Kurz & bündig
- Hochstamm-Obstbäume müssen nach Direktzahlungsverordnung fachgerecht gepflegt werden.
- Neben der Mäusebekämpfung und dem Pflanzenschutz sind Schnitt- und Formierungsarbeiten obligatorisch.
- Hauptsächlich werden Hochstammbäume als Rundkrone angelegt.
- Schnitt- und Formierungseingriffe müssen bis zum 10. Standjahr durchgeführt werden.
Früchte und Verarbeitungsprodukte von Hochstamm-Obstbäumen sind am Markt gefragt und erzielen gute Preise. Der Obstbau auf Hochstammbäumen erfordert aber als Mehrgenerationen-Kultur eine sorgfältige Planung und Bewirtschaftung. In der letzten Ausgabe haben wir geklärt, worauf bei der Pflanzung zu achten ist. In dieser Ausgabe befassen wir uns mit der fachgerechten Formierung und dem Schnitt.
Hochstamm-Obstbäume tragen zur Erhaltung der Biodiversität bei und müssen deshalb nach Direktzahlungsverordnung DZV seit 2019 fachgerecht gepflegt werden. Darunter fallen die Mäusebekämpfung, die Jungbaum-Erziehung und das Formieren des Baumes. Unterstützt werden Hochstammbesitzer mit Biodiversitätsbeiträgen nach Qualitätsstufe I (Fr. 13.50) und Qualitätsstufe II (Fr. 13.50 und Fr. 31.50). Sie erhalten diese aber nur, wenn sie ihre Bäume fachgerecht bis zum 10. Standjahr pflegen, so Daniel Schnegg. Er ist Obstbauberater am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG und führt regelmässig Hochstamm-Schnittkurse durch.
Herr Schnegg, warum ist die Baumpflege so wichtig?
Nur ein gesunder Baum kann maximale Erträge von guter Qualität bringen. Während der sogenannten Jugendphase ist die Erziehung des Baumes deshalb entscheidend. Fehler während dieser Phase lassen sich später nicht mehr korrigieren. Erst nach dem 10. Standjahr werden die Bäume in der Regel je nach Wuchs und Sorte nur noch alle drei Jahren geschnitten.
Bei ungepflegten und unkontrollierten Hochstammbäumen ist die Gefahr zudem gross, dass sie Krankheiten an gesunde Bäume übertragen können. Sie müssen unbedingt gerodet und durch gesunde Hochstammbäume ersetzt werden.
Steinobst-Hochstammbäume wie Aprikosen, Kirschen und Zwetschgen empfehlen wir für den Erwerbsobstbau nicht mehr zu pflanzen, da die Kirschessigfliege und andere invasive Schädlinge kaum mehr ohne Witterungsschutz bekämpft werden können. Der Aufwand für den Witterungsschutz ist viel zu hoch und die Produktpreise sind nicht kostendeckend.
Es gibt zwei Erziehungsarten, um den Hochstammbaum in die richtige Form zu bringen. Welche empfehlen Sie?
Die Rundkrone, oder auch Oeschbergkrone genannt, ist die bekannteste Baumform für Hochstammbäume. Diese wird auch heute noch praktiziert und angewendet. Sie besteht aus drei bis vier Leitästen und einem Mitteltrieb. Der Aufbau dieser Baumform dauert etwa zehn bis fünfzehn Jahre je nach Sorte, Standort und Unterlage.
Eine andere bekannte Erziehungsform ist die Hochstammspindel. Sie ist eine neuzeitliche Baumform, die von den Niederstammkulturen übernommen und im Hochstamm-Obstbau umgesetzt wird. Der Vorteil der Hochstammspindel ist, dass sie früher in den Vollertrag kommt als die Rundkrone. Die Rundkrone prägt allerdings das Landschaftsbild besser und wird von Nützlingen bevorzugt.
Wie wird die empfohlene Baumform richtig zugeschnitten?
Damit Hochstamm-Obstbäume lange hochwertige Früchte erzeugen, brauchen sie ein stabiles, tragfähiges Kronengerüst mit einem guten Lichteinfall bis ins Innere der Baumkrone. Durch angepasste Schnitt- und Formierungseingriffe wird den einzelnen Ästen ihre Funktion zugeteilt und die Krone geformt. Beim Grundschnitt bzw. Pflanzschnitt gilt es klar zu bestimmen, welcher Ast als Mitteltrieb die Leitäste überordnet. Danach müssen die Leitäste in die richtige Position gebracht (45° zum Mitteltrieb) und Konkurrenztriebe entfernt werden. In den nächsten Jahren folgt der Aufbau- und Unterhaltsschnitt.
Durch den Schnitt fällt nun viel Geäst an. Kann man damit Asthaufen anlegen, um die Biodiversität zu fördern?
