Kurz & bündig

- Jasmin Gisi (28) ist auf 
dem elterlichen Geflügelhof 
in Mellingen AG angestellt.
- Sie ist Geflügelwirtschafts-
Meisterin und wird den Betrieb übernehmen.
- Gisis ziehen ihre Legehennen selber auf und lassen sämtliche Hennen schlachten.
- Das Fleisch der Legehennen vermarkten sie zum Teil selber.
- Die Eier vermarkten sie zum grössten Teil selber, für einen 
Teil besteht ein Abnahme-Vertrag mit der Eico AG.

Zuerst klopft Jasmin Gisi (28) an: «Frauen, ich bin da.» Dann pfeift sie, öffnet langsam die Türe und tritt zu ihren Junghennen. Gut 1500 Tiere wuseln herum, etwas ängstlich zuerst. Jasmin Gisi im blauen Übergewand kennen sie, die Besucherinnen von «die grüne» in weissen Plastiküberzügen machen sie misstrauisch.

[IMG 4]

Die Tiere sind als Küken auf den Geflügelhof Gisi in Mellingen AG gekommen, einige haben noch den gelben Kükenflaum auf dem Kopf. Die Tiere dürfen ab der 2. bis 3. Alterswoche in die Voliere, ab der 7. Woche in den Aussenklimabereich. Und mit 18 Wochen ziehen sie in den grossen Legehennen-Stall.

Das Umstallen geht zügig, aber nur dank zusätzlichem Personal. 16 bis 
18 Leute sind im Einsatz. Im Sommer passiert das Umstallen ab 22 Uhr, im Winter bereits ab 19 Uhr. Eine Gruppe nimmt die schlafenden Tiere an den Beinen von der Voliere und gibt sie an die Läufer, welche die Tiere in Transportgitter bringen. Dann werden sie in den neuen Stall gefahren.

«Wir wollen das möglichst kurz halten – die Tiere sind nur zirka fünf Miuten in den Transportgittern», sagt Jasmin Gisi. Ziel sei, den Stress für die Tiere möglichst gering zu halten.

Fast den ganzen Hennen-Kreislauf 
auf dem Geflügelhof Gisi in Mellingen

Wenig Stress, viel Tierwohl: Das ist Jasmin Gisi und ihrer Familie wichtig. Deshalb ziehen Gisis ihre Legehennen auch selber auf. Platz haben sie auf zwei Etagen für maximal 4000 Tiere, die sie, seit es den Geflügelhof Gisi gibt, von der Geflügelzucht Hermenhof in Staufen AG beziehen. «So haben wir fast den ganzen Kreislauf auf dem Betrieb», erklärt Jasmin Gisi.

Neben weniger Stress ist auch die bakterielle Belastung nach der Umstallung geringer. Das halte die Tiere gesund, ist Jasmin Gisi überzeugt. Die Tiere werden übers Wasser geimpft, ansonsten brauchen sie keine Medikamente.

Jasmin Gisi ist die vierte Generation in der Geflügel-Dynastie. Der Geflügelhof Gisi ist mittlerweile umzingelt von Gewerbe-Bauten, Mehrfamilienhäuser sind nahe.

«Hier hatte mein Grossvater noch eine Apfelplantage», sagt Jasmin Gisi, die einen Abschluss als Geflügelwirtschafts-Meisterin hat, und zeigt auf ein graues Industriegebäude.

[IMG 5]

Der Hofladen des Geflügelhofs Gisi läuft und 
bringt viele Kundenkontakte

Für die Familie passt die Lage in der Gewerbezone: Der schmucke Hofladen läuft sehr gut. «Nicht mehr normal war es wegen Corona dieses Jahr um Ostern herum», sagt Jasmin Gisi. «Ich habe die Schlange an Menschen gesehen, die bei uns Eier kaufen wollte und die Vorräte, die einfach wegschmolzen.»

