Das Schweizer Tierschutzgesetz ist grundsätzlich in vielen Bereichen strenger und detaillierter als die Mindeststandards der EU-Richtlinien (die EU-Richtlinien wiederum sind strenger als jene in Südamerika oder Asien). Dazu kommt, dass in der Schweiz deutlich mehr Bereiche geregelt werden als in anderen Ländern.
Wir fragen in acht Punkten, wie es um den Nutztier-Schutz steht und bewerten Punkt für Punkt.
Tierschutz-Richtlinien: 1:0 für die Schweiz
In der EU fehlen Tierschutz-Richtlinien zur Haltung von Kühen und Mastvieh, Pferden, Schafen und Ziegen sowie allen Geflügelarten ausser Hühnern. Damit sind über 100 Millionen Nutztiere in der EU ohne konkreten gesetzlichen Schutz.
Die EU-Richtlinie 98/58/EG zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen legt keine optimalen Tierschutz-Standards fest, sondern bezeichnet mit konkreten Vorschriften und Detail-Massen nur die Grenze zur Tierschutz-Widrigkeit. Wer die Anforderungen nicht einhält, macht sich strafbar. Wer sie erfüllt, bietet seinen Tieren aber nicht zwingend eine tierfreundliche Haltung.
Die Schweizer Tierschutz-Gesetzgebung gibt zu allen Nutztieren detaillierte Vorschriften und Mindestmasse vor.
Und die Grenze zur Tierquälerei ist in der Schweiz restriktiver festgelegt. Die Schweizer Mindestvorschriften bringen den Tieren also insgesamt mehr, auch weil sie alle Tier-Kategorien regeln.
Tierschutz-Prüfung: 2:0 für die Schweiz
Die EU schreibt keine Tierschutz-Prüfung vor.
In der Schweiz müssen serienmässig hergestellte und verkaufte Haltungssysteme und Stalleinrichtungen auf Tierschutzkonformität und Praxistauglichkeit geprüft und bewilligt werden. Davon profitieren Bauern, die solche Systeme kaufen – und natürlich die darin gehaltenen Tiere.
Tierschutz-Kontrollen: 3:0 für die Schweiz
In der Schweiz sind regelmässige und teilweise unangemeldete Tierschutz-Kontrollen auf allen Bauernbetrieben Pflicht. Wer gegen entsprechende Vorschriften verstösst, muss mit Bussen und Streichung von Direktzahlungen rechnen. Kontrollresultate und die ausgesprochenen Sanktionen werden öffentlich publiziert.
In vielen Ländern der EU finden kaum Kontrollen statt und fehlbare Landwirte haben entsprechend wenig Sanktionen zu fürchten. Von flächendeckenden, regelmässigen Tierschutz-Kontrollen kann in der EU keine Rede sein.
Gentech-Futter: 4:0 für die Schweiz
Die EU lässt Gentech-Futter zu.
Die Schweiz verbietet Gentech-Futter unter anderem aus Gründen des Gesundheitsschutzes. Ironischerweise haben Schweizer Behörden aber keine Bedenken, Import-Produkte von entsprechend gefütterten Tieren zu genehmigen.
Direktzahlungen: 5:0 für die Schweiz
Die EU schüttet das Gros ihrer über 40 Milliarden Euro Direktzahlungen ohne echte ökologische Minimalvorgaben an die Landwirte aus. Zudem existieren keine Tierwohl-Förderprogramme.
In der Schweiz müssen Landwirte den Ökologischen Leistungsnachweis ÖLN erbringen, um Direktzahlungen zu erhalten. Seit Einführung des Direktzahlungs-Systems 1996 können Schweizer Landwirte freiwillig bei den Programmen Besonders Tierfreundliche Stallhaltung BTS und Regelmässiger Auslauf ins Freie RAUS mitmachen, um so für einen Teil der Mehrkosten solcher Systeme entschädigt zu werden.
Tierseuchen: 6:0 für die Schweiz
Das Veterinärabkommen zwischen der Schweiz und der EU legt eine Gleichwertigkeit bezüglich Tiergesundheit fest. Tatsächlich haben aber einzelne EU-Länder deutlich mehr Tierseuchen und Tierkrankheiten.
In der Schweiz sind viele in der EU auftretende Tierseuchen glücklicherweise inexistent.
Tiertransporte und Schlachtung: 7:0 für die Schweiz
In der Schweiz sind Tiertransporte auf maximal sechs Stunden Dauer beschränkt.
In der EU sind tagelange, tierquälerische Schlachtvieh-Transporte in Camions oder mit Schiffen erlaubt. In EU-Schlachthöfen wird teilweise mit fast doppelt so hoher Geschwindigkeit wie in der Schweiz geschlachtet. Entsprechend wenig Zeit bleibt für einen korrekten Umgang mit den Tiere vor dem Schlachten und für das Sicherstellen einer korrekten Betäubung.
Schmerzhafte Eingriffe: 8:0 für die Schweiz
In der Schweiz sind die allermeisten schmerzhaften Eingriffe verboten. In der EU dürfen hingegen junge männliche Kälber, Zicklein oder Ferkel ohne Schmerzausschaltung kastriert werden.
In der EU sind unter Einschränkungen auch das in der Schweiz verbotene Coupieren von Schnäbeln und Schwänzen oder das Herausbrechen von Zähnen bei Ferkeln zulässig.
Der Autor: Hansuli Huber
Hansuli Huber ist auf einem Bauernhof im Zürcher Weinland aufgewachsen und studierte an der ETH Zürich Agronomie.
1985 begann er als Berater für Nutztierfragen beim Schweizer Tierschutz STS. Als STS-Geschäftsleiter hat Huber die Organisation von 1998 bis Ende 2018 zur wichtigsten Tierschutz-Organisation der Schweiz entwickelt.