Kurz & bündig
- ForscherInnen der Agroscope arbeiten derzeit an der Aktualisierung des Gelben Buches.
- Im Zuge dessen werden unter anderem Informationen zum Bedarf an Spurenelementen aktualisiert.
- Auch die höheren Leistungen der Mastschweine werden künftig im Gelben Buch berücksichtigt werden.
Grundsätzlich sind die angegebenen Formeln im Gelben Buch global gesehen immer noch aktuell», erklärt Patrick Schlegel, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agroscope. Die Agroscope Forschungsgruppe für Schweine arbeitet an aktuellen Themen zur Ernährungsphysiologie und setzt sich intensiv mit Futtermittelempfehlungen von Nutztieren auseinander. Zuletzt beschäftigte sich Patrick Schlegel mit dem Bedarf an verdaulichem Phosphor bei Mastschweinen.
Welche Nährstoffe braucht das Schwein?
Stickstoff: Den braucht es unter anderem für den Aufbau von Aminosäuren (AS). Aus mehreren AS werden Proteine aufgebaut. Proteine wiederum kommen im Körper (von Schweinen, aber auch von allen anderen Lebewesen) vielseitig zum Einsatz: Zum Aufbau von Muskeln, als Botenstoffe oder als Katalysator für Reaktionen.
Lysin: Der Körper kann etliche der AS selbst herstellen – ausser die essenziellen AS. Diese müssen zwingend über das Futter aufgenommen werden. Bei den Schweinen ist Lysin die essenzielle AS, die limitierend ist. Das bedeutet, die Aufnahme von Lysin muss gewährleistet sein – andernfalls hilft es auch nicht, wenn von den anderen AS mehr gefüttert wird.
Phosphor: Das ist ebenfalls ein essenzieller Nährstoff, der über das Futter aufgenommen werden muss. Phosphor wird beispielsweise gebraucht, um die Knochen und Zähne aufzubauen und zu erhalten. Ausserdem spielt Phosphor im Energiestoffwechsel des Körpers eine wichtige Rolle.
Eisen, Iod, Kupfer, Mangan, Selen und Zink sind die wichtigsten Spurenelemente für das Schwein. Diese Mineralstoffe braucht es zum Aufbau von Körperstrukturen wie dem Skelett oder dem Bindegewebe. Ausserdem wirken sie bei der Arbeit von Enzymen oder im Nervensystem mit.
Phosphor-Empfehlungen sind grundsätzlich noch aktuell
Dabei hat Schlegel die neuesten Empfehlungen zu Phosphor aus den Niederlanden und Frankreich mit den alten Empfehlungen aus dem Gelben Buch verglichen. «Diese unterscheiden sich bezogen auf das Endresultat nicht wirklich voneinander», berichtet er. In der letzten Version des Gelben Buches waren die Bedarfswerte auf verdaulicher Basis recht neu.[IMG 2]
Die Angaben im Gelben Buch waren zu dieser Zeit als Übergang von Gesamtphosphor zu verdaulichem Phosphor und von Rohprotein zu verdaulichen Aminosäuren zu sehen. Deshalb seien immer noch beide Grössenordnungen enthalten, obschon heutzutage nicht mehr wirklich von Rohprotein-Bedarf und Gesamtphosphor gesprochen wird. Eine Überarbeitung des Gelben Buches ist aktuell im Gange, Patrick Schlegel ist daran beteiligt. Allerdings sei die offizielle Aktualisierung zeitlich noch nicht festgelegt.
Schlegel geht davon aus, dass im Zuge dessen nur noch von verdaulichen Aminosäuren und verdaulichem Phosphor die Rede sein wird. Dabei wird der Bedarf an verdaulichem Lysin angegeben und weitere essenzielle Aminosäuren ins Verhältnis gestellt. Ein minimaler Rohproteinbedarf wird aber weiterhin bestehen, um genügende Mengen an Stickstoff für die Bildung von nicht essenziellen Aminosäuren zu gewährleisten.
Für verdauliches Phosphor und verdauliches Lysin enthält das Gelbe Buch eine kontinuierliche Angabe nach dem Bedarf, einem gewissen Gewicht und einer gewissen Leistung. Dies sei noch immer gültig, sagt Patrick Schlegel.
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Verhältnis von Kalzium zu verdaulichem Phosphor
Wo es eine weitere Aktualisierung geben wird, ist beim Verhältnis von Kalzium zu verdaulichem Phosphor. Momentan sei dies ein fixer Wert, der aber je nach Kategorie (Ferkel, Mastbeginn, Mastende etc.) angepasst werden sollte, weil sich das Optimum mit jeder Wachstumsphase anders entwickelt. «Das war damals noch nicht bekannt und wird in die Überarbeitung des Gelben Buches einfliessen. Diese Adaptation wurde aber bei anderen Fütterungsempfehlungen auch noch nicht berücksichtigt», berichtet Schlegel.
