Kurz & bündig

- Für eine gute Immunabwehr ist die frühe Aufnahme von genügend hochwertigem Kolostrum entscheidend (Faustregel: vier Liter in den ersten zwölf Lebensstunden, dies entspricht ungefähr 30 Minuten zügigem Trinken an der Kuh).
- Für die Produktion von hochwertigem Kolostrum muss die Kuh mindestens vier Wochenvor der Abkalbung von jeglichen Kälbern getrennt aufgestallt werden.
- Trinkt das Kalb auch mit Hilfe nicht genügend Kolostrum an der Mutter, so sollte es mit der Flasche zugetränkt oder gegebenenfalls gedrencht werden mit Kolostrum aus Kolostrumreserven.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Mutterkuhbetrieb mit 40 Mutterkühen (Angus) und einem Muni. Die Kühe werden in zwei Gruppen gehalten: in einer Laktationsgruppe mit Muni und einer Frischkalbinnengruppe.

Der Rindergesundheitsdienst wurde zu Rate gezogen, weil ein Drittel der Kälber um den zehnten Lebenstag an Durchfall erkrankt waren, wofür bisher keine Ursache nachgewiesen wurde. Zudem entwickelte die Hälfte der Kälber zu einem späteren Zeitpunkt eine Lungenentzündung. Ausserdem hatten die Kälber gehäuft einen verdickten Nabel. Knapp 20 Prozent der Kälber starben.

Das gleichzeitige Auftreten von Durchfall, Lungen- und Nabelentzündungen im Bestand weist auf eine ungenügende Abwehrleistung des Immunsystems der Kälber hin.

Kälber kommen ohne jegliche Abwehrstoffe auf die Welt. Das Kolostrum, welches unter anderem viele Antikörper enthält, ist für das Kalb lebenswichtig, um sich gegen Krankheitserreger schützen zu können.

Um eine Aussage über die Kolostrumversorgung und Immunabwehr der Kälber auf dem Betrieb zu machen, wurde vom Tierarzt bei fünf gesunden Kälbern im Alter von zwei bis zehn Tagen eine Blutprobe entnommen. Die Proben zeigten bei 80 Prozent der Kälber eine mangelhafte Kolostrumversorgung auf.

Als Ursachen sind eine zu geringe oder eine zu späte Aufnahme oder die Aufnahme von Kolostrum schlechter Qualität (zu wenig Antikörper, schlechte Hygiene) möglich.

Die Galtzeit entscheidet über die Kolostrumqualität

Für die Bildung von hochwertigem Kolostrum ist eine Galtzeit von mindestens vier Wochen einzuhalten. Die Kühe müssen strikt von den eigenen und fremden Kälbern getrennt werden, da bereits ein einmaliges Ansaugen die Kolostrumqualität massgeblich verschlechtert.

Nach der Geburt kann das Biemst im Stall qualitativ überprüft werden. Im vorliegenden Betrieb war das Kolostrum von mangelhafter Qualität.

[IMG 3]

Nach der Geburt nimmt die Durchgängigkeit der Darmwand für Abwehrstoffe mit jeder Stunde ab. Bereits nach zwölf Stunden kann das Kalb nur noch die Hälfte und nach einem Tag keine Abwehrstoffe mehr aufnehmen.

Möglichst früh genügend Kolostrum

Die Faustregel, vier Liter Erstgemelk in den ersten zwölf Lebensstunden, ist in Mutterkuhbetrieben nicht anwendbar. Wichtig ist jedoch, vor Ort oder mittels Kamera sicherzustellen, dass das Kalb nach der Geburt zügig aufsteht und in den ersten zwölf Lebensstunden mindestens eine halbe Stunde an der Mutter trinkt.

Sichtbare Anzeichen am Kalb für eine Kolostrumaufnahme sind ein gefüllter Bauch, der Abgang vom Darmpech und das Ansteigen der Körpertemperatur auf mindestens 38,5 Grad. Die Darmwand ist beim Kalb in den ersten Lebensstunden auch sehr durchlässig für krankmachende Keime aus der Umwelt, deshalb sollten die Zitzen der Kuh bei der Kolostrumaufnahme durch das Kalb möglichst sauber sein.

Vorgehen bei Problemen mit der Kolostrumaufnahme

Trinkt das Kalb kein Kolostrum an der Mutter, muss es aufgestellt und zur Zitze geführt werden. Weiter besteht die Möglichkeit, mit der Flasche getestetes Kolostrum aus Kolostrumreserven oder, falls möglich, frisch abgemolkener Biemst zu tränken oder zu drenchen (Menge: 10 Prozent des Körpergewichts).

In Problembetrieben ist es sinnvoll, das Kolostrum mit der Flasche zu verabreichen, da so genau kontrolliert werden kann, wann wie viel Kolostrum in welcher Qualität aufgenommen wird.

[IMG 2]

Damit beim Auftreten von Problemen auf Kolostrum zurückgegriffen werden kann, ist das Anlegen von Reserven sehr empfehlenswert. Kolostrum kann von einem Nachbarmilchviehbetrieb zugekauft oder bei lieben Mutterkühen selbst gewonnen werden (saubere Entnahme wichtig!).

[IMG 4]

In kleinen Portionen von einem halben bis zu einem Liter wird das Kolostrum nach Überprüfung der Qualität eingefroren. Dieses ist dann bis zu einem Jahr haltbar. Das Auftauen erfolgt im Wasserbad bei maximal 55 Grad.

Was ist für eine gute Immunabwehr noch entscheidend?

Jedes Kalb sollte nach der Geburt einen Kälberbooster erhalten, welcher Eisen und Selen enthält. Gegen gewisse Ursachen von Neugeborenendurchfall können die Muttertiere geimpft werden, um die Immunabwehr der Kälber zu verbessern.

Für einen vollen Impfschutz ist eine einwandfreie Kolostrumaufnahme entscheidend. Zudem gibt es Immunglobulinpräparate, welche als Notlösung eingesetzt werden können.

Empfehlungen und Ausblick

Folgende Empfehlungen wurden dem Landwirt gegeben und von diesem konsequent umgesetzt:

  • Einrichten einer Galtkuhgruppe, welche separat von jeglichen Kälbern gehalten wird.
  • Vorerst alle Kälber mit zugekauftem Kolostrum von guter Qualität tränken/drenchen.
  • Kolostrumaufnahme bei jedem Kalb sicherstellen.
  • Kälberbooster einsetzen.
  • Bei Erregernachweis im Kot: Einsatz einer Mutterschutzimpfung.
  • Hygienisch einwandfreier Abkalbebereich einrichten.
  • Kälberschlupf optimieren, um dem Wärmebedürfnis der Kälber gerecht zu werden.

Ein halbes Jahr nach dem Betriebsbesuch berichtete der Landwirt über eine deutliche Besserung der Betriebssituation. Es wurden keine Todesfälle mehr verzeichnet. Wenige Kälber erkrankten noch immer an Durchfall oder Lungenentzündungen, jedoch deutlich weniger schwer. Der Landwirt war sehr zufrieden.