Kurz & bündig
- Wer Essiggurken produzieren möchte, sollte Erfahrung mit Kürbisgewächsen mitbringen.
- Gurken sind nährstoffzehrend und brauchen Bewässerung.
- In der Deutschschweiz kümmert sich die IG Essiggurken Schweiz um die Preisverhandlungen mit dem Verarbeiter Hugo Reitzel (Suisse).
- Produzenten sind gesucht, die Chancen auf einen Anbauvertrag stehen gut.
Michael Frei hat den vielfältigen Betrieb in Unterstammheim im Kanton Zürich 2018 von seinen Eltern übernommen. Er widmet sich mit grosser Leidenschaft dem Kürbisgewächs. Auf den Anbau von Essiggurken aufmerksam geworden ist er durch ein Inserat in einer landwirtschaftlichen Zeitung.
Erfahrungen mit einer ähnlichen Kultur haben die Eltern von Michael Frei mit Zuckermelonen gesammelt. Da sich die Gurke in der Pflanzenfamilie und im Anbausystem nicht sonderlich von Zuckermelonen unterscheidet, haben sich Michael und sein Vater 2017 auf eine Versuchsparzelle für Essiggurken von 40 bis 50 Aren geeinigt.
Essiggurken zuvor schon im Garten angepflanzt
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«Wir dachten, Ausprobieren lohnt sich allemal», erklärt Michael Frei. «Die Maschinen für die Ernte sowie das Bewässerungssystem waren wegen des Melonenanbaus vorhanden. Somit waren die Investitionskosten tief.» Die Familie hat zudem im Garten Essiggurken angepflanzt und diese selbst eingemacht. Auch so kam ein Erfahrungsschatz zusammen, den Michael Frei heute nutzen kann.
Das Bewässerungssystem zeigt es bereits: Gurken sind regelrechte «Säufer». Die Pflanze ist sehr nährstoffzehrend und benötigt eine ausreichende Wasserzufuhr. Am besten eignet sie sich nach einer Getreideart oder Kunstwiese. Eine Anbaupause von vier Jahren muss eingehalten werden. Ansonsten sind sie gut in die Fruchtfolge eines Betriebes integrierbar. «Vor allem, wenn sie nur auf einer kleinen Fläche angebaut werden», meint Michael Frei.
Wärme, Bewässerung und Flüssigdünger für die Gürkchen
Gurken mögen es warm. In der ersten bis dritten Maiwoche werden auf dem Hof von Michael Frei Setzlinge gezogen. Der Boden wird vorbereitet. Pflügen und danach ein Durchgang mit der Kreiselegge genügen. Anschliessend wird eine Folie verlegt, die in den ersten Wochen den Unkrautdruck mindert.
Setzlinge sind zudem eine gute Option, da durch die Grösse der Pflanzen der Schneckenbefall reduziert werden kann. Nach der Auspflanzung der Setzlinge gilt es, die Gurken regelmässig zu wässern. Am besten ist ein Tröpfchenbewässerungs-System geeignet, das gleichzeitig auch Flüssigdünger abgeben kann.
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«Essiggurken lassen sich gut in die Fruchtfolge integrieren.»
Landwirt Michael Frei, Unterstammheim
Die Gurken werden alle zwei Tage geerntet
«Die Gurken mögen keinen Regen von oben. Der Wurzelballen sollte aber immer schön feucht sein», kommentiert der Landwirt schmunzelnd. Ab Ende Juni bis Anfang September beginnt die stressige Zeit. Die Gurken wachsen dann etwa 2 cm täglich. Das bedeutet, dass mindestens alle zwei Tage das Feld geerntet werden muss. Die Gurken sollen 4 bis 8 cm lang sein, um den Qualitätsanforderungen zu genügen. Sind sie länger, passen sie nicht mehr ins Glas. Deshalb ist es wichtig, die Gurken stetig zu kontrollieren: Sind sie zu gross, können sie nicht mehr verarbeitet werden und bringen keinen Ertrag – den Arbeitsaufwand hatte Frei aber dennoch.
Läuse und Mäuse sind unerwünscht
Während des Wachstums können Läuse die Gurken befallen und die Pflanzen mittels Saugen zum Verkümmern bringen. Die Läuse oder auch Thrips (Fransenflügler) können die Gurken anstechen, wodurch sie unförmig und nicht mehr marktfähig sind.
Auch Mäuse mögen Bewässerungsschläuche, nicht nur Gurken. Nagen Mäuse die Schläuche an, tritt mehr Wasser aus dem Bewässerungssystem aus. Der Zeitaufwand, um die Schläuche zu reparieren, ist je nach Mäusedruck sehr hoch.
Stiele dürfen die Gurken auch keine haben, wenn sie mal geerntet sind. Der Blütenansatz sowie verschmutzte Früchte sind ebenfalls nicht erwünscht.
Guter Absatz und gute Nachfrage nach Schweizer Essiggurken
Sind die Gurken einmal geerntet, werden sie Schritt für Schritt an ein kühleres Klima gewöhnt. «Werden sie zu schnell aus der sommerlichen Feldhitze in einen Kühler gebracht, bilden sie Kondenswasser und faulen», erklärt Michael Frei. Am besten lagert man die Gurken bei 20 Grad in einer dunkeln Garage.