Für Zink gibt es seit 2011 neue Empfehlungen
Ein weiterer Punkt bei den Mineralstoffen ist Zink: Seit 2011 gibt es hinsichtlich der Fütterung des essenziellen Spurenelements neue Empfehlungen, die aber nicht im Gelben Buch enthalten sind, sondern separat publiziert wurden («Fütterung von Zink beim Schwein», ALP Aktuell Nr. 40). Gerade für Ferkel spielt dies eine wichtige Rolle, weil in dieser Entwicklungsphase der Bedarf an Zink am höchsten ist. Aber auch für alle anderen Kategorien enthält die Publikation einen korrigierten Wert.
Die aktualisierten Fütterungsempfehlungen ermöglichen eine bedarfsgerechte Zink-Zufuhr bei minimalen Zink-Ausscheidungen. «Wenn das Mineralstoff-Kapitel im Gelben Buch aktualisiert wird, werden diese Empfehlungen von 2011 aufgenommen», so Schlegel.
In der Forschung werde gezielt an diesen Themen gearbeitet. Schlegel beschäftigt sich momentan mit Phosphor- und Kalziumbedarf bei den Sauen. Mit einer neuen Datengrundlage könnte man im Sauenbereich noch effizienter werden, berichtet der Wissenschaftler. In diesem Zusammenhang sei vor allem das Thema Resilienz im Fokus.
Als Quelle für Phosphor hat das Tier zum einen das Futter und zum anderen interne Körperreserven, die benutzt und auch wieder aufgebaut werden können, ähnlich dem Energiestoffwechsel mit Fett. Dieser Vorgang werde momentan nicht berücksichtigt.
«Wir arbeiten forschungsmässig daran, zu verstehen, wie es physiologisch funktioniert, dass der Körper Reserven auf- und abbaut. Also, in welchem Masse und in welchen Mengen er dies tut. Sobald wir dazu eine genügende Datengrundlage haben, werden wir sehen, ob es sich lohnt, dies für die Praxis zu berücksichtigen.» Ist dies der Fall, würde das grössere Änderungen in den Fütterungsempfehlungen von Phosphor für Sauen bedeuten, schlussfolgert Schlegel.
Was haben Zink und Phytat miteinander zu tun?
Zink ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Für die Umwelt ist es allerdings ein Schadstoff, den es zu minimieren gilt, denn eine Zinkanreicherung des Bodens kann zu einer Reduktion der Bodenfruchtbarkeit über Vergiftungserscheinungen bei Mikroorganismen führen.
Die wichtigste Änderung in den neusten Zink Empfehlungen von 2011 ist der Einbezug der Bioverfügbarkeit. Die Bioverfügbarkeit von Zink aus pflanzlichen Futtermitteln variiert stark. Sie ist vor allem abhängig vom Vorhandensein sogenannter Phytate, die Speicherform von Phosphor, denn der Grossteil des Zinks ist an diesem Molekül gebunden.
«Der Zink-Gehalt steigt proportional zum Gehalt pflanzlicher Phytate, seine Bioverfügbarkeit wird hingegen deutlich reduziert», schreibt Patrick Schlegel in seiner Publikation zur aktualisierten Fütterungsempfehlung für Zink. Die Lösung sei das Zusetzen von Phytase.
Die Enzymgruppe Phytase vermag es, Phytate abzubauen, und setzt damit Phosphor wie auch Zink frei. «Die zugesetzte Phytase trägt stark zur Verwertung von Zink aus Futtermitteln bei und ermöglicht deutliche Einsparungen der zugesetzten Zink-Menge», erklärt Schlegel. Dies ist wiederum vorteilhaft für die Umwelt, wenn man Zink aus Sicht eines Schwermetalles betrachtet.
Veränderte Tageszunahmen fliessen in die Empfehlungen ein
Auch das heutzutage höhere Leistungsspektrum der Mastschweine wird im Gelben Buch künftig berücksichtigt werden. Die Berechnungen für den Zuwachs im Gelben Buch lagen bislang bei durchschnittlich 900 Gramm pro Tag. Heutzutage gebe es aber Betriebe, die höhere durchschnittliche Tageszunahmen aufweisen. Der Bedarf ist immer leistungsbedingt und auf ein gewisses Gewicht angegeben.
Der Bedarf an verdaulichen Aminosäuren und verdaulichem Phosphor sei davon abhängig, so Schlegel. «Im Prinzip ist auch die kontinuierliche Phasenfütterung bereits im Gelben Buch enthalten, weil diese auf einer Tagesbasis berechnet werden kann. Wir haben keine Empfehlung, die auf ein, zwei oder drei Phasen ausgelegt ist. Aber wir haben eine grundsätzlich tägliche Empfehlung, die sich an den Änderungen des Bedarfs orientiert.»
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Den Rohproteingehalt auf die Wachstumsphase abstimmen
Auch Professor Peter Spring beschäftigt sich mit der Phasenfütterung von Mastschweinen und stimmt Patrick Schlegel zu: «Obschon zu lange kein Update erfolgt ist, sind ein Grossteil der Empfehlungen im Gelben Buch nach wie vor gültig», erklärt der Leiter des Fachbereichs Agronomie an der Berner Fachhochschule BFH-HAFL. Spring setzte sich in den letzten Jahren mit der Entwicklung der Schweinefütterung im Hinblick auf Emissionsreduzierung auseinander.
