Kurz & bündig
- Schmerzhafte Lahmheit und Klauenerkrankungen sind die dritthäufigste Abgangsursache beim Schweizer Milchvieh.
- Lahmheitsursachen sind beim Rind zu 90 Prozent an der hinteren Aussenklaue zu finden.
- Die Behandlung eines Sohlengeschwürs einer Milchkuh kostet bis zu 900 Franken.
- Eine frühe Lahmheitserkennung sowie eine passende Behandlung sind entscheidend für den Heilungserfolg.
- Vorgehen auf dem Betrieb
- Aktive Lahmheitsbeobachtung des gesamten Bestandes
- Dokumentation der lahmen Kühe
- Wöchentliche Untersuchung und Behandlung sowie Dokumentation der Befunde
Lahmheit und Klauenerkrankungen sind die dritthäufigste Abgangsursache beim Schweizer Milchvieh. Sie sind meist schmerzhaft und führen zu massiven wirtschaftlichen Einbussen.
Die Einbussen werden indirekt verursacht durch einen Rückgang der Milchproduktion, verminderte Fruchtbarkeit, erhöhte Mastitis- und Remontierungsraten und Stoffwechselstörungen. Direkte Ursachen sind:
- 39 % reduzierte Fruchtbarkeit
- 24 % Milchverluste
- 24 % verfrühte Abgänge
- 11 % Tierarzt-/Medikamentenkosten
- 2 % erhöhter Arbeitsaufwand
In der Schweiz wurden durchschnittliche Kosten von 437 Franken pro Lahmheit, reichend von 260 Franken bei Dermatitis digitalis (Mortellaro) bis 900 Franken bei einem Sohlengeschwür, berechnet. Diese Daten stammen aus den Jahren 1999 und 2006. Pro 305-Tage-Laktationsperiode und Kuh konnten Milchverluste von 570 kg bei Sohlengeschwüren resp. 370 kg bei Weisse-Linie Defekten festgestellt werden.
Eine Reduktion der lahmen Kühe im Betrieb ist langfristig nicht nur für das Tierwohl, sondern auch aus finanziellen Gründen anzustreben.
Lahmheit ist nicht gleich Lahmheit. Die Schwere der Lahmheit hat einen entscheidenden Einfluss auf die Auswirkungen und Folgen und muss deshalb genau definiert werden.
Je stärker die Kuh lahm geht, desto höher der Milchrückgang
Zur Einteilung in Schweregrade existieren mehrere Bewertungssysteme. Die Tabelle links zeigt die fünf verschiedenen Grade unterteilt nach dem «Sprecher System».
Über die Rückenkrümmung im Stehen wie auch im Gehen sowie die Belastung des erkrankten Beins wird der Grad der Lahmheit definiert. Grad-2-lahme Kühe zeigen beispielsweise einen aufgekrümmten Rücken im Laufen, es ist jedoch kein «krankes» Bein erkennbar. Sobald der Rücken auch im Stehen aufgekrümmt ist, hat das Tier einen Lahmheitsgrad von grösser oder gleich 3.
Der Rückgang der Milchproduktion hängt direkt mit dem Lahmheitsgrad zusammen, je schwerer der Lahmheitsgrad, desto höher ist der Milchrückgang:
Der Milchverlust reicht von 5 % bei einer mittelgradigen Lahmheit (Score 3/5) bis zu 36 % bei einer schweren Lahmheit (Score 5/5). Die Wirtschaftlichkeit und die Lebenserwartung von Milchkühen werden durch Lahmheit stark beeinflusst. So haben Kühe ab einem Lahmheitsgrad von 2 (2/5) ein bis zu 8,4-mal grösseres Risiko geschlachtet zu werden oder verfrüht abzugehen.
Auf Herdenebene sollten in einem Laufstall mehr als 70 % der Tiere nicht lahm sein, also Grad 1. Weniger als 20 % sollten Grad 2 lahm sein, und weniger als 10 % Grad 3 lahm. Es sollten keine Tiere Grad 4 oder 5 lahm sein.
Eine weitere Untersuchung konnte aufzeigen, dass die Prognose einer Klauenerkrankung abnimmt, umso später die betreffende Klauenerkrankung erkannt und behandelt wird. Daraus folgend ist eine frühe Lahmheitserkennung entscheidend für den Heilungserfolg.
Landwirte in Grossbritannien erkennen eine Lahmheit durchschnittlich vier Wochen später als ein spezialisierter Tierarzt. Diese vier Wochen können deutliche arbeitstechnische wie auch finanzielle Folgen mit sich bringen.
Das Ziel für den Betriebsleiter darf also nicht nur die Erkennung der Lahmheit sein, sondern muss die frühestmögliche Erkennung und Behandlung sein.
