Kurz & bündig
- Das FarmLab von Stenon bestimmt die Nährstoffe im Boden mit einer speziellen Technologie in wenigen Minuten.
- Im Miet-Abo von monatlich 700 Euro pro Gerät ist die Anzahl der genommenen Proben unbegrenzt.
- Dank der Echtzeitbestimmung von Nährstoffen kann auf dem Acker bedarfsgerechter gedüngt werden.
Zielgruppenspezifische Werbung macht es möglich: Seit ein paar Monaten stolpern Bäuerinnen und Bauern beispielsweise auf «Blick online», Facebook oder Instagram besonders oft über einen gesponserten Beitrag mit einem futuristisch aus-sehenden digitalen Bodenspaten der deutschen Firma Stenon GmbH. Dazu steht: «Probieren Sie unser FarmLab aus und Sie haben alle Ihre Bodendaten in Echtzeit.» Tönt verlockend!
Die Werbung stösst auch in der hiesigen Landwirtschaft auf viel Interesse. Die vom jungen StartUp aus Potsdam (D) gemachten Versprechungen sind gross: Nmin, Phosphor, Kalium, Magnesium und sogar den Humusgehalt im Boden in wenigen Sekunden bestimmen?
Die Neugier ist grösser als das Misstrauen: «Wir werden von Anfragen aus der ganzen Welt richtiggehend überrannt, insbesondere auch aus der Schweiz», sagt Christian Kessel, Sales Manager bei der Firma. Diese kommt mit der Produktion in der Manufaktur in Potsdam allerdings gar nicht nach, weshalb in der Schweiz bis jetzt nur eine Handvoll Geräte im Einsatz stehen.
Die FarmLab-Angaben sind mit der Laboranalyse identisch
Landwirt Toni Gass aus Oltingen BL sicherte sich bereits Anfang Jahr einen digitalen Spaten. Seit ein paar Jahren arbeitet er auf seinen 65 Hektaren daran, den Humusgehalt im Boden zu erhöhen respektive zu erhalten. Entsprechend nutzt er das FarmLab von Stenon neben der Messung der Nährstoffgehalte vor allem zur Bestimmung des Humusanteils.
Er machte dazu zuerst die Probe aufs Exempel und verglich die Probe mit einer herkömmlichen Laboranalyse, um letzte Zweifel auszuräumen. Und er stellte fest: «Die Nmin-Gehalte in der Laboruntersuchung waren praktisch identisch mit denen des FarmLabs.» Am Anfang habe er sich genervt wegen den vielen Fehlermeldungen, die auf dem im Spaten integrierten Bildschirm erschienen. Er habe dann gemerkt, dass die Sensoren nicht funktionierten, wenn im Boden zu grosse Pflanzenreste vorhanden waren. «Nun kratzen wird den Boden zuerst ein bisschen ab, damit nichts mehr im Weg steht», erklärt er.
Bei ihm auf dem Betrieb ist der sich in Ausbildung zum Landwirt befindende Luca Zgraggen mit dem digitalen Spaten auf den Parzellen unterwegs. Pro Hektare nimmt er vier bis fünf Proben. Für jede sind drei Einstiche erforderlich.
«Eigentlich würde ich mir wünschen, dass es noch etwas schneller geht», sagt Gass. Im für zwei Jahreabgeschlossenen Nutzungs-Abo für einen monatlich fixierten Betrag von zurzeit rund 700 Euro pro Gerät ist eine unbegrenzte Anzahl von Proben zwar einbegriffen. «Wenn dann ein Angestellter für die Probenahme tagelang auf den Feldern unterwegs sein muss, dann wird es schon teuer.»
Darauf angesprochen, sagt Firmen-Co-Gründer Dominic Roth im Videogespräch, dass das Prozedere für eine Probe mit drei Einstichen mittlerweile zwischen 60 und 90 Sekunden dauere. Die Messdaten werden an eine von Stenon zur Verfügung gestellte Cloud übermittelt und dort von einer speziellen Software verarbeitet und auf dem Tablet aufgezeichnet.
Der Ort der Probenahme auf der Parzelle wird per GPS dauerhaft gespeichert. Das habe grosse Vorteile, findet Gass: «So kann ich über Jahre überprüfen, wie sich mein Boden entwickelt».