Wird weniger Rohprotein bei gedeckter Aminosäureversorgung gefüttert, verringert sich auch die Ausscheidung des Schadgases Ammoniak. In seiner aktuellen Publikation untersuchte Peter Spring die Entwicklung der Rohproteingehalte im Futter von Ferkeln, Mastschweinen und Sauen über die letzten Jahrzehnte. Gemeinsam mit weiteren Forschenden überprüfte er die meist genutzten Mischfuttermittel in der Schweiz hinsichtlich der darin enthaltenen Anteile an Rohprotein (RP), Lysin und Phosphor.
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Seit 2008 sind die RP-Gehalte in allen Futterkategorien bei leicht steigenden Energiegehalten gesunken. Vor allem der Fall sei dies beim Ausmastfutter – dort liegt eine Reduzierung des RP-Gehalts von –19,4g RP/kg vor. Während der Mastzeit nimmt der Bedarf der Tiere an essenziellen Amino-säuren ab, daher ist es wichtig – und ab 1. Januar 2024 auch verpflichtend –den RP-Gehalt des Futters auf die jeweilige Wachstumsphase abzustimmen, um Ammoniakausscheidungen wirkungsvoll zu reduzieren.
Nachbessern bei der Phasenfütterung von Mastschweinen
[IMG 5]Auf die Frage nach den wichtigsten aktuellen Fütterungsempfehlungen für Mastschweine antwortet Peter Spring: «Es braucht zwei oder drei Phasen in der Fütterung. Zudem muss der verdauliche Phosphor- und verdauliche Aminosäuren-Bedarf bei möglichst tiefen P- und RP-Gehalten gedeckt sein.» Seine Studien zeigen hinsichtlich der Phasenfütterung allerdings noch Nachbesserungsbedarf, denn nur knapp 50 Prozent der Mastbetriebe mit Alleinfutter oder Ergänzungsfutter zu Schotte setzen die Phasenfütterung um.
Viele Betriebe füttern in der Ausmastphase Durchmastfutter, welches durchschnittlich einen 14,65g RP/kg höheren RP-Gehalt aufweist als Ausmastfutter. «Der dadurch verursachte Proteinüberschuss sollte durch die konsequente Umsetzung von Phasenfütterung eliminiert werden», so Spring.
Auch der Bund fördert die stickstoffreduzierte Phasenfütterung bei Mastschweinen durch die Zahlung von sogenannten Ressourceneffizienzbeiträgen REB. Allerdings liegen die Nationalen Bedarfsnormen für Rohprotein über dem für den Erhalt der REB geforderten maximalen Gehalt. «Eigentlich fordert der Bund durch die REB heute, dass Schweinehalter teilweise Nationale RP-Bedarfsnormen unterschreiten», erklärt Peter Spring. Die RP-Normen sollten daher, unter Berücksichtigung der heute auf dem Markt verfügbaren Aminosäuren, überprüft und angepasst werden.
Weniger hoher Rohproteingehalt im Sauenfutter
Auch in der Sauenfütterung beobachten die Wissenschaftler Veränderungen. Vor allem seien hier die Roh-proteingehalte im Galtsauenfutter um 11,45g RP/kg seit 2008 gesunken. Erfreulicherweise seien die sogenannten Kombifutter, die früher in der Säugend- als auch in der Galtherde gefüttert wurden, vom Markt verschwunden.
«Da sich der Bedarf der Galtsauen im Verlauf der Trächtigkeit ändert, liesse sich durch die Umsetzung einer Mehrphasenfütterung der Herde oder gar einer individuellen Mehrphasenfütterung die Proteinversorgung weiter optimieren», so heisst es in der Publikation. Es ist also noch immer Luft nach oben oder, mit Blick auf den Rohproteingehalt, passender nach unten.
Ab 1. Januar 2024 ist die Phasenfütterung bei Mastschweinen obligatorisch
Seit 2018 unterstützt der Bund die stickstoffreduzierte Phasenfütterung bei den Schweinen mit den Ressourceneffizienzbeiträgen REB. Es gibt Tierkategoriespezifische Grenzwerte beim Rohprotein pro Megajoule verdauliche Energie. Diese Grenzwerte können eingehalten werden, wenn in Phasen gefüttert wird.
Bis Ende 2026 erhalten die LandwirtInnen dafür einen Beitrag von 35 Franken pro Jahr und Grossvieheinheit GVE. Danach wird die Phasenfütterung zur Erfüllung des Ökologischen Leistungsnachweis ÖLN vorgeschrieben sein.
Bis anhin war bei den Mastschweinen als Übergangslösung ein Durchmastfutter erlaubt gewesen. Das ändert nun. Ab dem 1. Januar 2024 wird die Phasenfütterung bei Mastschweinen obligatorisch. In der Vormast muss die eingesetzte Futterration mindestens 20 Prozent und in der Endmast mindestens 30 Prozent der während der Mastdauer verwendeten Futtermittel ausmachen.
Das heisst, dass ab dem 1. Januar 2024 zwei Silos auf dem Betrieb vorhanden sein müssen – eines für Vormast- und eines für Ausmastfutter.