Für die Biodiversität sind Asthaufen eine Option. In der Nähe von Hochstamm-Obstbäumen empfehlen wir aber Steinhaufen anzulegen, da diese den Ungleichen Holzbohrer (Borkenkäfer-Art) nicht anlocken. Das Schnittholz wird mit dem Schlegelmulchgerät gemulcht. Ganz dicke Äste können für Asthaufen ausserhalb der Hochstamm-Obstwiese verwendet werden.
Irgendwann wird auch ein Hochstamm-Obstbaum alt. Ist es sinnvoll, ihn dann stehen zu lassen?
Hochstamm-Obstbäume können ein Alter von 80 (Zwetschgen) bis 200 Jahren (Birnen) erreichen. Je nach Obstart ist es sinnvoll, diesen Baum für die Biodiversität stehen zu lassen. Bei gewissen Obstarten empfehlen wir jedoch eine konsequente Rodung, wenn sie an einem Befall mit Feuerbrand, Sharka oder der Europäischen Steinobst-Vergilbungskrankheit (ESFY) leiden. Diese Krankheiten können andere Bäume infizieren und grosse Schäden anrichten, und zwar über mehrere Jahre. Damit Feuerbrand und Co. nicht verschleppt werden, sind Hygienemassnahmen wie das Abflammen der Schnittwerkzeuge Pflicht.
Was raten Sie Obstbauern, die nicht in der Lage sind den Baumschnitt selbst durchzuführen?
Wenn sie grossen Wert darauf legen, regelmässig Obst zu ernten, dann empfehle ich unbedingt, einen ausgebildeten Obstbauspezialisten für Hochstamm-Obstbäume beizuziehen.
Wie teuer ist so ein Fachspezialist?
Die Lohnkosten für einen Baumpfleger belaufen sich auf rund 80 Franken pro Stunde inklusive Fahrspesen und Verpflegung.
Kann ich mir das Wissen auch mit einem Kurs aneignen? Wer bietet solche Kurse an?
Die Liebegg – wie fast alle Schweizer Bildungszentren – bietet Kurse für Fortgeschrittene an (40 Franken/Person). Eine weiterführende Ausbildung kann bei unserem Kollegen Philipp Gut vom Bildungszentrum Wallierhof, Riedholz SO absolviert werden.
Grundregeln für den Baumschnitt
Der Pflanzschnitt im 1. Standjahr erfolgt vor Vegetationsbeginn im Frühjahr.
- Die Leitäste werden im Winkel von rund 45° zum Mitteltrieb formiert. Dies kann durch Herunterbinden der Äste oder mithilfe von Astsperren aus z. B. Holunderholz erfolgen.
- Die Leitäste und den Mitteltrieb um etwa 2/3 auf ein aussenstehendes Auge (Knospe) zurückschneiden. Den obersten Leitast zuerst und die tieferen Triebe auf gleiche Höhe zurückschneiden.
- Konkurrenztriebe müssen entfernt werden.
In den nächsten 15 Jahren erfolgt mit dem Aufbauschnitt der Aufbau der Krone.
- Die Jahrestriebe der drei Leitäste und des Mitteltriebes werden hierfür um 1/3 auf ein aussenstehendes Auge zurückgeschnitten und durch Sperren oder Binden formiert.
- Auf der Astoberseite wachsende Konkurrenztriebe durch Reissen entfernen (bewirkt eine rasche Wundheilung).
- Triebe, die nicht für den Kronenaufbau gebraucht werden, unter die Waagrechte binden. Sie dienen zur Kräftigung des Baumes.
Der Unterhaltsschnitt im Ertragsalter beschränkt sich auf das Auslichten und das Verjüngen der Krone.
- Abgetragene Fruchtholzpartien werden auf junges und tragfähiges Fruchtholz zurückgeschnitten, damit der Lichteintritt ins Kroneninnere gewährleistet ist.
- Überbauungen der Krone vorbeugen, indem die Höhe des Baumes begrenzt wird. Dabei am Mitteltrieb und an den Leitästen auf waagrechte, nach aussenstehende Fruchttriebe schneiden.
- Äste, die sich berühren, kreuzen oder übereinanderstehen, entfernen.
Merkbblätter und Tagung
Ausführliche Informationen finden Sie in den folgenden Merkblättern:
«Erziehung und Pflege von Hochstamm-Obstbäumen» (Liebegg)
«Biologischer Obstbau auf Hochstammbäumen» (FiBL)
«Hochstamm-Obstgärten planen, pflanzen, pflegen» (Agridea)
Am 6. März 2020 findet die 10. Hochstammtagung am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg statt.
Anmeldung: www.eventfrog.ch/hochstammtagung