Kurz & bündig
- Bereits heute werden verschiedene Lebensmittel ohne Sonnenlicht in geschlossenen Räumen und teilweise sogar unter der Erde produziert.
- Künftig sollen es noch mehr werden: Start-ups in diesem Bereich schiessen wie Pilze aus dem Boden.
- Diese Start-ups werden von zahlreichen Investoren mit Millionen überhäuft.
- Marktstudien sehen goldene Zeiten auf diese Unternehmen zukommen.
- Marktstudie (englisch): www.dgrn.ch/marktstudie-vertical-farming
Drei Unternehmen sind in der Schweiz bereits aktiv – und zwar nicht nur in Nischen. Infarm hat mit der Migros einen der beiden grossen Detailhändler der Schweiz an der Angel.
1. Kräuter aus der Minifarm
Das Berliner Start-up-Unternehmen Infarm (Indoor Urban Farming GmbH) stellt sogenannte «Minifarmen» her. Es handelt sich um Gewächshauskästen, die mit Kräutern bestückt und dann an Interessenten vermietet werden.
Die Migros hat seit einem Jahr sechs dieser Minifarmen in Filialen in Bülach, Zürich und Uster in Betrieb. Die Kunden können den Kräutern dort beim Wachsen zuschauen.
Migros-Sprecher Gabriel Zwicky sagt, die Erfahrungen seien gut: «Die Kräuter überzeugen geschmacklich und mit ihrer hohen Frischewirkung.»
Dank Infarm könne man das ganze Jahr hindurch Schweizer Kräuter anbieten. Dass das Kräutersortiment jederzeit verändert und für jede Filiale gemäss Kundenwünschen angepasst werden kann, sei ein zusätzliches Plus.
Die Infarm-Kräuter kosten gleichviel wie Kräuter im 20-Gramm-Beutel. Ob sich die Minifarmen auch für die Migros rechnen, wollte der Mediensprecher nicht sagen.
Einen Werbe-Effekt haben sie auf jeden Fall. Die futuristisch aussehenden Kästen mit dem violetten Licht ziehen viele Blicke auf sich. Zwicky: «Das Interesse der Kunden für die Technologie und die alternative Anbaumethode sind gross.» Deshalb prüfe die Migros derzeit bei jedem Um- und Neubau, «ob Platzverhältnisse und Kundenstruktur den Betrieb einer Infarm erlauben.»
2. Pilze aus der Höhle
Die Gotthard-Bio-Pilze AG hat sich auf höhlengewachsene Edelpilze spezialisiert. Der Familienbetrieb Lussi produziert unter anderem in einer Höhle des Rotzbergs in Stansstad NW Shiitake, Plerotus und Kräuterseitlinge. Früher wurde dort Bahnschotter abgebaut. Später gab es in der 100 Meter langen und 40 Meter hohen Kaverne ein Lager zur Käsereifung.
Seit 2016 wachsen in der Höhle auf dem Areal der Steinag Rozloch AG Pilze. Lussis produzieren in ehemaligen Munitionslagern der Armee in Erstfeld weitere Pilze. Vor der Bunkernutzung stand allerdings ein bürokratischer Hürdenlauf. «2009 starteten wir mit der Anfrage für die Bunkernutzung», erzählt Pilzbauer Alex Lussi, «doch bis wir dort die ersten Pilze ernten konnten, wurde es 2013.»
Der Lauf durch die Instanzen hat sich gelohnt. «Wichtig ist für uns, dass das Klima für die Pilze stimmt und nicht erst durch uns verändert werden muss.» Das ist sowohl in der Höhle als auch in den Bunkern der Fall: Die Durchschnittstemperatur liegt bei 12 bis 15 Grad, die Luftfeuchtigkeit über 90 Prozent.
Weil der Anbau in mehreren Lagen erfolgt, können pro Quadratmeter etwa acht Kilo Pilze pro Jahr geerntet werden. Die Gotthard-Bio-Pilze AG produziert nach den Richtlinien von Bio Suisse und verkauft sowohl direkt als über Zwischenhändler.
3. Veganes Eiweiss aus Algen
Vegane Ernährung ist in. Doch die fleischfreie Ernährung ist oft arm an hochwertigem Eiweiss, entsprechend intensiv verläuft die Suche nach Ersatzprodukten für tierisches Protein.
Das Schweizer Start-up-Unternehmen Alver ist fündig geworden: Es verwendet für seine veganen Fertigprodukte wie Pasta, Suppen und Saucen ein Eiweiss, das aus der Mikroalge «Golden Chlorella» hergestellt wird.
Das Besondere daran: Im Gegensatz zu normalem Chlorella und anderen Algen hat Golden Chlorella praktisch keinen Algengeschmack. Es kann deshalb in der Lebensmittelproduktion vielseitig eingesetzt werden.
Entwickelt wurde Golden Chlorella an der Walliser Fachhochschule HES-SO (in der auch die Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2019 lehren). Manfred Zinn, Leiter der Forschungsgruppe Biotechnology and Sustainable Chemistry, hat den Prozess begleitet.
«Algen benötigen wie Pflanzen Sonnenlicht und CO2 als Energie-Lieferanten», erklärt Zinn, «manche Algen können aber auch auf andere Energie-Lieferanten umstellen.» Chlorella wächst statt mit Licht fast genauso gut mit Glukose.
Diese Glukose stammt derzeit vor allem aus Zuckerrüben, es können aber auch andere pflanzliche Glukoseträger verwendet werden. Zinn geht davon aus, dass auch noch andere Mikroorganismen ihren Energiebedarf mit etwas anderem als Licht decken können.