel kein Stierkalb mehr mit Simbaboy-Blut», sagt Spengler Neff. Für die Stierenwahl treffen sie sich mit den Biozüchtergruppen, um deren Bedürfnisse und Ansprüche stärker berücksichtigen zu können, so die Forscherin.

Ausserdem wird auf Werbung gesetzt, mit Artikeln und Inseraten. «Wir machen Vorträge und Workshops in der Schweiz und im Ausland. In Deutschland, Frankreich und Österreich sind viele ZüchterInnen und Bio-Zuchtorganisationen interessiert an unseren Samendosen und an unserem Projekt», erklärt Spengler Neff.

Bio-Stiere für die künstliche Besamung
Das Projekt «Bio-KB-Stiere» wurde 2019 lanciert. Die Projektleitung haben das FiBL, Bio Suisse und Swissgenetics inne. Das FiBL führt dabei die Selektion der Stierenmütter und deren Stierkälber zusammen mit Bio-Züchtern der jeweiligen Rasse durch.

Die wichtigsten Kriterien sind dabei Langlebigkeit und eine hervorragende Gesundheit bei einer angemessenen Milchleistung. Die Stierenmutter muss:
- auf einem Biobetrieb gehalten werden,
- im Sommer mindestens die Hälfte ihres Futters auf der Weide fressen,
- nicht mehr als 300 kg Kraftfutter pro Jahr erhalten
- maximal einmal im Leben mit Antibiotika behandelt worden sein.  

Elf Bio-KB-Stiere im Angebot
Die Stierkälber müssen ebenfalls strenge Kriterien erfüllen. Im Alter von fünf bis sechs Monaten werden sie den Biozüchtern durch das FiBL abgekauft und am Plantahof (BS und OB) oder auf einem Bio-Aufzuchtbetrieb (SF und SI) aufgezogen.

Im Alter von gut einem Jahr kauft Swissgenetics die besten Stiere produktionsfähig ab. Sie werden nach der Quarantänezeit in Mülligen eingestallt, wo sie dann abgesamt werden.

Aktuell sind elf Bio-Stiere bei Swissgenetics erhältlich:
- Je drei Brown Swiss und Original Braunvieh, vier Swiss Fleckvieh und ein Simmentaler.
- Vier dieser Stiere sind nach wie vor im Standardangebot vorhanden. Die restlichen sind auf Reservation erhältlich.

Im Herbst 2023 werden zwei neue Brown Swiss Bio-KB-Stiere lanciert: Vau PP und Fink. Beide werden nur über Reservation erhältlich sein.

SF-Stier Albin und SI-Stier Aebi
2024 werden die beiden letzten Bio-KB-Stiere nach dem alten System lanciert und während des Prüfeinsatzes im Standardangebot geführt: der SF-Stier Albin und der SI-Stier Aebi. Abgesehen davon werden die Samendosen von allen bisherigen und von allen neuen Bio-KB-Stieren über die Samenreservation bei Swissgenetics erhältlich sein.


Alle Bio-KB-Stiere können auf der Website von Swissgenetics mit dem grünen «B» gefiltert und so leicht gefunden werden.

Projekt-Website: www.bio-kb-stiere.ch