Seit dem 1. Januar 2023 ist das Tierwohlprogramm um den sogenannten Weidebeitrag erweitert worden. Wer sein Rindvieh (auch Wasserbüffel) für dieses Beitragsprogramm angemeldet hat, muss nun folgende Anforderungen erfüllen:
- Weidetage Mai bis Oktober: 26 Tage/Monat
- Auslauf November bis April: 22 Tage/Monat
- 70 % der Tagesration an Trockensubstanz (TS) muss an den Weidetagen mit Weidefutter gedeckt werden
Kulanz bei den Nachmeldungen
Ein Betrieb kann einzelne Rinderkategorien separat für den Weidebeitrag anmelden. Wenn er beispielsweise seine Milchkühe anmeldet und die Auflagen erfüllt, erhält er für diese Tierkategorie den Weidebeitrag. Zu beachten ist jedoch, dass alle anderen Rinder – seine Kälber und Aufzuchttiere – das Standard-RAUS-Programm erfüllen müssen, damit der Weidebeitrag für die Milchkühe gezahlt wird.
Soweit die Fakten. Nun sorgen jedoch insbesondere die 70 % Weideverzehr für Unsicherheit bei den LandwirtInnen. Das stellt auch die Abteilung Direktzahlungen des Amtes für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, die ADZ, fest: «Wir werden daher im Einführungsjahr des Weidebeitrages 2023 kulant sein bei Nachmeldungen des Weidebeitrages während der Strukturdatenerhebung im Februar», heisst es beim Amt auf Anfrage. Dabei müsse beachtet werden, dass die Winterauslaufregel bereits ab dem 1. Januar 2023 eingehalten werden müsse.
Die ADZ beschreibt, was für die Nachmeldungen im Gelan gilt. In anderen Kantonen werden Nachmeldungen eventuell anders geregelt.
Weidebeitrag – ja oder nein?
Soll ich eine oder mehrere Tierkategorien für den Weidebeitrag anmelden? Die Beantwortung folgender Fragen kann bei der Entscheidungsfindung helfen:
- Können alle Rinderkategorien mindestens die Anforderungen des RAUS-Programms erfüllen?
- TS-Verzehr aus der Nährstoffbilanz ins Verhältnis mit der Stallfütterung setzen (Raufutter, Mais, Kraftfutter), ist eine praktikable erste Plausibilisierung.
- Aufwand/Risiko des RAUS-Programms (mit 4 Aren) mit dem des Weidebeitrag-Programms vergleichen.
- Kann und will ich im Anbindestall während des Winters 22 Auslauftage erfüllen?
- Kann ich finanziell und mental mit allfälligen Beitragskürzungen umgehen?
Vollweide, Mutterkühe und tiefere Milchleistung
Doch wie steht es denn nun um diese 70 %? Welche Betriebe können ihren Kühen ermöglichen, diese TS-Menge auf der Weide zu fressen? «Die ursprüngliche Absicht des Weidebeitrags war die Förderung von Vollweidebetrieben», schreibt die ADZ.
Mit der 70 %-Regel werden auch andere Weidesysteme daran teilnehmen können. «Wir gehen davon aus, dass ein Grossteil der Mutterkuhhalter sowie Milchviehhalter mit einer tieferen Milchleistung vom Weidebeitrag profitieren können», so die ADZ. Der Weidebeitrag ist jedoch nicht für alle Betriebe geeignet.
Dem stimmt Stephan Furrer, Geschäftsleiter der Kontrollstelle Qualinova AG, zu: «Milchkühe über einer Leistung von 7000 kg Milch dürften kaum mit einer Weidefütterung von 70 % leistungsgerecht gefüttert werden können. Für diese Kühe ist RAUS und nicht das Weideprogramm die richtige Wahl.»
Weide muss bei Kontrolle klar ersichtlich sein
Stephan Furrer erklärt, wie der Weidebeitrag in der Praxis kontrolliert wird: «Die Kontrollorganisationen werden das Berechnungstool des BLW anwenden und mit den situativen Gegebenheiten (Höhenlage, Ertragspotenzial, Vegetationszeitpunkt, Anzahl Tiere, Erreichbarkeit der Weideflächen) verifizieren.»
Die Weidefläche gemäss dem Berechnungstool muss am Tag der Kontrolle:
- den Tieren zur Verfügung stehen oder
- ausschliesslich als Weide (Dauerweide/extensive Weide) deklariert und vorhanden sein oder
- nachweislich und plausibel erkennbar sein, sollten die Tiere bei der Kontrolle nicht auf der Weide stehen. Das heisst, die Fläche muss eingezäunt sein.
Für den Weidegang gelten beim Weidebeitrag die gleichen Ausnahmen wie für RAUS. Das heisst, bei starken Niederschlägen, bei gravierender Trockenheit oder während der ersten zehn Tage der Galtzeit können die Tiere auf den Laufhof anstatt auf die Weide gelassen werden.
Bei Nichterfüllung werden die Beiträge zur Hälfte gekürzt
Bei Nichterfüllung der Anforderungen des Weidebeitrags wird der Beitrag gemäss Anhang 8, Ziffer 2.9.5 der Direktzahlungsverordnung gekürzt, schreibt die ADZ. Und weiter: «Ist die 70 %-Regel nicht erfüllt, erfolgt eine Kürzung um 50 % der Beiträge – wenn die RAUS-Regel (25 % der TS) erreicht wird.» Damit fällt der gekürzte Weidebeitrag für die betreffende Rindviehkategorie – wenn keine weiteren Mängel herrschen – nur leicht unter den bisherigen RAUS-Beitrag, welcher für die Tierkategorie ausbezahlt würde (siehe Rechnungsbeispiel in der Tabelle).
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Stephan Furrer gibt zu bedenken, dass nicht nur der Weideanteil, sondern auch andere Anforderungen (Schattennetze, Auslauffläche, Dokumentation, Auslauftage) erfüllt sein müssen. Eine Kürzung des Weidebeitrags löse übrigens zwingend eine Folgekontrolle aus, so Furrer.