Lahmheitserkennung schulen und dokumentieren
Damit lahme Tiere auf dem Betrieb erkannt werden können, müssen alle Arbeitskräfte sowie Helfer in Lahmheitserkennung geschult werden. Im Idealfall wird dies theoretisch und auch praktisch gemacht.
Die gesamte Herde sollte alle zwei Wochen aktiv und gezielt nur auf Lahmheit beobachtet werden, dies garantiert, dass die Lahmheitserkennung in regelmässigen Intervallen durchgeführt wird.
Beim Weideaustrieb oder Ausgang aus dem Melkstand kann man die Kühe in der Regel gut beobachten, wichtig bei dieser Arbeit ist jedoch, dass die beobachtende Person keine weiteren Aufgaben gleichzeitig verrichten muss.
Ein zweiter, genauso wichtiger Schritt ist die Dokumentation dieser Kühe. Eine brünstige Kuh wird auf nahezu jedem Betrieb im Brunstkalender notiert. Trotz der Wichtigkeit von Lahmheit werden die lahmen Kühe aber nur auf wenigen Betrieben aufgezeichnet.
Am besten erfolgt die Dokumentation an einem gut zugänglichen Ort auf einem Whiteboard oder aber direkt elektronisch. Daten, welche erfasst werden sollten, sind:
- eindeutige Identifikationsnummer
- der Lahmheits-Score
- das betroffene Bein
- weitere zusätzliche Information wie zum Beispiel «gestern brünstig».
- Zudem sollte die Kuh mit einem Stift markiert werden.
Die Erkennung und Dokumentation sind die Voraussetzungen für den dritten und wichtigsten Schritt. Jetzt erfolgt nämlich die Untersuchung und Behandlung im Klauenstand. Für diesen Schritt empfiehlt es sich, wöchentlich einen Halbtag zu reservieren, damit dies regelmässig stattfindet.
Wenn eine hochgradig lahme Kuh erkannt wird, dann muss dieses Tier jedoch so schnell wie möglich in den Klauenstand genommen werden. Warten Sie nicht bis zur nächsten wöchentlichen Untersuchung!
Für die Untersuchung und Behandlung ist ein breites Fachwissen nötig, welches die funktionelle Klauenpflege, die Physiologie, die Anatomie sowie Kenntnis der häufigsten Erkrankungen beinhaltet.
Die Klauenpfleger sind durch ihre fundierte Ausbildung wichtige Ansprechpartner der Tierhalter und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung der Rinder. Zusätzlich sind sie fähig, die wichtigsten Krankheiten zu erkennen und wissen, wann der Tierarzt beizuziehen ist.
Die exakte Diagnosestellung, die korrekte Schmerzausschaltung und die Wahl der Behandlung gehören zum Aufgabenbereich der Tierärztin bzw. des Tierarztes. Die Ursachen für Lahmheiten sind vielfältig. Die Behandlung kann daher von der ein-fachen Entfernung eines Steins in der Sohle bis zur Amputation eines Klauenteils variieren.
Die Behandlung erkrankter Klauen benötigt ein vertieftes Verständnis der Biomechanik, Diagnostik, Pathogenese, Pharmakologie und Chirurgie der Klaue und ihrer Erkrankungen. Bei Feststellung von Horndefekten mit einem Durchmesser von mehr als zwei Zentimeter und von anderen, schmerzhaften Erkrankungen (Schwellungen der Weichteile oberhalb der Klauen), von Zwischenklauenwarzen oder anderen unklaren Veränderungen ist ausnahmslos die Tierärztin oder der Tierarzt beizuziehen, da eine genaue medizinische Beurteilung angezeigt ist.
Je früher der Klauenpfleger und/oder der Tierarzt hinzugezogen wird, desto besser sind die Heilungschancen für das betroffene Tier.
Bei der Untersuchung empfiehlt es sich, für jede untersuchte Kuh die Diagnose zu notieren. Dies hilft einerseits die vorkommenden Erkrankungen auf dem Betrieb zu identifizieren, diese zu objektivieren und andererseits den Behandlungserfolg zu eruieren.
Ressourcenprojekt
Im Ressourcenprojekt «Gesunde Klauen – das Fundament für die Zukunft» werden professionelle Klauenpfleger in der Diagnosestellung der Klauenerkrankungen ausgebildet.
Bei den Teilnehmern des Projektes erhebt der Klauenpfleger anschliessend während der Betriebsklauenpflege alle Diagnosen. So erhält der Betriebsleiter einen Überblick über die Klauengesundheit. Die Auswertung der Daten erfolgt durch den RGD.
Problembetriebe werden kostenfrei untersucht und betreut. Auch werden laufend Weiterbildungen angeboten.