Das FarmLab ist mindestens so genau wie die Fühlprobe
Bei Toni Gass zeigten die ersten gestochenen Proben auf seinen Parzellen sehr unterschiedliche Humusgehalte. Bei den für die Schweiz typischen heterogenen Böden leuchtet das ein. Er sei sich aber bewusst, dass Zahlen von Bodenproben immer mit Vorsicht zu geniessen seien, auch die vom Labor. Trotzdem ist er überzeugt, dass die Daten des FarmLab für Aussagen über die Entwicklung seiner Böden in Richtung Kohlenstoffsenke alleweil tauglich seien.
Er selbst macht beim Projekt der Basler Kantonalbank mit, die den Landwirten für den Aufbau von Humus und damit der Speicherung von Kohlenstoff im Boden Geld bezahlen, um ihre Büroräumlichkeiten administrativ klimaneutral zu betreiben. Wenn dabei zur Bestimmung der Humusbildung die Fühlprobe als Referenz verwendet werde, sei das sicher nicht genauer, findet er.
Dank bedarfsgerechter Düngung Geld sparen
Doch vielleicht sollte man den Fokus des FarmLab sowieso nicht primär auf die umstrittene Bestimmung des Humusgehaltes richten, sondern viel mehr auf die Nährstoffe. Bis vor ein paar Monaten war Christian Kessel noch Landmaschinenverkäufer in Deutschland und weiss deshalb, dass Geräte mittlerweile mit grosser Präzision Dünger abgeben können. Das nütze aber nicht viel, wenn man nicht wisse, wie viel Nährstoffe zum Zeitpunkt der Düngung im Boden vorhanden sei.
Das FarmLab öffne hier eine neue Dimension: «Weil man nun den Gehalt an verfügbarem Stickstoff in der Parzelle vor Ort in ein paar Minuten bestimmen kann», erklärt Kessel. Bisher erhielt der Landwirt die Resultate der Analysen von den an herkömmliche Labors geschickten Bodenproben erst nach Tagen der Probenahme.
Die Situation vor Ort könne dann aber bereits komplett anders aussehen: «Der Nmin-Gehalt ändert sich je nach äusseren Bedingungen im Boden sehr schnell». Echtzeit-Resultate hingegen könnten helfen, die in Deutschland mit der neuen Düngerverordnung nötigen Einsparungen effizient zu erreichen. Mit dem geplanten Absenkpfad für Dünger ist die Schweiz ja ähnlich unterwegs.
Wegen den relativ hohen Mietkosten dürfte das FarmLab vor allem für den Anbau von Spezialprodukten wie Gemüse interessant werden. Der Gemüsegärtner Matthias Stoffers aus Krefeld (D) baut mit seinem Vater auf rund 160 Hektaren Salate und Kohlrabi an.
Praxistest im Salatfeld von Matthias Stoffers
Für den Reporter sticht Matthias Stoffers den digitalen Bodenspaten für Vorführungszwecke in den Boden zwischen den Eisbergsalaten. Nach kurzer Wartezeit erscheinen auf dem Tablet unter anderem folgende Resultate: 119 kg Nmin pro Hektare, pH 6,91 bei einem C/N-Verhältnis von 16,1. Soweit also alles in Ordnung.
Auch Stoffers verglich die Resultate wie Toni Gass mit herkömmlichen Laboranalysen. Auch bei ihm stimmten diese gut überein. Das FarmLab gibt ihm nun die Möglichkeit, den Anbau weiter zu optimieren. Wenn er in einer Parzelle sehe, dass sich eine Kultur nicht optimal entwickle, nehme er nun mit dem digitalen Spaten eine Probe: «Nötigenfalls kann ich dann noch gezielt nachdüngen.»
Sales Manager Christian Kessel sieht bereits beim Pflanzen des Gemüses einen grossen Vorteil: «Bevor seine Arbeiter die Salate setzen, kann er beispielsweise den verfügbaren Stickstoff im Boden bestimmen und die Düngung sofort dem Bedarf anpassen.» Viele Gemüsebauern seien überrascht, wie viel Dünger sich so einsparen lasse.