Anrufe an andere Eierproduzenten hätten sie gar nicht erst gemacht: Die Situation sei überall dieselbe gewesen. «Und unsere Hennen legen nun mal nicht mehr als ein Ei pro Tag.» Neben Eiern vermarkten Gisis auch das Fleisch ihrer Hochlandrinder im Hofladen. Die Rinder sind aber nicht nur für die Fleischproduktion auf dem Hof: In erster Linie halten sie die Weiden für die Hennen schön kurz.

Weidezugang – aber die Legehennen sind am liebsten in Stallnähe

Die Hälfte von Gisis Legehennen lebt in Freilandhaltung. Neben einem Schnitzelplatz haben die Tiere auch Weidezugang. Genutzt wird vor allem die Weide, die nahe beim Stall ist.
«Hühner sind alles andere als dumm», weiss Jasmin Gisi. Weiden die Tiere nämlich in Stallnähe, können sie sich in Sicherheit bringen, sobald ein Raubvogel auftaucht.

Zudem mögen die Tiere Hitze nicht: Gisis haben die Weiden zwar mit Rückzugsmöglichkeiten und Bäumen ausgestattet. Aber weit weg vom Stall entfernen sich die Hennen nicht. Doch wo sie sich herumtreiben, zeigt der Boden klar: «Sie fressen alles und pflügen um», sagt Jasmin Gisi, «da nützen auch unsere Esoraster aus Recycling-Kunststoff im Boden nichts.»

Die andere Hälfte der Hennen leben in Bodenhaltung, sie haben also neben dem Stall Zugang zu einem Wintergarten.

[IMG 3]

Auf zwei Beinen steht 
es sich sicherer, findet Jasmin Gisi

Welche Hühner in welcher Haltungsform leben, zeigt sich an der Farbe: Weisse Legehennen fürs Freiland, braune für die Bodenhaltung. Denn seit 2019 verkauft die Migros als erste Detailhändlerin der Schweiz nur noch Schweizer Eier aus Freiland-Haltung (ÖLN und Bio). Die Migros-Budget-Eier stammen aus dem Ausland (Bodenhaltung). Damit ist Migros gemäss Gallo Suisse der einzige Detailhändler mit dieser Strategie. Volg zum Beispiel verkauft nur noch Schweizer Eier.

Gisis liefern einen Teil der Eier ihrer Hennen sortiert und abgepackt über die Eico an die Migros. Den grösseren Teil vermarkten sie selber: Sie liefern zum Beispiel an Wiederverkäufer, also an Landwirte mit Hofläden oder Marktständen, und verkaufen viel im eigenen Hofladen.

«Wir hatten schon immer zwei Standbeine», sagt Jasmin Gisi. Das macht sie unabhängiger und flexibler.

Jasmin Gisi: «Gute Tierhaltung muss nicht zwingend Bio sein»

Für Gisis ist es zum Beispiel schlicht nicht möglich, den ganzen Betrieb auf Freiland umzustellen: «Dazu fehlt uns die Fläche.» Das sagt Jasmin Gisi auch im Hinblick auf die Abstimmung über die Massentierhaltungs-Initiative: «Wie sollen wir bei unserem doppelstöckigen Aufzucht- und Legehennenstall jeder Gruppe eine Weide bieten?»

Ein Umstellen auf Bio kann sich die Familie nicht vorstellen. «Vermutlich müssten wir zwei Ställe schliessen», sagt Jasmin Gisi. «Bio passt auch nicht zu uns. Wir schätzen Schweizer Produkte und stehen hinter guter Tierhaltung. Das muss nicht zwingend Bio sein», findet sie.


«Wir haben nichts zu verbergen», sagt Jasmin Gisi. Wer ihren Hofladen besucht und einen Blick in die Ställe werfen will, darf das. Manchmal entdeckt man dabei auch einen Hahn, der dem Jungtier-Auswahlverfahren entgangen ist: «Wenn sie sich gut benehmen, lassen wir sie in der Herde.» Gisis Hennen haben eine regelmässige Leistung und sind gesund. Sie dürfen raus – und sie leben gut 100 Wochen.