Der Absatz läuft gut. Die Nachfrage nach Schweizer Gurken ist da. Nichtsdestotrotz birgt der Gurkenanbau einige Herausforderungen.
Gurken mit Schweizerkreuz
Die Firma Hugo Reitzel SA in Aigle verarbeitet die Gurken der für sie produzierenden Landwirte. Dafür erhalten die Landwirte Preisgarantie. Das ist bei der anspruchsvollen Kultur sinnvoll, um Risiken wie zum Beispiel Ernteausfälle abzumildern.
Die Gurken werden unter dem Namen «Hugo» mit Schweizerkreuz auf dem Deckel im Detailhandel verkauft.
Bio-Essiggurken sind in der Schweiz in der Entwicklungsphase, vor allem in Bern und in der Romandie. Die Produktion der Bio-Essiggurken wird in den kommenden Jahren allerdings dem Markt entsprechend ausgedehnt. Risiken bestehen insbesondere im Pflanzenschutz, wo noch kein wirksames Pflanzenschutzmittel für den Bio-Anbau existiert. Nichtsdestotrotz können die Marktchancen als «gut» bezeichnet werden.
Ansonsten werden die Gurken auch in Hofläden unter der Marke «Hugo» angeboten sowie teils von den Landwirten selbst eingemacht.
Ernten mit dem «Gurkenflieger»
Eine der grössten Herausforderungen im Gurkenanbau sind die Ernte und die Koordination der Erntehelferinnen und -helfer. Während der Erntezeit wird jeden bis jeden zweiten Tag geerntet. Gepflückt werden die Gurken auf einem sogenannten «Gurkenflieger». Dieses Gefährt ermöglicht den Pflückenden, auf dem Bauch liegend die Früchte in einer Dreh-Knick-Bewegung abzubrechen und in Kisten zu sammeln. Die Arbeit sei von der Körperhaltung her anstrengend, doch dank des «Gurkenfliegers» am effizientesten zu erledigen, erklärt Michael Frei.
Die Herausforderung sei, genau die richtige Anzahl Leute an jedem Erntetag zur Verfügung zu haben. Dabei spielt auch das Wetter eine Rolle. Ist das Wetter feucht und warm, ist Pilzbefall ein Problem.
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Vor der Investition genügend Erfahrungen sammeln
Dennoch findet Michael Frei, dass Essiggurken durchaus eine interessante Kultur sind: «Der Ablauf der Kultur ist nicht so in Stein gemeisselt wie bei anderen Kulturen.» Es kommt immer wieder zu Überraschungen. Wer mit und von einer Kultur lernen will, ist mit Essiggurken am richtigen Gemüse angelangt.
Aller Anfang muss nicht teuer sein. Es sei auch die Überlegung wert, eine Gurkenparzelle als Versuch von Hand zu ernten, schlägt Michael Frei vor. So kann die Anschaffung von teuren Maschinen vermieden werden. Die Neugierde und das Interesse zählen. Um die Kultur richtig kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln, empfiehlt der Landwirt, der Kultur genügend Zeit zu geben und zwei oder drei Jahre Erfahrung damit zu sammeln.
«Gute Chancen für Produzenten»
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Ferdinand Vogel aus Kesswil TG hat 35 Jahre Erfahrung im Anbau von Essiggurken. Er leitet die IG Essiggurken Schweiz und koordiniert die Produktion in der Deutschschweiz.
Kontakt: ferdinand.vogel(at)bluewin.ch
Wieso braucht es eine IG Essiggurken Schweiz?
Die IG wurde in den 1980er-Jahren gegründet. Wir koordinieren die Produktion zwischen Produzenten und Verarbeiter in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Gemüsebau BBZ Arenenberg und führen die Preisverhandlungen.
Bis Anfang der 1980er-Jahre produzierten Bauernfamilien rund 2500 Tonnen Essiggurken. Durch die Modernisierung und Importe brach die Produktion bis ins Jahr 2015 auf 350 Tonnen ein. Die Anbauflächen in der Ostschweiz sind dank der Initiative von Reitzel (Suisse) in Aigle erhalten geblieben. Seit 2015 hat Reitzel den Marktanteil mit Schweizer Essiggurken kontinuierlich ausdehnen können. Seither ist die Schweizer Essiggurken-Produktion über 500 Tonnenangestiegen. Ziel ist, 2021 die Menge zu verdoppeln.
Ist es noch möglich, 2021 in die Produktion einzusteigen?
Wer Interesse hat, kann sich bei mir oder direkt bei der Hugo Reitzel SA melden. Grundsätzlich sind die Verträge gemacht und Essiggurken brauchen bestimmte Vorkulturen. Wir haben sehr aktiv Produzenten gesucht. 2021 bauen 36 Produzentenin der Schweiz Essiggurken an, 2020 waren es noch 22. Die Chancen für einen Anbauvertrag sind sehr gut.
Welche Voraussetzungen sollte ein Produzent mitbringen?
Ideal ist, wenn er bereits Erfahrung mit Kürbisgewächsen hat. Die Felder sollten eine Bewässerung haben und die Zufahrt muss gewährleistet sein. Zudem braucht es Erfahrung mit Pflanzenschutz, die Kultur ist anfällig für Mehltau. Wir organisieren im Sommer Veranstaltungen für Interessierte, damit sie vor Ort sehen, wie die Ernte abläuft.