Das bestätigt auch Stoffers: «Die Mietkosten rechnen sich nur schon durch die reduzierten Düngermengen». Bei ihm steht das Gerät mittlerweile fast während der ganzen Woche im Einsatz.
Herkömmliche Bodenanalysen sind alles andere als zuverlässig
In der Schweiz verlangt die Direktzahlungsverordnung von Landwirten regelmässige Bodenuntersuchungen. Die Analysen müssen von einem der elf zugelassenen Labors durchgeführt werden. Das FarmLab zählt noch nicht dazu.
Jeder Bauer weiss, dass Labor-Resultate von eingeschickten Bodenanalysen alles andere als zuverlässig sind. Es kommt schon einmal vor, dass zwei unterschiedliche Labors bei der gleichen Probe für den pH-Wert eine Differenz von 1 analysieren. Klarheit sieht anders aus.
Kessel sieht einen weiteren Schwachpunkt bei der herkömmlichen Entnahme der Probe: In der Regel würde diese bisher von verschiedenen Orten der Parzelle gemischt. «Genau können diese Werte aus der Mischprobe gar nicht sein.» Das FarmLab hingegen könne den Boden an beliebig vielen Orten analysieren.
«In wenigen Sekunden werden beim Einstich in den Boden tausende von Daten analysiert, verarbeitet und auf der Cloud ausgewertet.» Je mehr Proben man nehme, desto mehr Informationen werden gesammelt.
Das FarmLab ist ein Werkzeug zur Digitalisierung
Das FarmLab hat die Marktreife erreicht und die Einführung läuft auf Hochtouren. Trotzdem ist Kessel überzeugt, dass die Technologie erst am Anfang steht: «In der zunehmend digitalen Landwirtschaft werden solche mobile Analysegeräte unabdingbar werden.» Der gläserne Acker kommt näher.
Der Oltinger Landwirt Toni Gass sieht deshalb vor allem auch in der von Stenon angeboten Software ein mächtiges Instrument für Landwirte, um den Boden nachhaltiger zu bestellen. Allerdings sei das Ganze für viele Schweizer Betriebe noch zu teuer. Eigentlich müsste dieses staatlich gefördert werden, findet er.
FarmLab-Messungen
Das FarmLab misst im Boden in einem Bereich zwischen 0 und 30 cm:
Nährstoffe
- Nmin (Nitrat, Ammonium)
- Pflanzenverfügbarer Phosphor
- Kalium
- Humus
- Magnesium
Allgemeine Parameter
- Bodentemperatur
- Bodenfeuchtigkeit
- Bodenart und Bodentextur
- pH-Wert
Der Bodenexperte vom FiBL zweifelt
Der Bodenwissenschaftler Markus Steffens vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL beschäftigt sich seit Jahren mit Infrarot-Spektroskopie-Anwendungen. An diesen werde bereits seit Längerem geforscht. Er ist überzeugt, dass die Landwirtschaft in Zukunft stark von der Technologie profitieren wird.
Steffens beurteilt die Aussagekraft der Mess-Resultate von FarmLab aber kritisch: «Es gibt meines Wissens kein Gerät, dass man einfach so in jeden Boden stecken kann und die Resultate dann wirklich stimmen.» Dazu müsste das Gerät in jeder Lage richtig kalibriert sein. «Feuchter Boden hat ein anderes Spektrum als trockener.» Man müsste dazu für jede Region spezifische Daten für die Kalibrierung haben und alle Eventualitäten abdecken können.
Bei Stenon kennt man die Skepsis unter Bodenexperten gegenüber dem Farm-Lab. Leider werde Sensorik in der Bodenkunde oft nur mit Nah-InfrarotSpektroskopie (NIR) gleichgesetzt, bedauert Firmen-Co-Gründer Dominic Roth.
Doch FarmLab nutze weit komplexere Sensor-Technologie: Über das Zusammenführen von verschiedenen Messprinzipien sei eine weitreichende Beschreibung des Bodentyps möglich, die im Zusammenspiel mit Referenzdaten und Künstlicher Intelligenz hochgenaue Ergebnisse für unbekannte Flächen ermöglichten. «Dies ist eine fundamentale Notwendigkeit, um eine skalierbare Lösung zu schaffen, was erstmals mit unserem System gelungen ist», sagt er.