Gisis lassen die Hennen im Alter von 60 bis 65 Alterswochen eine Mauser machen: Während fünf bis sechs Wochen simulieren sie Winter. Das Futter wird umgestellt, mit einer Zeitschaltuhr werden die Tage im Hennenstall stetig kürzer. Erst, wenn kein einziges Ei mehr gelegt wird, stellen Gisis wieder auf Legehennen-Futter um.

Die Hennen stossen Federn nach, regenerieren sich und legen als Folge der Mauser grössere Eier mit guter Schale. «Die Händler haben nicht so gerne übergrosse oder extragrosse Eier. Aber im Hofladen sind sie begehrt», erklärt Jasmin Gisi.

Alle Legehennen werden geschlachtet und verarbeitet

Aktuell haben die Hennen bei Gisis so gut 100 Wochen zu leben. «Wir versuchen, das noch weiter zu verlängern», sagt sie. Doch irgendwann nehmen die Leistung und die Schalenqualität einfach ab.

Dann landen die Hennen aber nicht in der Biogas-Anlage, sondern werden geschlachtet. Gisis arbeiten mit zwei kleinen, regionalen Schlachtereien zusammen. Im Hof
laden verkaufen sie nicht nur klassischen Suppenhühner, sondern auch Pulled Chicken, Geflügelwurst und vorgefertigte Produkte, die nur noch aufgewärmt werden müssen. «Als nächstes möchten wir ein Curry ins Sortiment nehmen», sagt sie.

Gisis blicken immer voraus: «Mein Grossvater hat im Scherz schon immer gesagt, dass wir jetzt dann mit Bauen aufhören», sagt Jasmin Gisi. Doch: «Wer aufhört zu investieren, kommt nicht mehr mit», ist sie überzeugt. Deshalb haben Gisi in den letzten Jahren drei der Ställe mit Photovoltaik ausgestattet. Den Strom eines Dachs nutzen sie für den Eigenbedarf, zwei Dächer sind an die AEW Energie AG vermietet.

Gisis haben die Ställe erneuert und im Jahr 2015 von einer mechanischen auf eine vollautomatische Sortiermaschine gewechselt. Die Maschine sortiert die Eier nach Grösse, bedruckt sie mit dem Legedatum und kann Etiketten für die Schachteln drucken.

«Wenn ich jetzt im Sortierraum stehe, frage ich mich, wie wir das früher geschafft haben», sagt Jasmin Gisi. Was früher fünf bis sechs Tage in Anspruch genommen hat, ist nun in ein paar Stunden pro Tag erledigt.

Jasmin Gisis Zukunft liegt 
auf dem Geflügelhof

Jasmin Gisi ist die vierte Generation, die mit Hühnern arbeitet. Und sie mag die Tiere: «Ich habe zu jeder Herde eine eigene Beziehung. Manche sind zutraulich, andere weniger. Schon bevor ich die Türe öffne, höre ich an den Geräuschen, ob alles in Ordnung ist.»

Nach der Lehre als Geflügel-Fachfrau und der Meisterprüfung war sie zu 80 Prozent als Pouletmast-Beraterin für Micarna unterwegs. «Das war ein schöner Job», sagt sie und sie hätte nichts dagegen gehabt, noch länger mit «ihren» Pouletmästern zu arbeiten.

Doch auf dem elterlichen Hof wurde sie gebraucht: Die Grosseltern Rösly (78) und Kurt (80) Gisi sind zwar noch rüstig. «Grossmami macht fast die ganze Buchhaltung», erzählt Jasmin Gisi. Der Grossvater hilft überall mit, fährt Eier aus und pflegt die ganze Umgebung des Geflügelhofs. Dennoch war es den Eltern wichtig, die Tochter einzubinden.

Für Jasmin Gisi ist klar, dass sie den Betrieb dereinst übernehmen wird. Wie und zu welchen Konditionen, das ist noch nicht klar: «Meine Eltern sind erst knapp über 50, da haben wir noch etwas Zeit.»

[IMG 6]

Zeit gibt es auch noch, die Wohnsituation bei Bedarf anzupassen: «In meinem Alter will ich sicher nicht mehr im Kinderzimmer leben», stellt Jasmin Gisi klar. Deshalb wohnt sie seit 2017 in einem Mobilhome auf dem Gelände des Betriebs. «Das passt für mich allein perfekt.» Gisi ist eine begeisterte Reiterin, «am Abend bin ich selten daheim.»

Ihr Partner lebt im Kanton Luzern, auf einem Hof mit Obstbau und Elterntieraufzucht. Wie die beiden dereinst beide Höfe unter einen Hut bringen, daran tüfteln sie noch herum. «Klar ist, dass wir beide Höfe als eigenständige Betrieb erhalten möchten.» Alles andere – auch die Familienfrage – werde sich ergeben.

[IMG 7]

Betriebsspiegel 
Geflügelhof Gisi

Betriebsleitung:
Andreas und 
Heidi Gisi, Melligen AG
LN: 8 ha
Kulturen: Futtergetreide, Mais, Weizen, Ökoflächen, Naturwiesen
Tierbestand: 14 000 Legehennen, Platz für 4000 Junghennen, 
3 bis 4 Hochlandrinder
Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung Fleisch der Hochlandrinder
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Jasmin Gisi, Grosseltern von Jasmin Gisi, 1 Lehrling, 5 Teilzeit-Kräfte im Stundenlohn

www.gefluegelhof-gisi.ch

[IMG 2]

Suppenhuhn oder Biogas?

Auf dem Geflügelhof Gisi landet keine Legehenne in der Biogas-Anlage.
Bei den Gallo Suisse angeschlossenen Produzenten können rund 50 Prozent der Hennen geschlachtet werden; 2018 waren es noch fast 80 Prozent.

Gallo Suisse versucht auch, den Detail
handel dafür zu gewinnen, das Suppen
huhn bekannt zu machen: «Wir stellen nämlich fest, dass viele gar nicht wissen, dass es Suppenhuhn zu kaufen gibt», schreibt Edith Nüssli von Gallo Suisse.

Bei Bio Knospe sind es in der Regel
100 Prozent der Legehennen, deren Fleisch weiterverwendet wird.

Bei der Genossenschaft Gallo Circle laufen verschiedene Anstrengungen, dass wieder von mehr Hennen das Fleisch verwertet werden kann.

Eine Bio-Legehenne wird im Schnitt zwölf Monate alt, da der Grossteil der Betriebe mit Abnehmer-Verträgen arbeitet. Für die Umtriebsplanung ist der Ein-Jahres-Rythmus am einfachsten. Im 2020 wurden 55  der Herden, deren Eier an Hosberg geliefert werden, länger als 70 Wochen gehalten, im Durchschnitt 73 Wochen.

Eine ÖLN-Legehenne erreicht – ebenfalls wegen der durch Verträge fixierten Umtriebsplanung – im Schnitt ein Alter von 500 Tagen/71 Wochen.

Das Beispiel der Familie Gisi, die ihre Legehennen mit der künstlich ausge
lösten Mauser zu einer zweiten Lege
periode und somit einem längeren Leben verhilft, ist also eher die Ausnahme.

Möglich macht es nicht nur die Einstellung der Familie zu ihren Tieren, sondern die Tatsache, dass sie den grössten Teil der Eier selber vermarkten und die Umtriebsplanung selber machen. Das sei aufwändig, sagt 
Jasmin Gisi – aber es entspreche ihrem Verständnis von Tierwohl und Ethik, dass die Hennen länger und stressfrei leben dürfen.